grabow als zweitkapitän auf einem französischen luxuskatamaran in  strasse von malakka, indonesien (dezember 2017)
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Sascha Grabow – Ein Leben fürs Reisen

28.09.2018
von Daniela Jeanneret

Fremde Kulturen, aussergewöhnliche Essensgewohnheiten oder atemberaubende Strände, auf der Welt gibt es so manches zu entdecken. Sascha Grabow, der meistgereiste Mann Deutschlands, war schon in Ländern, in denen Einheimische für gewöhnlich keine Touristen antreffen. 

Sascha Grabow, Sie reisten von 1987 bis 2016 in alle 193 Länder der UN-Staaten. Wie kam es dazu?
Das hört sich so an, als sei es mein Plan gewesen, allerdings war es das eindeutig nicht. Als Teenager drehte sich bei mir viel um Tennis. Bei dieser Sportart fährt man oft zu Turnieren oder in wärmere Gefilde, um früher in der Saison trainieren zu können. Viele Spieler wollten nach den Turnieren allerdings sofort nach Hause. Ich fand diese neuen Gebiete jedes Mal so faszinierend, dass ich gar nicht mehr weg wollte. So nahmen die Dinge ihren Lauf.

Für wie lange blieben Sie jeweils in einem Land?
Um in das einheimische Lebensgefühl hineinzufinden, versuchte ich für gewöhnlich länger als einen Monat im Land zu bleiben. Bei Ländern wie San Marino, Liechtenstein oder Monaco fiel die Reise aber auch schon kürzer aus.

Ihre Reise um die Welt dauerte bisher insgesamt 33 Jahre. Wie verging die Zeit dabei?
Es war immer abwechslungsreich. Ich erlebte ständig faszinierende und einmalige Dinge, deren Eindringlichkeit und Stärke ich nie vergessen werde. Langeweile kenne ich nicht. Die Lebensenergie wird erneuert anstatt abgenutzt.

Sie sind der meistgereiste Mann Deutschlands.
Vor allem die Medien suchen immer die Superlative. Jeder will lieber einen Reisetipp vom «Meistgereisten» anstelle vom «Zweitmeistgereisten». Einer gab seinem Buch den Titel «The Most Travelled Man» und erzielte damit vorübergehend erhöhte Aufmerksamkeit. Später hörte man dann, dass ihm sogar mindestens fünf UN Länder fehlen. Dabei gibt es heute etwa 130 Reisende, die zumindest diese komplettiert haben. Ein Deutscher musste sein «Der Meistgereiste» betiteltes Buch sogar vorzeitig herausbringen. Dies weil er wusste, dass er es zwei Monate später nicht mehr sein würde.

Warum generiert diese Lebensbeschäftigung so viele Mitbewerber?
Überlegen Sie sich ein wirklich grosses Lebensziel. Für mich gibt es wenige, wenn man nicht gerade Astronaut werden will, was diesem in Bedeutung gleichkäme.

Stellt euch vor, jemand hätte den Wunsch, irgendwann eine Million zu besitzen. Ich bin mir relativ sicher, dass das einfacher wäre. Man bräuchte einen qualifizierten Beruf, in welchem man 40-50 Euro Stundenlohn bekommt. Dann müsste man 30 Jahre lang täglich zwei Stunden Arbeitszeit bzw. -Verdienst beiseitelegen und wäre am Ziel. Aber könnte einer für so etwas auch nur annähernd die gleiche Leidenschaft entwickeln?

Ich erlebte ständig faszinierende und einmalige Dinge, deren Eindringlichkeit und Stärke ich nie vergessen werde.

Wie begann es, dass sich Traveler miteinander messen?
Seit dem Jahr 2000 erklärte sich Guinness-Records unfähig zu entscheiden, wer der «Weitgereisteste» war. Zur Folge wurde die Kategorie aus dem Buch gestrichen. Ab 2006 bekamen dann Traveler erstmals die Möglichkeit, auf einer Website ihre Reisegebiete einzutragen und offiziell zu machen.

Es dauerte zehn Jahre, bis die Allgemeinheit merkte, dass bei dieser Liste circa 100 unbewohnte Gebiete eingebaut waren. Diese steuert jeweils nur ein Expeditionsschiff an. Dies mit Kosten von 7 000 bis 14 000 Euro pro Wochentour. Somit nahm man 99 Prozent der Bevölkerung die Chancengleichheit; die Reichen blieben effektiv unter sich. Letztendlich gründeten Reisende Travelwebsites wie «greatestglobetrotters» oder «nomadmania», die die Welt nach den tatsächlich relevanten Regionen bewerten. Die ehemaligen Erstplatzierten finden sich nun auf Platz 15 wieder.

Welches Land mögen Sie am liebsten?
Ich mag, einmal abgesehen von meinem Lieblingskontinent Afrika, eigentlich immer das Neue, das nie Dagewesene.

Welche Destination ausserhalb Europas könnten Sie mit der «Schweiz» vergleichen und weshalb?
Im Süden Brasiliens gibt es einen Ort, der von den Einheimischen Schweiz genannt wird. Auch Neuseeland hat mich an die Schweiz erinnert. Ich verbinde das Land mit Sauberkeit, viel Grün, schönen Seen und Bergen, was ich an diesen Orten wiederfand.

Einsamkeit und Heimweh trifft fast jeden einmal. Wie sind Sie damit umgegangen?
Das habe ich abgeschafft (lacht). Mit 17 hatte ich das nach 24 Stunden sehr extrem. Da war gar kein Platz mehr für andere Gedanken oder Gefühle. Heute kenne ich das nicht mehr. Vielleicht auch, weil ich mich mittlerweile überall nach 30 Minuten wie zu Hause fühle.

