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Schtärneföifi – die Band für Gross und Klein

27.05.2019
von Sonya Jamil

Mit der Band Schtärneföifi feierte Sänger und Gitarrist Boni Koller zahlreiche Erfolge und liess Kinderherzen höher schlagen. Mit «Fokus» spricht er über die Auflösung der Band und erzählt von seinem schönsten Kindheitserlebnis.

Boni Koller, was bedeutet Familie für Sie?

Die Familie ist für mich der Kreis der Leute, mit denen ich verwandt bin. Diejenigen, die eng mit mir verwandt sind – also Geschwister, Eltern und Kinder – stehen mir naturgemäss am nächsten. Langjährige Freunde können aber auch zu einer Art Familienmitglied werden.

Würden Sie sagen, die Band Schtärneföifi war für Sie wie eine Familie und ein zweites Zuhause?

Wenn man so lange zusammen unterwegs ist, lernt man sich sehr gut kennen. Die Leute von Schtärneföifi waren und sind für mich auf jeden Fall auch wie eine Familie.

2018 dann das Band-Aus – warum?

Der Konzertkalender von Schtärneföifi hatte immer Priorität und alle mussten ihre übrigen Termine danach einrichten. Vor allem deshalb haben wir Schtärneföifi nach 24 Jahren auf Eis gelegt. Nun haben wir Zeit für andere Projekte oder auch mal für Ferien.

Haben Sie noch Kontakt zu den Bandmitgliedern?

Ich begegne regelmässig allen Bandmitgliedern, aber nicht mehr wie früher jede Woche und nicht immer allen gleichzeitig.

Sie haben mit der Band zahlreiche Erfolge gefeiert. Was war Ihr persönliches Karrierehighlight?

Da gibt es so viele! Natürlich haben mir die glamourösen Vorstellungen im Schauspielhaus Zürich gefallen, aber am meisten genoss ich es, wenn wir mit Schtärneföifi in ungewohnten Gegenden unterwegs waren. Ich denke da zum Beispiel an unsere Konzerte in Addis Abeba oder New Orleans.

Was hat die Band so einzigartig gemacht?

Ich glaube, Schtärneföifi haben einen unverkennbaren Klang. Auch wenn wir uns bei allen möglichen Musikstilen bedient haben, ergab sich daraus immer unsere eigene Spielart, die ihren speziellen Charme hat. Typische Merkmale von Schtärneföifi sind natürlich auch unsere Singstimmen und meine Liedtexte.

Am meisten genoss ich es, wenn wir mit Schtärneföifi in ungewohnten Gegenden unterwegs waren.

2007 folgte das erste Album auf Hochdeutsch – gab es hier Schwierigkeiten?

Beim Aufnehmen deutscher Versionen gab es kaum Schwierigkeiten, beim Vermarkten hingegen schon. Vermutlich waren wir einfach zu früh: Deutschland war 2007 in Sachen Kindermusik ziemlich rückständig: Für Kinder gab es singende Lehrer mit Gitarre oder Technoschlümpfe. In den vergangenen fünf Jahren hat sich aber einiges getan: Heute gibt es auch in Deutschland diverse Bands, die anspruchsvolle Musik für Kinder machen. 

Mit dem Lied «Heicho – ohni Znacht is Bett» erlangte Schtärneföifi einen hohen Bekanntheitsgrad. Was ist denn Ihr persönliches Lieblingslied der Band?

Das ändert sich immer wieder. Im Moment gerade «Uusdruckstanz».

Erzählen Sie von Ihrem  eindrücklichsten Fan-Erlebnis.

Wir hatten an die 2000 Konzerte, da gab es viele unvergessliche Begegnungen. Wir haben uns immer sehr gefreut, wenn Kinder Schtärneföifi-Lieder in Zeichnungen oder sogar in Videos verarbeitet haben. Und lustigerweise haben sich in den letzten Jahren bei Konzerten manchmal junge Eltern als ehemalige Fans geoutet: «Ich habe euch schon als Kind gesehen.»

Von welchen Musikern waren Sie in Ihrer Kindheit und Jugend selbst Fan?

Ich war ein sehr junger Beatles-Fan und bewunderte auch viele weitere Musikgrössen der Sechziger Jahre. Ab 1970 hörte ich neben den Rolling Stones so ziemlich alles, was neu kam: T.Rex, Bowie, Lou Reed und auch viel furchtbaren Bombast-Rock. Davon erlöste mich dann ein paar Jahre später der Punk.

Inwiefern hat Sie diese Musik in Ihrer Kindheit und Jugend beeinflusst?

Ich denke, für die meisten Leute spielt die Musik der Kindheit und Jugend zeitlebens eine wichtige Rolle. Bei mir ist das nicht anders und ich hatte das Glück, dass sich zu meiner Zeit fortlaufend grosse und kleine musikalische Revolutionen ereigneten.

Sie sind Musiker und Autor, was fällt Ihnen leichter, das Schreiben von Songtexten oder Büchern?

Ich sitze auch gerne mal an einem längeren Text, aber das Schreiben von Liedern fällt mir leichter. Einen halbfertigen Song hole ich auch eher wieder aus der Schublade, als ein Manuskript, bei dem mir irgendwann die Puste ausgegangen ist.

