sven hannawald als sven hannawald  diagnose bekam, war es zu spät
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Als Sven Hannawald die Diagnose bekam, war es zu spät

29.01.2019
von Michelle Christen

Er war der Erste, der alle vier Wettbewerbe der Vierschanzentournee gewann: Sven Hannawald. Vom Perfektionismus angetrieben, endete sein Riesenerfolg in einem Burnout. Im Interview mit dem «Winterguide 2018/19» erzählt er, wie sein neues Leben aussieht.

Sven Hannawald, zuerst waren Sie ein Weltklasse-Skispringer, dann Rennfahrer und jetzt Unternehmer sowie TV-Experte bei Eurosport. Was kommt als nächstes?
Zurzeit sind meine Frau und ich mit dem Hausbau gut beschäftigt. Ich hoffe, dass wir diesen bald abschliessen und die neue Wohlfühloase beziehen können. Beruflich gesehen bin ich gerade angenehm ausgelastet, was gerne so bleiben darf. Die laufenden Projekte machen mir alle Freude, sind abwechslungsreich und überfordern mich nicht.

Und wie sieht es mit dem Familiennachwuchs aus?
Es sieht super aus. Melissa, Glen und ich sind in freudiger Erwartung eines Geschwisterchens. Ab Ende Mai sind wir zu viert. Das Datum passt auch gut, da die Skisprungsaison vorbei ist und ich voll mit dabei sein kann.

Sind Sie ein genauso ehrgeiziger Unternehmer, wie sie damals ein Skispringer waren?
Grundsätzlich bin ich bei allem ehrgeizig, was ich anpacke. Ich mache keine halben Sachen und gebe mir bei geschäftlichen und privaten Tätigkeiten immerzu grosse Mühe.

Melissa, Glen und ich sind in freudiger Erwartung eines Geschwisterchens.

Die Skisport-Saison hat wieder angefangen. Was ist Ihr persönliches Highlight?
Die Vierschanzentournee – sie war früher mein Ein und Alles und wird es immer bleiben. Zusätzlich finden diese Saison noch die Nordischen Skiweltmeisterschaften in Seefeld (Tirol) statt, die für mich ebenso ein Highlight sind.

Während Sie Riesenerfolge feierten, schlich sich das Burnout-Syndrom in Ihr Leben. Welche Veränderungen haben Sie wahrgenommen?
Früher habe ich mich gerne unter Leute gemischt und lustige Gespräche geführt. Irgendwann war ich dazu nicht mehr im Stande. Mein Körper baute sich ab und war energielos. Ausserdem löste die Ungewissheit darüber, was mit mir los war, eine unerträgliche Unruhe aus. Als ich die Diagnose Burnout bekam, war es zu spät.

Was meinen Sie mit «es war zu spät»?
Obwohl ich einen hilfreichen Klinikaufenthalt in Anspruch nahm, mir eine längere Auszeit genehmigte und nun wieder fest im Leben stehe, konnte ich das Skispringen nicht mehr angehen. Sobald ich es versuche, sendet mein Körper aus Trotz wieder das negative Unruhe-Gefühl aus.

Wie reagieren Sie heutzutage auf diese Zeichen Ihres Körpers?
Ich mache mehr Pausen. Heute bin ich mir bewusst, dass stressbedingte Überforderungen und Burnouts existieren. Deshalb nehme ich die Zeichen wahr und gehe bewusst mit ihnen um.

Was raten Sie jungen, ambitionierten Skirennfahrerinnen und Skirennfahrern, damit diese gar nie in eine solche Gefahrensituation kommen?
Ich rate prinzipiell allen ehrgeizigen Menschen zu einem gesunden Rhythmus und Balance. Nach einem Wettkampf oder einer sonstigen Anstrengung ist es wichtig, sich eine Auszeit zu gönnen – und zwar ohne schlechtes Gewissen. Das ständige unter Strom stehen macht einen krank.

Heute bin ich mir bewusst, dass stressbedingte Überforderungen und Burnouts existieren.

Mit sieben Jahren nahmen Sie bereits an einem Skisprunglehrgang teil. Denken Sie, dass dieser frühe Start mitverantwortlich für das Burnout war?
Nein, ich glaube auch, dass es keinen Zusammenhang mit meinem ehemaligen Beruf als Skispringer hatte. Wenn ich kein Sportler gewesen wäre, hätte es mich in einer anderen Branche erwischt.

Dazumal hatten Sie nach eigenen Angaben Mühe damit, sich eine Pause zu genehmigen. Fällt Ihnen das heutzutage leichter?
Ja, auf jeden Fall. Wenn ich merke, dass ich keine Energie mehr habe, kommt der Punkt, wo ich sage: «Diese Aufgabe wird aufgeschrieben und morgen erledigt.»

Wie schalten Sie nach der Arbeit am besten ab?
Am wirksamsten regeneriere ich mich, indem ich Zeit mit meiner Familie verbringe. Ergänzend brauche ich Bewegung an der frischen Luft und male auch gern aus.

Wie würden Sie es finden, wenn Ihr Sohn Glen wie sein Papa Profi-Skispringer werden will?
Ich hätte nichts dagegen, aber ich denke, dass meine Frau da nicht so locker wäre. Meine eigene Mutter war dazumal auch nicht begeistert.

Am wirksamsten regeneriere ich mich, indem ich Zeit mit meiner Familie verbringe.

Würden Sie genauso hohe Ansprüche an ihn haben wie an sich selber?
Überhaupt nicht. Er entscheidet, welche Sportart er machen möchte und gleichzeitig auch, wie lange und wie oft er trainieren will. 

Wenn Sie kein Skispringer geworden wären, wo ständen Sie heute?
Ich denke, dass ich im Fussball aufgegangen wäre. Es war die zweitpopulärste Sportart im Erzgebirge, wo ich aufgewachsen bin. Den Ehrgeiz und Perfektionismus habe ich in mir. Wohin ich es gebracht hätte? Keine Ahnung. Aber ich bin mir sicher, dass es auch damit geklappt hätte.

Sven Hannawald.

Sven Hannawald ist heute erfolgreicher Vortragsredner. Zusammen mit seinem Partner der gemeinsamen Unternehmensberatung Sven Ehricht bietet der Skisprung-Olympiasieger und Weltmeister Vorträge, Seminare und Gesundheitstage in Firmen an, unterstützt von STAEDTLER und der Gezeitenhaus-Akademie.

www.sven-hannawald.com

Interview Sven Hannawald: Michelle Christen

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