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Nachfolgeregelung: Ein langer Weg zum Ziel

12.09.2019
von Stefan Marolf

Im Lebenszyklus einer Firma ist die Nachfolgeregelung einer der wichtigsten und gleichzeitig einer der herausforderndsten Schritte. Zehntausenden Schweizer Unternehmen steht die Unternehmensnachfolge in den nächsten Jahren bevor – dabei gilt es, zahlreiche Hürden zu meistern.

Rund 70 000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden in den nächsten fünf Jahren an eine neue Generation, an Angestellte oder an externe Personen übergeben. Diese Zahl geht aus einer Studie der Credit Suisse aus dem Jahr 2016 hervor. Die Studie untersuchte rund 1 300 KMU im ganzen Land und rechnete die Ergebnisse hoch. Die anstehenden Unternehmensnachfolgen betreffen den Berechnungen zufolge rund 400 000 Personen oder 10 Prozent aller Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Einer der Gründe für die hohe Zahl: Die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge, und damit viele Unternehmer, kommen nach und nach ins Pensionsalter. Damit stehen in den kommenden Jahren überdurchschnittlich viele Firmen vor dem Nachfolgeproblem bezüglich der Nachfolgeregelung. Gemäss Prognosen werden 2030 rund 750 000 Schweizerinnen und Schweizer unmittelbar vor der Pensionierung stehen. Das sind fast 50 Prozent mehr als heute.

Die anstehenden Unternehmensnachfolgen betreffen den Berechnungen zufolge rund 400 000 Personen oder 10 Prozent aller Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die Nachfolge – oft eine Familiensache

Vor allem für kleinere Familienunternehmen ist es oft schwierig, eine geeignete Nachfolge zu finden. Solche Firmen sind das Lebenswerk von einzelnen Personen, die nicht zuletzt eine starke emotionale Bindung zu ihren Betrieben haben. Rund drei Viertel aller Schweizer KMU oder 375 000 Firmen befinden sich im Familienbesitz. Gesamthaft beschäftigen diese Betriebe 1.6 Millionen Leute. Was die Vergangenheit gezeigt hat: Immer seltener führen Verwandte Familienunternehmen weiter. Nach wie vor wünscht sich zwar die Mehrheit der Unternehmerinnen und Unternehmer eine familieninterne Nachfolge, jedoch gelingt dies längst nicht immer. Die Wirtschaftsdozentin Gabrielle Wanzenried kennt die Gründe: «Heutzutage haben die jungen Leute aufgrund ihrer Aus- und Weiterbildungen andere Möglichkeiten für die Berufswahl, und nicht selten ziehen sie eine Karriere ausserhalb der familieneigenen Firma vor.» Es sei allerdings häufig zu beobachten, dass Kinder zuerst an einem anderen Ort Erfahrungen sammelten und später wieder ins Familienunternehmen zurückkehrten, ergänzt die Expertin.

Schwierig, schwieriger, Unternehmensnachfolge

Die Unternehmensnachfolge ist oft eine Zangengeburt: Selbst unter Einbezug von Spezialistinnen und Spezialisten dauert sie im Schnitt rund sieben Jahre. Der Rechtsanwalt Jürg Koller weiss, wieso: «In der Regel gilt es eine Vielzahl von rechtlichen Fragen zu klären. Zu denken ist etwa an ehe- und erbrechtliche, gesellschafts-, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte, welche je nach Fall mehr oder weniger wichtig sind.» Vor allem aus steuerrechtlicher Sicht sei eine langjährige Planung wichtig, um die finanziellen Auswirkungen einer Unternehmensnachfolge zu optimieren.

Zudem sind die verschiedenen Ansprüche aller Beteiligten zu berücksichtigen. Gerade in Familienunternehmen sind beispielsweise Finanzen und Personal eng verknüpft, was eine geregelte Nachfolge alles andere als vereinfacht. Um eine Unternehmensnachfolge geregelt über die Bühne zu bringen, empfiehlt Jürg Koller Unternehmerinnen und Unternehmern, vorab eine interne Due Diligence durchzuführen: Es geht dabei darum, die eigene Firma in allen rechtlichen, steuerrechtlichen und finanziellen Bereichen auf mögliche Risiken zu überprüfen. Anschliessend können Massnahmen getroffen werden, welche eine reibungslosere Unternehmensnachfolge ermöglichen.

Die Unternehmensnachfolge ist oft eine Zangengeburt: Selbst unter Einbezug von Spezialistinnen und Spezialisten dauert sie im Schnitt rund sieben Jahre.

Die Nachfolge auf Papier

Rund zwei Drittel aller Schweizer KMU schliessen Verträge ab, welche die Nachfolge mindestens teilweise regeln. Der grösste Teil dieser sogenannten Governance-Instrumente entfällt auf Aktionärsbindungsverträge. Sie legen fest, wie die Aktionäre ihr Stimmrecht ausüben. Auch in familieninternen Ehe- oder Erbverträgen kann eine Unternehmensnachfolge geregelt werden. Solche Verträge werden allerdings in verschiedenen Konstellationen und mit unterschiedlichen Absichten vereinbart – die Nachfolgeregelung ist längst nicht in allen von ihnen enthalten. Eine Alternative zu diesen zweiseitigen Verträgen ist das Testament – eine einseitige Anordnung, welche die Unternehmens- und Vermögensnachfolge regelt. Jürg Koller zeigt den Vorteil solcher Regelungen anhand eines weiteren Beispiels auf: «Mit einem Vorsorgeauftrag kann ein Einzelunternehmer für den Fall seiner Urteilsunfähigkeit regeln, wie und wer sein Unternehmen führt, ohne dass die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde KESB allenfalls mitbestimmt.» Trotzdem: Rund ein Drittel aller KMU hat die Nachfolgeregelung nicht auf dem Papier geregelt.

Neue Lösungen gesucht

Vor allem das Problem der Babyboomer, auf die zu wenig Nachwuchs folgt, schreit nach alternativen Lösungen. Eine Möglichkeit, die Nachfolgelücke zu schliessen, sind Frauen. Zurzeit werden gerade einmal etwa zehn Prozent aller Schweizer KMU von Frauen geführt – das Potenzial in diesem Bereich ist dementsprechend gross. Für Unternehmer, die auf der Suche nach einer Nachfolgelösung sind, lohnt es sich, frühzeitig Governance-Instrumente einzuführen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, nur wenige, dafür umso klarere Regeln zu definieren und alle beteiligten Personen miteinzubeziehen. So lassen sich Unklarheiten und Konflikte vermeiden.

Jürg Koller rät in dieser Hinsicht: «Jeder Unternehmer sollte sich einmal im Jahr mit seinen Beratern über das Thema austauschen, um die notwendigen Erkenntnisse zu erhalten. So kann eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge rechtzeitig organisiert werden.» Auch für Gabrielle Wanzenried ist eine langfristige Planung ein zentraler Erfolgsfaktor: «Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich möglichst früh vor der Übergabe darüber im Klaren sein, was sie mit ihrer Firma wollen.» Nicht nur finanziell steht für alle Betroffenen viel auf dem Spiel – Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich dieser Verantwortung bewusst sein.

Text: Stefan Marolf

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