Ich habe versucht, meinen Kindern ein verständnisvoller Vater zu sein und gleichzeitig ein paar Regeln durchzusetzen.

Inwiefern unterscheiden sich diese zwei Schreibprozesse?

Beim Schreiben brauche ich Ideen und die Disziplin, diese Ideen auszuarbeiten. Bei einem Songtext ist das eine absehbare Aufgabe, bei einem Buch kann ich weniger gut einschätzen, worauf ich mich einlasse und welche Schwierigkeiten vielleicht noch bevorstehen. Bei Schreibblockaden lege ich eine Pause ein, in der Regel genügt schon eine Stunde.

2018 erschien Ihr Kinderroman «Sommer der Zombies». Sind weitere Werke in Planung?

Ich habe verschiedene Werke in Arbeit, aber weil ich noch nicht weiss, welches zuerst realisiert werden kann, ist es noch zu früh, darüber zu sprechen.

Mit dem Musical «Lampefieber» hat Schtärneföifi schauspielerisches Talent bewiesen.
Wie gehen Sie selbst mit Lampenfieber um?

Ein bisschen Lampenfieber muss nichts Negatives sein. Nervosität und Adrenalin machen wach und verhelfen zu einem konzentrierten Auftritt.

Sie haben mit Ihrer Musik unzählige Kinder begeistert. Was denken Ihre eigenen Kinder über Schtärneföifi?

Meine Söhne sind längst aus der Zielgruppe herausgewachsen. Für sie war Schtärneföifi einfach der normale Broterwerb ihres Vaters. Als sie noch klein waren, fanden sie Schtärneföifi super, später orientierte sich jeder nach seinem eigenen Musikgeschmack.

Wie haben Sie Ihre Kinder erzogen und inwiefern spielte die Musik hierbei eine Rolle?

Ich habe versucht, meinen Kindern ein verständnisvoller Vater zu sein und gleichzeitig ein paar Regeln durchzusetzen, an die man sich halten sollte. Musik war wohl immer präsent, spielte aber keine erzieherische Rolle.

Haben Sie denselben Erziehungsstil in Ihrer Kindheit erfahren?

Ich wurde nach ähnlichem Muster erzogen. Die Unterschiede liegen eher in Dingen, die sich gesellschaftlich verändert haben seit den sechziger Jahren.

Was ist in Sachen Erziehung ein absolutes No-Go?

Keine Zeit zu haben, wenn die Kinder einen brauchen.

Was ist Ihr schönstes Kindheitserlebnis?

Mein höchster Feiertag als Kind war jedes Jahr der «Schulsilvester». Am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien war es in Zürich üblich, dass die Kinder frühmorgens draussen lärmten und Streiche spielten. Das war ein wunderbar Ausgleich zu den bevorstehenden Frömmigkeiten.

Haben Sie ein Idol?

Nein, aber es gibt eine Menge Künstlerinnen und Künstler, die ich verehre. Zum Beispiel Otis Redding, Alex Harvey, Jonathan Richman, Françoise Cactus und Richard Cheese.

Sie haben bereits in vielen Bereichen gearbeitet. Hat Ihre Familie Sie in Ihren beruflichen Entscheidungen unterstützt?

Als Jugendlicher war ich relativ ratlos, was die Berufswahl anging. Meinen Eltern blieb gar nicht viel anderes übrig, als geduldig zu sein. Sie waren zwar nicht begeistert von meinem mangelnden Ehrgeiz für einen «richtigen» Beruf, liessen mich aber meinen Weg gehen.

Ich denke, für die meisten Leute spielt die Musik der Kindheit und Jugend zeitlebens eine wichtige Rolle.

Wie schaffen Sie es, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren?

Das ist manchmal tatsächlich eine logistische Herausforderung. Mal klappt es besser, mal wird es etwas stressiger. Meine Frau ist ebenfalls selbständig und arbeitet als freischaffende Schauspielerin. Das bedeutet, dass wir überhaupt kein geregeltes Einkommen haben. Es ist deshalb umso wichtiger, dass wir uns gegenseitig unterstützen und den Rücken freihalten.

Inwiefern hat sich der Beruf Musiker in den letzten Jahren verändert?

Schon immer verdienten die meisten Musiker ihr Geld vor allem mit Liveauftritten. Daran hat sich über die Jahre nicht viel geändert. Ganz anders sieht es bei den Tonträgern aus: Früher spülten die Verkäufe manchmal einen kleinen Zuschuss in die Kasse oder deckten wenigstens die Kosten der Produktion. Das ist heute kaum mehr der Fall, deshalb müssen die Aufnahmen anders finanziert werden. Wenn man keine spendable Plattenfirma im Rücken hat, ist man gezwungen, einen Teil der Gagen beiseite zu legen oder die Lieder im eigenen Schlafzimmer aufzunehmen. 

Viele Bands feiern heutzutage ein Comeback. Dürfen wir uns auf eines von Schtärneföfi freuen?

Warum nicht? Aber nachdem wir uns erst gerade in eine längere Pause verabschiedet haben, dürfte es bis dahin noch ein Weilchen dauern.

Interview Sonya Jamil

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