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Schweizer Fleisch hat seinen Preis

01.03.2018
von Selin Turhangil

Schweizer Fleisch ist teuer: Spätestens, wenn man einen Blick auf Menükarten im Ausland wirft, wird man sich bewusst, dass der Preis dieses Gaumenschmauses in keinem anderen Land der Welt in solch schwindelerregende Höhen klettert. Wer jedoch die Gründe kennt, wird in Zukunft gerne tiefer in die Tasche greifen.

In Zeiten, in denen der Veganismus wütet und der Einkaufstourismus in Deutschland und Frankreich boomt, ist guter Rat für Schweizer Fleischproduzenten oft teuer. Noch essen 96 Prozent aller Schweizer und Schweizerinnen Fleisch, und zwar durchschnittlich 51 kg pro Kopf. Schweinefleisch und Geflügel geniesst man hierzulande besonders oft. Doch was rechtfertigt den Kauf dieser teuren Produkte vor Ort, wenn Konstanz nur einen Steinwurf entfernt ist und damit eine perfekte Ausrede darstellt für eine Spritztour auf einer von Tempolimits befreiten deutschen Autobahn?

Klein, aber fein

Die Antwort beginnt mit nachhaltiger Flächennutzung. Ungefähr ein Drittel der Schweiz kann landwirtschaftlich genutzt werden. Davon sind wiederum zwei Drittel Grünflächen, auf denen man Vieh halten kann. Viele Terrains können aber aufgrund ihrer steilen, in der Höhe liegenden Beschaffenheit kaum für Acker- und Obstanbau verwendet werden. Für viele Wiederkäuer stellen diese Umstände jedoch kein Problem dar: Sie können die Grünflächen als Futterquelle nutzen. Zum Vergleich: In den USA werden 230’000 km2 zur Futterproduktion beansprucht – eine Fläche mehr als fünfmal so gross wie die Schweiz. Zur pflanzlichen Nahrungsmittelproduktion dienen lediglich 16’000 km2, was weniger als der Hälfte der Fläche der Schweiz entspricht.

Des Weiteren kann die Schweiz aufgrund grosszügiger Niederschlagsmengen meist auf künstliche Bewässerung verzichten. Wirft man zum Vergleich einen Blick auf das amerikanische Festland, stellt man fest, dass dort immer öfter Gebiete beträchtlicher Grösse austrocknen, da man die Futtermittel sowie die Weideflächen ständig künstlich bewässern muss. Die unumgängliche Konsequenz ist das stetige Sinken des Grundwasserspiegels. Aus Statistiken wird ebenfalls ersichtlich, dass die Staaten zusätzlich einen Wasserverbrauch zur Nahrungsproduktion von 1’800 km3 pro Person und Jahr aufweisen – 400 km3 mehr als in vielen westlichen Ländern.

Oft handelt es sich in der Schweiz bei Fleischproduzenten um Familienbetriebe, die sich mit ihrem Vieh eng verbunden fühlen.

Antibiotika? Nicht im Schweizer Fleisch

Noch wichtiger ist, sich das äusserst strikte Schweizer Tierschutzgesetz in Erinnerung zu rufen: Tatsächlich handelt es sich dabei gar um die strengste Reglementierung der Welt. Das Gesetz legt unter anderem fest, dass sich Wiederkäuer insbesondere von Heu und Stroh – von sogenanntem Raufutter – ernähren müssen. Der Kraftfutteranteil muss man hingegen so gering wie möglich halten. Die Ernährung der Tiere bleibt auf diese Weise nicht nur artgerecht, sondern auch umweltfreundlich. Tiermehl und gentechnisch veränderte Pflanzen sowie jegliche Hormone und leistungsfördernde Antibiotika sind dabei strengstens untersagt.

Die Haltung von Tieren gemäss diesen Richtlinien ist hingegen in Ländern wie der USA eher Ausnahme als Regel. Man könnte meinen, dass man Lebensmittel und insbesondere Fleisch, das in eine oder mehrere der obigen Kategorien fällt, entsprechend kennzeichnen muss. Doch tatsächlich ist in den USA eher das Gegenteil der Fall. Lebensmittel aus einem Produktionsbetrieb, welcher Genmanipulation, Antibiotika oder Hormone einsetzt, dürfen Hersteller nach eigenem Ermessen beschildern. Es besteht keinerlei Deklarationspflicht Medikamente und Hormone betreffend, die Konsumenten Klarheit verschaffen würde.

Gross geschrieben werden in der Schweiz auch Richtlinien für Tiertransporte. Letztere dürfen auf keinen Fall sechs Stunden Fahrzeit übersteigen, um den Tieren unnötigen Stress und Angst zu ersparen. Es existieren zudem Richtlinien, welche die Transportfähigkeit eines Tieres betreffen. In der EU ist für Schweine vergleichsweise eine Reisedauer von satten 24 Stunden zugelassen.

Tiermehl und gentechnisch veränderte Pflanzen sowie jegliche Hormone und leistungsfördernde Antibiotika sind strengstens untersagt.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Effiziente Massnahmen müssen nicht immer obligatorisch sein. Oft handelt es sich in der Schweiz bei Fleischproduzenten um Familienbetriebe, die sich mit ihrem Vieh eng verbunden fühlen. Gerade solche Halter ermutigt der Staat, an Programmen wie «Besonders Tierfreundliche Stallhaltungssysteme » (BTS) und «Regelmässiger Auslauf im Freien» (RAUS) teilzunehmen. Die Teilnahmestatistiken weisen dabei auf einen grossen Erfolg hin: Drei Viertel aller Nutztiere werden im Sinne des Programms RAUS gehalten und mehr als die Hälfte nach den Richtlinien von BTS. Diverse Labels informieren den Konsumenten über die tierfreundliche Haltung dieser Tiere.

Damit es bei all diesen Regelungen keinesfalls bei leeren Worten bleibt, erwarten Produzenten lückenlose Dokumentation. Ebenfalls werden systematische Kontrollen durchgeführt, um zu überprüfen, ob die Anforderungen betreffend Herkunft und Produktion eingehalten wurden. Die Untersuchungen werden dabei von vom Bund anerkannten, unabhängigen Zertifizierungsstellen durchgeführt. Undenkbar sind deshalb Skandale, wie sie die französische Tierschutzorganisation «L214 éthique & animaux» aufgedeckt hat: Jedes Jahr kommen durch diese Tierschützer mit versteckter Kamera aufgezeichnete Videos in den Umlauf, auf denen Schlachthofpersonal in Frankreich fürchterliches Fehlverhalten an den Tag legt.

Erwähnt sei zu guter Letzt das Offensichtliche: Den eindeutigen Geschmacksunterschied zwischen Schweizer Fleisch aus tierfreundlicher Haltung und solchem aus unreglementierter Produktion. Bedenkt man, dass für Tier und Konsument die besten Vorkehrungen vor der Haustüre anzutreffen sind, ist der Einkaufstourismus ins nahe Ausland insbesondere beim Fleisch bedauerlich. Denn um den strikten Reglementierungen sowie freiwilligen Engagements nachzukommen, müssen sich einheimische Produzenten auf gute Verkaufszahlen abstützen können. Seien wir ehrlich: Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Der nächste Ausflug nach Konstanz kann bestimmt noch warten.

Text: Selin Olivia Turhangil

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