Sind Sie immer alleine gereist?
Ich war zweimal einen Monat mit anderen Reisenden unterwegs. Einmal mit einem Schweden durch Myanmar und ein anderes Mal mit einem Franzosen durch Syrien und den Libanon.

Zu Ihren Berufen gehören Globetrotter, Autor, Fotograf und Tennistrainer. Was davon verkörpern Sie am meisten?
Zuerst einmal bin ich Abenteurer und Entdecker. Dann mache ich viel und gerne Fotos, obwohl ich von der dicken Kamera wieder Abstand genommen habe. Das Schreiben kam erst in den letzten Jahren dazu. Man hat heute mehr zu erzählen. Der Stil wird peu à peu flüssiger und auch mit den Lebensjahren wird eine nichtkörperliche Beschäftigung immer interessanter.

Unter Langzeitreisenden, denjenigen, die länger als ein Jahr ununterbrochen reisen, findet sich keiner,
der es nicht hinkriegt, das tägliche Budget unten zu halten.

Hatten Sie nie Angst, irgendwann kein Geld mehr zu haben?
Die grossen Traveler sind Leute, die sich nicht haben abschrecken lassen. Sie haben dem Reisen trotz Inflation und steigenden Preisen immer weiter Priorität gegeben haben. Unter Langzeitreisenden findet sich keiner, der es nicht hinkriegt, das tägliche Budget unten zu halten.

Soll heissen?
Viele junge Leute träumen vom Reisen. Doch sie denken sich: Ich muss erst noch dies und das machen und dann noch etwas mehr Geld zusammensparen. Doch je länger man wartet, desto seltener geht die Reise tatsächlich los, weil das Leben immer komplizierter wird. Ausserdem ist die Gesellschaft nicht daran interessiert, ihre «Breadwinner» zu entlassen.

Erzählen Sie von einem Erlebnis, das Sie bis heute noch begleitet.
Mit 17 unterhielt ich mich während eines Schulausflugs mit einem Klassenkameraden. Er meinte dann, er würde die Woche über stur pauken, um das zu erfüllen, was Gesellschaft und Eltern von ihm erwarten. Am Wochenende würde er sich dann betrinken, um diesen Rhythmus auszuhalten. Ich meinte, dies käme für mich nicht in Frage.

Einen Monat nachdem ich mein Leben am 18. Geburtstag selbst in die Hand genommen hatte und deswegen die Schule verliess, erhängte sich dieser Junge. Ein Jahr später hat sich dann mein Onkel das Leben genommen. Diese beiden Erfahrungen haben meine Überzeugung reifen lassen. Ich weiss nun, dass man viel besser damit fährt, die Dinge direkt zu tun, wenn man sie tun will. Es bringt nichts, die Gratifikation immer zu verschieben. Vor allem bleibt man so psychisch gesund, obwohl der andere Weg laut unserer Kultur vielleicht der Klügere ist.

Es heisst, Sie wurden mehrmals inhaftiert. Weshalb?
In Afrika kann es passieren, dass jemand mal für eine Nacht eingesperrt wird. Dies weil dieser an einem Ort unterwegs ist, an dem es eigentlich keine Touristen gibt. Oder auch wenn Wahlen sind und ein Präsident nervös ist, weil sich das Land in einer Art Bürgerkriegszustand befindet. Da wird dann sichergestellt, dass man nicht etwa ein verdeckter Spion ist.

Auf den Inseln der Salomonen bin ich letztens mit einem Boot angekommen, so wie es alle Einheimischen machen. Aber bei mir machten die Behörden eine Staatsaffäre draus. Sie haben mich halbnackt in eine Art Tigerkäfig gesteckt und von jeglicher Kommunikation zur Aussenwelt abgeschirmt. Es hiess nämlich, dass nur die Flugeinreise in den Inselstaat legal sei. Das erinnert daran, dass vor 150 Jahren mit der Bismarck, einem deutschen Dampf-Postschiff, ein regelmässigerer Verkehr zwischen den westpazifischen Inseln herrschte als heute. Diese Entwicklung finde ich indes sehr schade.

Ich kann Emotionen, ein Lächeln oder eine Stimmung mit einem Klick oft besser einfangen und beschreiben, als mit tausend Worten.

Was haben Sie für die Zukunft geplant? Wo geht es als nächstes hin?
Mogadischu und Bagdad liegen an. Nach Bagdad zu trampen ist momentan absolut machbar und zu weit ist es auch nicht. Falls ein Leser an einer gemeinsamen Tour dorthin Interesse hat, darf er sich gerne bei mir melden.

Auf Ihrem Instagram-Profil teilen Sie die Fotos Ihrer Reisen. Was bedeutet es Ihnen, den Menschen die Welt mit Ihren Augen zu zeigen?
Ich kann Emotionen, ein Lächeln oder eine Stimmung mit einem Klick oft besser einfangen und beschreiben, als mit tausend Worten. Heutzutage sind viele Menschen verunsichert, ob dem Gegenüber die Begegnung genauso wichtig war wie ihnen selber. Als Portraitfotograf weiss man, dass nur durch das eigene Lächeln das Lächeln erzeugt wurde. Das gibt die Sicherheit, dass beide Seiten die Begegnung und die gleichen Sinneseindrücke im selben Moment wahrgenommen haben. Gerne vermittle ich dem Publikum mit meinen Bildern dieses kleine Geheimnis der Gefühle.

Interview mit Sascha Grabow: Daniela Jeanneret

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Sascha Grabow

Instagram-Profil Sascha Grabow:

@sascha_grabow

Sascha Grabows autobiografisches Buch «Traveling– 30 Years Around the Planet» ist kürzlich in englischer Sprache erschienen. In der Lektüre geht es beispielsweise um Überfälle in Zentralafrika geht. Das Buch ist bei Amazon erhältlich.

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