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Burnout als Chance

25.01.2019
von Saina Riess

Wer kennt es nicht? Man(n) will jeder Erwartung gerecht werden. Der beste Familienvater sein, im Business erfolgreich bleiben, nicht vergessen, sich sportlich zu betätigen, alle Freundschaften pflegen und dabei die Partnerschaft oder Ehe nicht vernachlässigen. Auf diesen Druck folgt nicht selten ein Burnout. 

In dieser schnelllebigen Zeit steigt der Druck, alles unter einen Hut zu bekommen enorm. Der Wunsch, in allen Bereichen die beste Leistung zu erbringen und allen gesellschaftlichen und eigenen Erwartungen gerecht zu werden, ist gross und fordernd. Dazu entleert sich die Batterie meist über Jahre hinweg. Wie die Natur es will, ist die Batterie, ohne sie aufzuladen, irgendwann leer – ausgebrannt!

Ausgebrannt sein ist keine Schwäche

Der Psychologe Herbert Freudenberger betitelte 1974 das «Ich kann nicht mehr» als Burnout. Jeder kann es nennen wie er will, ob Krankheit oder Gesellschaftsmode. Klar ist, es ist kein Zeichen von Schwäche, an einem Burnout zu leiden. Ein Burnout lässt sich mit bestimmten tiefen Gefühlen beschreiben: Es ist diese Leere, welche sich in der Seele spürbar macht, das Gefühl, seine Energie nicht mehr genügend aufladen zu können. Durch depressive Verstimmungen hat man keine Motivation mehr für Aktivitäten. Ständig hört man diese eine Stimme in sich, welche einem zuflüstert, in jedem Bereich versagt zu haben.

Exakte Angaben zur Anzahl, wie viele Männer unter dieser Erkrankung leiden, gibt es nicht. Doch sie ist gängig und weit verbreitet. Man vermutet, dass Männer länger an einem Burnout leiden als Frauen. Die Psychotherapeutin FSP, lic. Phil. Felizitas Ambauen, in eigener Praxis, erklärt: «Männer ziehen den Begriff Burnout dem einer Erschöpfungsdepression vor. Es hört sich weniger nach Misserfolg und Schwäche an. Deshalb erscheint der Begriff wohl immer noch mehr in Bezug auf Männer. Frauen leiden ebenso darunter. Die Krankheit wird aber häufiger als Depression definiert, denn als Burnout.»

Vermutet wird, dass Männer länger an einem Burnout leiden als Frauen.

Die eigenen Gefühle zu verdrängen, mag seit der Kindheit gut erlernt sein. Unsere Gesellschaft ist aber auf sehr gutem Wege, Gefühle zu zeigen, darüber zu sprechen und dies nicht mehr als Schwäche zu verurteilen. Das Verdrängen zeigt sich meist durch ein Suchtverhalten wie übermässigen Alkoholkonsum oder Medikamentenmissbrauch. Ein unregelmässiger Schlafrhythmus und innere Unruhe zählen zu den ersten Warnsymptomen.

Was kann ich dagegen unternehmen

Der erste Schritt zur Besserung ist die Bereitschaft und Einsicht, etwas an seinen Lebensumständen ändern zu wollen. Weshalb viele Psychologen empfehlen, eine Auszeit zu nehmen. Dies kann für den Anfang auch ein Wochenende in einem Wellnesshotel sein oder eine Wanderung alleine, um die Gefühle und Gedanken zu ordnen und um wortwörtlich durchatmen zu können.

Oftmals leiden Liebesbeziehungen, Familien oder Freundschaften extrem unter diesem Zustand. Der Betroffene zieht sich immer mehr zurück. Er probiert, sich nichts anmerken zu lassen. Wichtig ist, über das Anliegen und die Gefühle zu sprechen.

Das Verdrängen zeigt sich meist durch ein Suchtverhalten wie übermässigen Alkoholkonsum oder Medikamentenmissbrauch.

Die Ehepartnerin, der Vorgesetzte, der beste Freund oder am besten der Therapeut können viel Verständnis aufbringen. Indem sie ein offenes Ohr für Probleme haben und Unterstützung anbieten. Verstecken ist nicht das Richtige für solche Situationen. Denn ohne Veränderungen verbessert sich die Situation nicht.

Burnout als Weckruf

Die Angst vor einer Rückkehr in den Alltag nach einem Burnout ist bei vielen gross. Wer nach der Regeneration wieder die genau gleichen Wege geht und im gleichen Stresslevel verweilt, läuft Gefahr, erneut auszubrennen. Ambauen bestätigt: «Oft kommen die Klienten erst nach dem zweiten oder dritten Burnout zu mir. Denn sie dachten, es alleine zu schaffen. Lange Zeit war es verpönt, sich psychologische Hilfe zu holen. Es galt als Schwäche. Glücklicherweise ändert sich das: Viele Männer sind bereit, sich coachen zu lassen. Dies ist sicher die richtige Richtung.»

Es können Techniken erlernt werden, welche zur Entspannung dienen und helfen die gesunde Balance wiederherzustellen. Autogenes Training, Meditation, viel Bewegung kann für viel Erleichterung sorgen. Zudem hilft es, seine Gedanken und die To-do Liste in ein Notizheft niederschreiben. «Wichtig ist, sich gezielt Pausen einzuplanen und diese wie die Arbeitszeit in die Agenda zu schreiben. Auszeit heisst auch, das Handy auf Flugmodus zu stellen und nicht online erreichbar zu sein. Genau so gilt, Arbeit nicht heimzunehmen und den Zugang zu den Geschäftsmails zu stoppen», empfiehlt die Psychologin.

Die Krankheit lässt sich auch aus einer anderen positiven Perspektive anschauen.

Lange Zeit war es verpönt, sich psychologische Hilfe zu holen. Es Galt als Schwäche.

Viele verlieren ihren eigenen Weg aus den Augen und steigern sich dadurch in ein Burnout hinein. Es hilft, sich über seine Grundwerte Gedanken zu machen. Welche Ziele habe ich? Was sind meine Wertvorstellungen? Wie stelle ich mir ein glückliches Leben vor? Wen oder was habe ich vernachlässigt? Sich diese Fragen zu stellen, regt viele Gefühle und Gedanken an, welche nicht erhört wurden. Sich selbst als das Wertvollste zu sehen, seine Bedürfnisse ernst zu nehmen und Wünsche zu erkennen, trägt viel zur Selbstverwirklichung und zum Wohlbefinden bei.

Somit kann man dem Burnout dankbar sein. Solange man dazu bereit ist, es zu erkennen und die Verantwortung für sein Leben zu tragen. Denn das liebe Ausbrennen möchte seiner Psyche und Seele aufzeigen, wer wirklich in einem schlummert. Seine Schwächen einzusehen, verschafft dem Mann von heute wahre Attraktivität, Kraft und Männlichkeit.

Text: Saina Riess

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