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Stadt der Zukunft – smart, aber bitte mit Reibungsflächen!

20.07.2018
von Miriam Dibsdale

Der Puls schlägt höher in Städten. Das fiebrige Durcheinander von Menschen und Sprachen, von Handel und Verkehr, von Erregung und Streit, von Chancen und Gefahren gehört seit jeher zum städtischen Leben und allesamt findet auf wundersame Weise eine Ordnung im Chaos, die niemand wirklich planen könnte. Wir bewundern die Schwarm-Intelligenz der Vögel, die am Himmel in grosser Zahl wie auf Kommando alle eine neue Richtung finden. Wie viel verwunderlicher noch müsste es für einen ausserirdischen Besucher sein, wenn er in einer unserer Städte strandet und sich inmitten des grossen Strudels wiederfindet. Wir nehmen das Funktionieren unsere Städte meist gedankenlos hin. Doch wer darüber nachdenkt, reibt sich verwundert die Augen, wie sich alles immer wieder fügt. Planstädte auf der grünen Wiese kommen nirgendwo auf dieser Welt wirklich zum Leben.

In den letzten Jahrzehnten sind die Städte atemberaubend schnell gewachsen: Die Anzahl Menschen, das Lebenstempo, die Häuser, der Verkehr und der Wohlstand. In Zukunft werden die Städte weiterwachsen. Sie bleiben die Orte der Lebenschancen – und ziehen daher die Menschen an. Bereits heute lebt eine Mehrheit der Weltbevölkerung in den Städten. Auch in der Schweiz werden die Städte den grössten Teil des prognostizierten Bevölkerungswachstums aufnehmen. Die Dichte wird zunehmen, ebenso die Mobilitätsbedürfnisse. Auch die Reibungsflächen werden zunehmen.

Unsere Zukunft entscheidet sich in den Städten. Auch der Kampf gegen die Klimaerwärmung wird zur Hauptsache in den Städten entschieden. Am Horizont sind Lösungsansätze erkennbar. Eine intelligentere Mobilität beispielsweise: elektrisch, geteilt und automatisiert. Würden alle Autos, Busse und Taxis durch autonom-fahrende Shuttles ersetzt, welche die S-Bahnen und Trams ergänzen, würden neun von zehn herkömmlichen Autos überflüssig sein. Das ergab eine Simulationsstudie des Internationalen Transport Fo- rums der OECD für die Stadt Lissabon. Die Stadt der Zukunft wird Flächen in der Grössenordnung tau- sender Parkplätze zurückgewinnen: Für Marktstände, Strassencafés, Kinderspielplätze und Begegnungszonen, für Bäume und gemeinschaftlich gepflegte Pflanzkästen. Der verbleibende Verkehr wird fast geräuschlos sein. Die Luft wird deutlich besser und der Verkehr sicherer sein. All das, ohne Einschränkungen der persönlichen Mobilität.

Technik wird – wie schon immer in der Geschichte der Menschheit – ihren Beitrag zum besseren Leben leisten

Häuser werden in Zukunft zu Kraftwerken. Die Fassaden erzeugen Strom, Wärme wird aus dem Erdinnern und aus nahegelegen Seen getauscht. In Strassenbelege eingebaute Solarzellen liefern Strom. Vertikale Wälder kühlen das Stadtklima und Pflanzkästen auf Plätzen und Dächern tragen zur Versorgung bei – und schaffen lokale Gemeinschaften, die sich Arbeit und Früchte des Urban Gardenings teilen. Auch Tauschplattformen für Heimwerkzeuge, gebrauchte Möbel und kleinere Handreichungen fördern solche Gemeinschaften und helfen, den Rohstoffverschleiss zu bremsen.

Technik – Ohne Chaos keine Freiheit

Technik wird – wie schon immer in der Geschichte der Menschheit – ihren Beitrag zum besseren Leben leisten. Allerdings birgt sie auch eine grosse Gefahr: Wenn wir zu sehr danach streben, alles Mögliche zu optimieren und zu kontrollieren, bleibt die Freiheit auf der Strecke. Die totale Überwachung wird technisch möglich. Kein Schritt wird unbemerkt bleiben. Jede Normabweichung kann unverzüglich bestraft werden. Aus der riesigen Menschenansammlung wird der Gesuchte zweifelsfrei festgestellt. Künstliche Intelligenz wird jedes Gesicht erkennen. Die totale Überwachung könnte unter der Prämisse, die Sicherheit zu gewährleisten, auf uns zu- kommen. Die Folgen aber wären weitreichend. Wenn Städte wie Software-Programme funktionieren, geht auch ihre Qualität als urbaner Lebensraum verloren.

 

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