bim bim: «da kommt et,  zwar et grosses»
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BIM: «Da kommt etwas, und zwar etwas Grosses»

02.07.2019
von SMA

Betreffend Relevanz und Potenzial von «Building Information Modelling», kurz BIM, gehen die Meinungen in der Baubranche auseinander. «Fokus Digital» wollte darum von Experte Michel Bohren wissen, wie die digitale Transformation das Bauwesen verändert – und welche Weichen heute für die Entwicklung von morgen gestellt werden müssen. 

Für manche ist es die wichtigste Entwicklung in der Bauindustrie seit Jahrzehnten, für andere eher ein Paradebeispiel für einen Hype. Die Rede ist von «Building Information Modelling», kurz BIM genannt. Doch welche Einschätzung von BIM ist korrekt? «Grundsätzlich haben beide Seiten recht», erklärt Michel Bohren, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei der Schweizerischen Zentralstelle für Baurationalisierung CRB. BIM sei vor allem eine Weiterentwicklung bestehender Konzepte im Rahmen der Digitalisierung der Baubranche.

«Eine grosse Veränderung besteht darin, dass wir nun auch in diesem Sektor von Daten und Informationssystemen sprechen und damit von der Plan- und dokumentorientierten Arbeitsweise wegkommen.» Das sei ein absolut entscheidender Schritt für die Baubranche. Der Hype um gewisse Funktionalitäten von BIM sei dabei aber nicht wirklich gerechtfertigt. Michael Bohren führt aus: «BIM ist vor allem die grafische Repräsentation der Daten.». Das 3D-Modell, das sich in Echtzeit manipulieren lässt, sei zwar eine interessante Komponente der Planungsmethode. Aber letztlich ist das hauptsächlich für die Orientierung im Raum bei der gegenseitigen Abstimmung relevant. Bohren erläutert: «Für den Lebenszyklus einer Baute sind die Daten und Informationen, die mit diesem Modell verknüpft sind, deutlich wichtiger.»

Starthilfe für Unternehmen

Doch wenn es um die Erhebung und die Nutzung dieser Daten geht, bestehen laut Bohren noch viele Fragezeichen. «Es fehlt vor allem an verbindlichen Standards, an denen sich die hiesigen Fachleute orientieren könnten.» Genau das möchte man ändern und der Schweizer Baubranche so neue Impulse verleihen. Das entspricht auch dem Auftrag von CRB: «Als unabhängige Non-Profit-Organisation, die sich für die Verständigung aller Beteiligten und die Rationalisierung im Bauwesen einsetzt, wollen wir die Konsolidierung von BIM vorantreiben», betont Michel Bohren. Darum hat CRB zusammen mit Experten einen Regelsatz für die Verbindung der Baukostenpläne Hochbau und Tiefbau mit dem IFC-Datenschema entwickelt. Auf dieser Basis ist es möglich, Mengen und Kosten direkt aus dem CAD-Modell zu ermitteln. Zudem gewährleistet diese Anbindung an den IFC-Standard den Datenaustausch zwischen verschiedenen Software-Anwendungen. Auch in der Umstrukturierung des Normpositionen-Katalogs in eine neue Form zur künftigen Ausschreibung hat CRB bereits grosse Fortschritte erzielen können.

Fehlen einheitliche Richtlinien, entstehen Situationen, wie man sie aus dem angelsächsischen Raum kennt.

Ein anderer wichtiger Themenschwerpunkt im Zusammenhang mit BIM stellt das Facility Management dar. Hier stehen ganzheitliche Prozessbetrachtungen – von der Planung über den Bau bis zum Gebäudebetrieb – im Fokus. Bohren erklärt: «Wir verfolgen das Ziel, neue unterstützende Arbeitsmittel für einen verlustfreien Informationsfluss von den frühen Planungsphasen bis in die Bewirtschaftungsphase eines Gebäudes zu entwickeln.» Konkret geht es u.a. um digitale Bauwerksdokumentationen oder digitale Gebäudemodelle für die Bewirtschaftung, aber auch um entsprechende Kennwerte. 

Kein zweites England

Dass man sich beim Thema «Digitalisierung» so stark einbringt und Orientierung schafft, ist für Bohren matchentscheidend. Denn fehlen einheitliche Richtlinien, entstehen Situationen, wie man sie aus dem angelsächsischen Raum kennt. Bohren weiss: «Dort schreibt vor allem die öffentliche Hand den Einsatz von BIM für Bauprojekte vor.» Doch die Sache hat einen Haken: «Was darunter zu verstehen ist, wurde nie wirklich durchgehend und detailliert definiert – und so bleibt der Effizienzgewinn aus.» Für die Schweiz hofft Bohren daher, dass sich einheitliche Richtlinien und Standards etablieren. Denn: «Dann, und nur dann, wird BIM die versprochenen Produktivitätsgewinne erzielen können.»

Doch wie bereit sind die Schweizer Bauunternehmen und Architekturbüros wirklich für den digitalen Wandel? Schliesslich sprechen ist es eine Branche, die seit Jahrzehnten nach den gleichen Methoden funktioniert. Bohren erklärt: «Es wurde in den letzten zwei Jahren viel Aufklärungsarbeit geleistet. Dies immer mit der Absicht, der Branche klarzumachen: Da kommt etwas. Und zwar etwas Grosses. Macht euch bereit.» Gleichzeitig wolle man Unternehmen aber nicht überfordern, sondern unterstützen. «Man darf in der ganzen Debatte nicht aus den Augen verlieren, dass diese Themen keinen Selbstzweck darstellen», gibt Bohren zu bedenken. BIM sei und bleibe in erster Linie eine neue Methode, um Bauten bereits in der Planungsphase bezüglich Nutzung, Performance, Kosten und Termine über den ganzen Life-Cycle hinweg zu optimieren. «Und wenn wir BIM auch tatsächlich so pragmatisch einsetzen, verfügen wir über ein zeitgemässes Modell der Zusammenarbeit zur Steigerung von Effizienz und Produktivität. Davon profitieren letztlich alle.» 

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