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Henry Ford: Der Industrialist, der die Welt veränderte

31.10.2018
von Simon Misteli

Henry Ford gilt als brillanter Erfinder und Vorvater der modernen Konsumgesellschaft. Eine kurze Beschreibung einer vielseitigen Persönlichkeit.

Wenn jemand von der wachsenden Macht der Maschine und der Industrie spricht, erscheint leicht vor uns das Bild einer kalten, metallischen Welt, in der die Bäume, die Blumen, die Vögel, die Wiesen von grossen Fabriken verdrängt sind, einer Welt, die aus eisernen und menschlichen Maschinen besteht. Eine solche Vorstellung teile ich nicht.»

Der Tüftler

Wir schreiben das Jahr 1878. Der Mann, von dem die Aussage stammt, sitzt über den Tisch gebeugt in einer kleinen, von ihm selbst eingerichteten Werkstatt auf einem Hof in Greenfield Township, Michigan. Noch ist er ein fünfzehnjähriger Junge, und anstatt sich Gedanken über den Ruf der Industrie zu machen, konzentrieren sich seine Gedanken wohl eher auf den Motor auf dem Tisch vor ihm. Geschickt führt er den Schraubenschlüssel mit seiner vom Öl verschmutzten Hand und dreht, bastelt und tüftelt. Schon seit drei Jahren kommt er jeden Tag nach der Arbeit in die Werkstatt auf dem Hof seines Vaters und frönt seiner Passion. Und nun, nach langer Zeit des Werkens, ist es ihm endlich gelungen: Henry Ford hat seinen ersten Verbrennungsmotor gebaut.

Nur 15 Jahre zuvor erblickte der junge Henry als erstes von sechs Kindern von Mary Litgot O’Hern und William Ford, zwei Einwanderern aus Irland, das Licht der Welt. Und nur ein Jahr nach der Fertigung seines ersten Motors zieht der entschlossene Henry nach Detroit, um dort seine Lehrjahre als Maschinist zu beginnen.

Seine Passion des Experimentierens ging dabei nicht verloren, wie sich später noch zeigen wird. Mit 25 Jahren heiratet der junge Mann Clara Jane Bryant und einige Jahre später, 1893, gesellt sich ihr einziges Kind, Edsel Ford, zu ihrer kleinen Familie. Währenddessen arbeitet Henry als Ingenieur bei der Edison Illuminating Company. Welche von niemand geringerem als Thomas Alva Edison selbst geführt wird. Schon nach zwei Jahren wird der junge Henry zum Chefingenieur befördert. Eine Stellung, die ihm genug Geld und Zeit verschafft, um das Tüfteln wieder aufzunehmen.

Man könnte annehmen, dass er mit seinem jungen Gemüt grossen Gefallen am Rennsport findet.

Er beginnt mit persönlichen Experimenten an Verbrennungsmotoren. Diese Experimente resultieren in der Fertigstellung eines selbstangetriebenen Fahrzeugs. Henry nennt es «Quadricycle», da es auf vier Fahrradrädern fährt. Auf der ersten Testfahrt muss sein Assistent mit dem Fahrrad vorausfahren, um nichts ahnende Fussgänger vor dem merkwürdigen Gefährt zu warnen, das auf sie zu kommt.

Im selben Jahr trifft Henry an einem Meeting der Chefetage der Illuminating Company auf Edison. Der ist begeistert von den Experimenten, von denen Henry ihm erzählt. Vom Lob des grossen Erfinders angespornt, stellt Henry 1899 sein zweites Auto fertig. Dieser Erfolg führt zur Entscheidung des ambitionierten Erfinders und Geschäftsmannes, die Edison Illuminating Company zu verlassen und die Detroit Auto Company zu gründen.

Der Geschäftsmann

Seine Ambitionen sind nicht sofort von Erfolg gekrönt. Die Autos, die er mit seinem neuen Unternehmen herstellt, sind von schlechter Qualität und zu teuer. Nur zwei Jahre nach der Gründung droht ihm die Insolvenz. Im selben Jahr gewinnt Henry mit einem selbst gebauten Wagen ein Rennen. Ein Sieg, der ihm neue Investoren einbringt. Die ihm ermöglichen, die insolvente Detroit Auto Company zur Henry Ford Company umzustrukturieren.

Henry lässt seine Autos auch später an so einigen Rennen teilnehmen. Manche fährt er selbst, für andere setzt er verpflichtete Fahrer ein. Er gewinnt sogar ein Rennen von Küste zu Küste durch Amerika. Zwei seiner Autos stellen ausserdem einen Geschwindigkeitsrekord auf. Man könnte annehmen, dass er mit seinem jungen Gemüt grossen Gefallen am Rennsport findet. Allerdings bekennt er in seiner Autobiografie «My life and work», dass er nicht etwa des Nervenkitzels wegen teilgenommen hat. Sondern weil damals weithin die Geschwindigkeit eines Autos als Mass seines Werts galt. Ein, wie er findet, falsches Konzept. Ford interessiert sich viel mehr für Effizienz und Zuverlässigkeit in einem Auto. Trotzdem, solange der Erfolg eines Autos von seiner Geschwindigkeit abhängt, ist Henry entschlossen, dass seine Autos die schnellsten sein werden. So fahren er und andere Fahrer noch so einige PR-Rennen für die Ford-Marke.

Henry Ford bleibt nicht lange im nach ihm benannten Unternehmen. Schon ein Jahr nach der Reorganisation verlässt er die Produktionsstätte. Wieder ist es ein Rennsieg, der ihm neue Investoren einbringt, mit denen er die Ford Motor Company gründet.

