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Editorial Industrie Innovation Wirtschaft

Jean-Philippe Kohl: Welche wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen braucht die Schweiz?

31.10.2018
von SMA

Die Schweizer Industrie ist derzeit gut unterwegs. Im ersten Halbjahr 2018 haben die Unternehmen der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) ein Umsatzplus von 16 Prozent verbuchen können. Doch auch in guten Zeiten fehlt es nicht an Herausforderungen. Diese drehen sich vor allem um die Handlungsfelder Innovation, Digitalisierung, Fachkräfte, Aus- und Weiterbildung sowie Freihandel. In vielen Bereichen stehen die Unternehmen selbst in der Verantwortung. Dennoch sind die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen oft mitentscheidend, ob sie die bestehenden Herausforderungen meistern können.

Innovation fördern

Das wichtigste Handlungsfeld ist die Innovation. Die Erneuerungskraft der Industrie wird durch einen effektiven Wissens- und Technologietransfer (WTT) aus den Hochschulen, Fachhochschulen und Forschungsinstituten wesentlich gestützt. Davon profitieren vor allem KMU, welche oft nur über beschränkte Mittel für Innovationsprojekte verfügen. Bei der Förderung marktnaher Projekte spielen die Fachhochschulen, ETH und die Forschungsinstitutionen, aber auch die Förderagentur Innosuisse (vormals KTI) eine wichtige Rolle. Dieser WTT muss weiter gestärkt werden.

Rechtliche Sicherheit und minimale Regulierung

Eine Schwester der Innovation ist die Digitalisierung. Sie eröffnet ein riesiges Potenzial für neue Produkte und Dienstleistungen. Die Digitalisierung ist ein ergebnisoffener Prozess, welchen man in erster Linie dem Markt überlassen muss. Deshalb ist eine äusserst zurückhaltende Regulierung des digitalen Raumes eine wichtige Rahmenbedingung, damit die Potenziale voll ausgeschöpft, die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und damit die Arbeitsplätze in der Schweiz gehalten werden können. Der Staat soll lediglich die offenen Fragen im Datenschutz und -recht klären sowie die Grundlagen für Cybersicherheit schaffen.

Die Digitalisierung ist ein ergebnisoffener Prozess, welchen man in erster Linie dem Markt überlassen muss.

Jean-Philippe Kohl, Direktor a.i. Swissmem

Wenn man über Innovation und Digitalisierung spricht, drängen sich auch die Themen Fachkräfte sowie Aus- und Weiterbildung ins Bewusstsein. Der konjunkturelle Aufschwung der vergangenen Monate hat zu einer Erhöhung der Beschäftigung in der Industrie geführt. Damit einhergehend hat sich der Fachkräftemangel weiter akzentuiert. Die fortschreitende Digitalisierung erfordert zusätzliche Kompetenzen und verstärkt die Berufsmobilität.

Digitalisierung sinnvoll nutzen

Für das ganze Bildungssystem bedeutet dies, dass es sich den neuen technologischen Möglichkeiten und dem erhöhten Tempo anpassen muss. Das beginnt schon bei der Grundbildung. Im Bereich der Weiterbildung und der Umschulung sind innovative Modelle zu prüfen. Es geht darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Alters und unabhängig ihrer beruflichen Stellung für neue Stellenprofile fit zu machen. Darüber hinaus muss es weiterhin möglich bleiben, hochqualifizierte Spezialisten auch aus andern Ländern bedarfsgerecht in der Schweiz zu beschäftigen. Die Personenfreizügigkeit mit der EU und der liberale Arbeitsmarkt müssen daher aufrechterhalten werden.

Schliesslich bildet der Freihandel eine matchentscheidende Rahmenbedingung. Dieser ist derzeit sowohl innen- wie auch weltpolitisch unter grossem Druck. Die Schweizer MEM-Industrie hat einen Exportanteil von 80 Prozent. Der möglichst hindernisfreie Zugang zum europäischen Binnenmarkt sowie zu den übrigen Weltmärkten ist daher von grösster Bedeutung. Im Zentrum stehen die bilateralen Verträge mit der EU. Hinzu kommen 28 Freihandelsabkommen mit 38 Partnerstaaten ausserhalb der EU. Aktuell bedrohen die Selbstbestimmungs- sowie die Kündigungsinitiative dieses Vertragsnetz. Aus Sicht der MEM-Industrie ist es entscheidend, dass diese Initiativen abgelehnt werden.

Text: Jean-Philippe Kohl, Direktor a.i. Swissmem

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