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Berufswahl: Mama und Papa als Karriere-Coach

28.09.2018
von Remo Buergi

Spätestens gegen Ende der obligatorischen Schulzeit müssen sich Jugendliche überlegen, ob sie eine Lehre machen wollen oder ein Studium anstreben. Die Eltern spielen bei der Berufswahl eine wichtige Rolle: Sie motivieren, beraten und unterstützen ihre Kinder beim Prozess der Entscheidungsfindung.

Für welche Berufe interessiert sich mein Kind? Passt das Gymnasium mit Matur und anschliessendem Studium besser zum Berufswunsch oder ist eine Lehre geeigneter? Welche Möglichkeiten zur Weiterbildung gibt es später? So unterschiedlich wie die Fragen sind auch die möglichen Antworten. Dies macht die Entscheidung über die berufliche Ausrichtung für viele Jugendliche und ihre Eltern zu einer Herausforderung. Herausfordernd darf es aber sein. Denn je sorgfältiger man in dieser Phase vorgeht, desto grösser die Chance, dass die Entscheidung langfristig die richtige ist.

Persönlichkeit als Basis

Als Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen und Abklärungen bieten sich die Interessen und Fähigkeiten des Kindes an. «Es macht Sinn, sich von der Persönlichkeit als ‹Kompass› für das weitere Vorgehen leiten zu lassen», bestätigt Bernhard Burger. Der Berufsberater des Laufbahnzentrums der Stadt Zürich ergänzt: «Wenn man direkt nach Berufen sucht, übersieht man oft alternative Ausbildungen, die vielleicht besser zu den individuellen Stärken und Vorlieben passen». Ein weiterer entscheidender Faktor sind die Schulnoten. Ob der Weg in Richtung Studium – und auch zu anspruchsvollen Berufslehren – offen steht, hängt mit den schulischen Leistungen zusammen. Hier gilt es, die Möglichkeiten des Kindes realistisch einzuschätzen.

Abschluss als Ausgangspunkt

Auch wenn die Noten stimmen: Wer eine Matur machen will, muss darüber hinaus Interesse an neuen Inhalten haben, neugierig sein. Wer trotz der nötigen Begabung nicht gerne zur Schule geht, ist in der praxisorientierten Berufslehre wahrscheinlich besser aufgehoben. Ein Vorteil der Lehre ist auf jeden Fall, dass man sofort Nutzen generiert. Ob Produkt oder Dienstleistung: Man wendet an und setzt um, was man zuvor gelernt hat. Zudem darf nicht vergessen werden, dass dank der Durchlässigkeit des Schweizer Bildungssystems ein Lehrabschluss immer seltener die letzte Ausbildungsstufe darstellt. Über die Berufsmatur und eventuell eine Passerelle steht der Weg an Fachhochschulen, Universitäten und Pädagogische Hochschulen offen. Und auch ohne Berufsmatur sind Weiterbildungen möglich: Die höhere Berufsbildung ermöglicht eine Spezialisierung der Fähigkeiten.

Wer trotz der nötigen Begabung nicht gerne zur Schule geht und lieber mit anpacken möchte, ist in der praxisorientierten Berufslehre wahrscheinlich besser aufgehoben.

Breite Allgemeinbildung

Gerade für Jugendliche, die zuerst in die Praxis wollen, ist die Berufslehre also ein optimaler Einstieg in die Arbeitswelt. Später können sie dann eine theoretische Vertiefung ins Auge fassen. Demgegenüber steht beim Besuch einer Mittelschule mit anschliessender Matur von Anfang an der Wissenserwerb im Fokus. Bernhard Burger erklärt: «Das Ziel der gymnasialen Ausbildung ist es, den Schülern einen breiten Horizont zu vermitteln und eine vertiefte Auseinandersetzung mit bestimmten Themen zu ermöglichen. Nach der Matur erarbeitet man sich im Studium ein Expertenwissen in der gewählten Fachrichtung, etwa im Bereich Recht, Medizin oder Mathematik». Der universitäre Abschluss mit einem Bachelor oder Master hat zudem den Vorteil, dass er international bekannter ist als die Abschlüsse der Be- rufsbildung. Dafür fehlt Akademikern die praktische Erfahrung aus der Arbeitswelt, welche in der Berufslehre von Beginn an erworben wird.

Eltern betreuen Prozess der Berufswahl

Kurzum: Die zwei Wege habe ihre jeweiligen Vor- und Nachteile, führen aber letztlich beide an (fast) jedes Ziel. Trotzdem macht es Sinn, die Entscheidung über die erste Richtung, die man einschlagen will, gründlich abzuwägen. Die Eltern spielen eine entscheidende Rolle bei diesem Prozess. Sie motivieren ihre Kinder, sich mit der Thematik zu beschäftigen. Sie unterstützen sie bei Abklärungen und Bewerbungen. Und sie geben ihrem Nachwuchs zu verstehen, wenn sie mit einer Überlegung nicht einverstanden sind. «Eltern sollen ihrem Kind sagen, wenn sie beispielsweise einen Berufswunsch nicht nachvollziehen können», rät Experte Burger. «Schliesslich kennen Vater und Mutter das Kind besser als alle anderen.» Wichtig sei allerdings, dass die Eltern ihre Meinung begründen und ihre Sprösslinge mit gu- ten Argumenten zu überzeugen versuchen. Auch wenn das Spannungen auslöse, sei es immer noch besser, als sich dann später den Vorwurf «Warum hast du nichts gesagt?» anhören zu müssen.

Als Team erfolgreich bei der Berufswahl

Obwohl Jugendliche manchmal eine schwierige Beziehung zu ihren Eltern haben, funktioniert die Zusammenarbeit bei der Berufswahl aber oftmals ganz gut. «Gemäss meiner Erfahrung raufen sich Eltern und Kinder bei dieser Frage zusammen und verhalten sich konstruktiv», sagt der Zürcher Berufsberater. Gemeinsam können Aspekte wie die Zukunftsaussichten eines bestimmten Berufs besser beurteilt werden. Auch wenn das sicherlich nicht der Ausgangspunkt für die Entscheidungsfindung sein sollte. Es ist auf jeden Fall eine gute Idee, zum Beispiel die möglichen Auswirkungen der Digitalisierung auf ein spezifisches Berufs- oder Ausbildungsprofil zu diskutieren. Bernhard Burger hält abschliessend fest: «Letztlich sollte sich heute so oder so jeder Jugendliche bewusst sein, dass seine erste Ausbildung kaum seine letzte sein wird.»

Text Remo Bürgi

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