Nach diesem etwas holprigen Start gelingt Ford endlich der Durchbruch zum Erfolg. Und der kann sich sehen lassen. 1908 wird das «Model T» eingeführt. Das Auto steigt schnell zum Verkaufsschlager auf. Es ist einfach zu fahren, günstig zu kaufen und simpel zu reparieren. Zudem wird es noch von landesweit verbreiteten Kampagnen beworben. 1913 wird das Fliessband in Fords Fabriken eingeführt. Dies erhöht die Produktion des T-Modells und senkt seinen Preis beträchtlich. So dass die Nachfrage in schwindelerregende Höhen steigt. Im Jahre 1918 sind die Hälfte aller Autos in den USA T-Modelle.

Das «Model T» wird bis 1927 produziert. Vor allem, weil Henry Ford lange daran festhält, selbst als die Konkurrenz modernere Autos auf den Markt bringt. Denn seine Devise lautet: «Wenn man eine gute Idee hat, konzentriert man sich besser darauf, sie zu perfektionieren, als nach neuen Ideen zu suchen.» Als das Fliessband mit den T-Modellen dann doch zum Stillstand kommt, sind gesamthaft über 15 Millionen Autos produziert worden. Ein Rekord, der erst in 45 Jahren vom VW Käfer gebrochen werden sollte.

1927 führt bereits Ford’s Sohn Edsel die Ford Motor Company. Henry behält allerdings grossen Einfluss auf die Entscheidungen und übernimmt das Unternehmen wieder offiziell nach Edsel’s vorzeitigen Tod in 1943. Vier Jahre später verstirbt auch der alte Ford im Alter von 83 Jahren und hinterlässt das Unternehmen seinem Enkel Henry Ford II.

Wenn man eine gute Idee hat, konzentriert man sich besser darauf, sie zu perfektionieren, als nach neuen Ideen zu suchen.

Der Philosoph

Während das Fliessband nicht Fords Erfindung war – er hat es lediglich perfektioniert und ihm Popularität verschafft – war seine Art, ein Unternehmen zu führen, regelrecht innovativ. Ein Jahr nach der Einführung des Fliessbandes erhöht er den Lohn seiner Arbeiter auf fünf Dollar pro Tag. Die Ankündigung «schoss wie eine blendende Rakete durch die dunklen Wolken der gegenwärtigen industriellen Depression», schreibt ein zeitgenössisches Editorial einer Zeitung in Cleveland, Ohio. Die Lohnerhöhung ist in vielen Fällen eine Verdopplung der Löhne, die gleich qualifizierte Arbeiter anderswo verdienen. Dies bringt natürlich den Vorteil, dass die Mechaniker Detroits bei Ford Schlange stehen und er die besten auswählen kann. Hinter seiner Aktion liegt jedoch ein weiterer Gedanke. Der sich auch zeigt, als er die 5-Tages, 40-Stunden Arbeitswoche einführt. Dieser Gedanke ist seiner Meinung nach die nötige Antwort auf die Massenproduktion: Massenkonsumation. Denn was in Massen produziert wird, muss auch von der Masse konsumiert werden, damit es rentiert.

Der höhere Lohn soll dazu führen, dass seine Arbeiter sich seine Autos leisten können. Die kürzere Woche gewährt den Arbeitern mehr Freizeit und so mehr Zeit, um Geld ausgeben zu können. Zusammen mit der Einführung des Fliessbandes und seiner Betonung der Wichtigkeit von Marketing bilden diese zwei Überlegungen die Grundlagen der Konsumgesellschaft des 20. Jahrhunderts.

Die vielen Facetten des Henry Ford

Henry Ford war jedoch weitaus mehr als «nur» ein Tüftler, Geschäftsmann und Philosoph. Er war nebenbei engagierter Pazifist und kurz politisch aktiv. Wegen seiner ausgesprochenen Unterstützung für die League of Nations, bat ihn Präsident Woodrow Wilson, an einem Wahlkampf für einen Sitz im Senat teilzunehmen. Henry Ford erwiderte darauf: «Wenn sie mich wählen wollen, dann lass sie machen, aber ich werde keinen Penny investieren.» Er verlor die Wahl. Trotz seines Pazifismus produzierte Ford vor dem Zweiten Weltkrieg Kriegsmaschinerie für die USA und für Nazideutschland.

Ausserdem schrieb er ein Buch, in dem er über die Gefahren des Rauchens aufklärte. Dies war für jene Zeit ziemlich ungewöhnlich. Er wird allerdings auch von Kontroversen umgeben. Zum einen, weil er ein antisemitisches Buch schrieb und eine gleichartige Zeitung publizierte. Zum anderen weil er eine Zeit lang seine Arbeiter überwachen liess, die Bildung einer Gewerkschaft in seinen Werken verhinderte und einen Streik mit Gewalt auflösen liess. Von alldem distanzierte er sich mehr oder weniger aufrichtig in seinem späteren Leben.

Vor allem aber war Henry Ford ein Industrialist. Und als solcher verteidigte er vehement die positiven Auswirkungen der Industrie auf unser Leben. Denn, wo andere, wie er selbst sagt, ein düsteres Bild von der Industrie zeichnen, entgegnet er: «Eine solche Vorstellung teile ich nicht. Ich glaube vielmehr, dass, wenn wir die Maschinen und ihren Gebrauch nicht besser verstehen, wenn wir die mechanischen Seile des Lebens nicht besser begreifen lernen, wir auch gar nicht die Zeit finden können, uns an den Bäumen und an den Vögeln, an den Blumen und an den Wiesen zu erfreuen.»

Text: Simon Misteli
Foto: The Ford Motor Company

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