erneuerbare erneuerbare zukunft –  eine grosse meinungskluft
Editorial Nachhaltigkeit Innovation

Erneuerbare Zukunft – und eine grosse Meinungskluft

14.11.2018
von SMA

Seit zehn Jahren erlebt die Strombranche einen stark beschleunigten Wandel. Erneuerbare Energien verzeichnen Jahr für Jahr massive Zuwachsraten. Das Klimaabkommen von Paris hält einen Plan für die Zukunft bereit: Die Treibhausgasemissionen müssen weiterhin deutlich abnehmen – die Stromproduktion soll gänzlich erneuerbar werden.

Der Bundesrat hat vor diesem Hintergrund entschieden, für den Schweizer Strommarkt neue weiterführende Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit der Phase zwei der Energiestrategie 2050 wird das Stromversorgungsgesetz komplett revidiert. Die sich abzeichnenden Entwicklungen im europäischen Energiesystem bereiten der Politik dabei kein Kopfzerbrechen. Auch in den kommenden Jahrzehnten sei unsere Stromversorgung jederzeit gesichert.

Knappe Stromressourcen in Europa

Die Branche sieht es anders: Zehn nationale Verbände der europäischen Stromwirtschaft – unter Mitwirkung des VSE – weisen darauf hin, dass es in Zukunft an gesicherter Leistung in ganz Europa fehlen dürfte. Alleine bei den Kohlekraftwerken wird laut dem wissenschaftlichen Dienst der EU-Kommission die installierte Leistung bis 2030 um 95 Gigawatt abnehmen. Das entspricht dem Wegfall von 75 Leibstadt-Kernkraftwerken. Und genau diese Kernkraft wird nicht in die entstehende Bresche springen können. Schliesslich stellt Deutschland seine KKW sukzessive ab – während in der Schweiz und in Frankreich viele Meiler dem Ende ihrer Laufzeit entgegensehen.

Im Sommer liefert die Wasserkraft, unsere wichtigste erneuerbare Ressource, uns saubere Bandenergie. Doch wenn die Stauseen im Winter leerer und die Elektrizität knapper wird, sind wir auf Importe aus den Nachbarländern angewiesen. Es ist absehbar, was dann geschehen könnte. Unsere Nachbarn werden uns keinen Strom verkaufen, wenn sie gerade selbst mit Engpässen zu kämpfen haben. Wenn alle Länder nur importieren wollen, exportiert am Ende niemand mehr.

Nach wie vor fehlen die Anreize, um in den längerfristigen Erhalt und Ausbau von Wasserkraftwerken zu investieren. Michael Frank, Direktor, Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE)

Kein Verständnis – kein Strom

Es fehlt also an einem gemeinsamen Verständnis, was die aktuelle Lage der europäischen Stromwirtschaft angeht. Es gibt demzufolge auch keinen gemeinsamen Plan, dieser Situation zu begegnen und was für die Versorgungssicherheit in Zukunft nötig ist. In einem ersten Schritt muss das Bundesamt für Energie (BFE) seine Studie zu den Erzeugungs- und Systemkapazitäten der europäischen Entwicklung anpassen. Denn die heute getroffenen Annahmen der Politik reflektieren nicht die erwähnten Realitäten. Danach sollten wir unserer einheimischen Wasserkraft einen Rahmen setzen, in dem sie ihre grossen Stärken voll ausspielen kann. Nach wie vor fehlen die Anreize, um in den längerfristigen Erhalt und Ausbau von Wasserkraftwerken zu investieren – dabei garantieren sie 60 Prozent Anteil unserer Gesamtproduktion.

«Der Strommarkt verändert sich stark. Das beeinflusst das komplexe Zusammenspiel zwischen Stromproduktion, Stromhandel, Stromverteilung und Stromverbrauch» – so schreibt es der Bundesrat in seiner Erklärung zur Revision des Stromversorgungsgesetzes. Diese Auffassung teilt auch der VSE. Deshalb braucht es für Kraftwerksbetreiber Rahmenbedingungen, die den Substanzerhalt sicherstellen – und Anreize für neue Investitionen bieten. Und es ist wichtig, möglichen Lösungen, wie etwa Gaskraftwerken, heute keine Steine in den Weg zu legen. Sicher ist: Wie wir unsere Stromzukunft gestalten, wird unsere Zukunft als Gesellschaft prägen.

Text: Michael Frank, Direktor, Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE)

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