ivo furrer ivo furrer: «wer mietet, schafft keinen wert für sich!»
Immobilien Bau & Immobilien Wohnen Interview

Ivo Furrer: «Wer mietet, schafft keinen Wert für sich!»

18.12.2019
von Gerold Bruetsch-Prevot

Wie entwickelt sich der Immobilienmarkt? Platzt die Immobilienblase bald? Bleiben die Hypothekenzinsen tief? Soll man in Immobilienfonds investieren? Antworten im Interview mit Dr. Ivo Furrer, Verwaltungsrat Helvetia Gruppe und Julius Bär sowie Präsident von Digitalswitzerland. 

Dr. Ivo Furrer, Wohneigentum bleibt auch bei den derzeit hohen Immobilienpreisen fast überall in der Schweiz die günstigere Wohnform. Bei einer Vollkostenrechnung schneidet die Eigentumswohnung im Mittel um 18 Prozent günstiger ab als eine vergleichbare Mietwohnung, wie die aktuelle Immobilienstudie der Crédit Suisse zeigt. Mieten oder kaufen? Was empfehlen Sie einer jungen Familie mit einem Zeithorizont von 20 Jahren?

Beim Kauf einer Immobilie sind es immer verschiedene Gesichtspunkte, die zu beachten sind. Einerseits die Ziele und Wünsche der jungen Familie. Oft ist es zurecht nicht nur eine Anlagemöglichkeit, sondern eine eigentliche Herzensangelegenheit, ein Traum der Familie.

Dass man es nicht nur als Anlagemöglichkeit sieht, sondern aus voller Überzeugung macht. Und dann natürlich der finanzielle Aspekt: Genügend flüssige Mittel und Eigenkapital, damit die Belastung nicht mehr als einen Drittel es Einkommens beträgt. Angesichts der tiefen Zinsen ist jetzt sicher ein guter Zeitpunkt, eine Immobilie zu kaufen.

In ihre Überlegungen kann die Familie aber auch mit einbeziehen, dass der Wert von Immobilien in den letzten 25 Jahren stetig zugenommen hat. Verglichen mit anderen Anlagemöglichkeiten, wie beispielsweise Obligationen oder Aktien, sind Immobilien über die Jahre gesehen immer sehr stabil geblieben. Mit Ausnahme der 80er-Jahre gab es keine wirklich flächendeckende Immobilienkrise mehr. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Banken für eine seriöse Finanzierung sorgen, das ist eine wichtige Grundvoraussetzung dafür.

Von einer Immobilienblase spricht man, wenn Immobilien zu überhöhten Preisen gehandelt werden, die sich nicht mehr mit Faktoren wie Einkommen und Bevölkerungszahlen erklären lassen. Wenn beispielsweise im Zürcher Oberland eine 3.5-Zimmer-Eigentumswohnung mit 90 m2 eine Million kostet – ist das bereits so aufgebläht, dass man befürchtet muss, dass die Blase irgendwann platzt?

Eine Blase platzt immer dann, wenn das Angebot höher als die Nachfrage ist. Bei Immobilien sind drei Kriterien ganz wichtig: Lage, Lage, Lage. Die Lage eines Objektes ist absolut zentral. Unter anderem die Anschliessung an den Öffentlichen Verkehr, die Besonnung, die Nähe von Schulen und die Erreichbarkeit des Arbeitsortes. Die Nachfrage nach einem solchen Objekt wird immer bestehen.

Dazu aber noch ein anderer Aspekt: Man kauft ja eine Immobilie, weil man eine längere Zeit darin wohnen will, wie die eingangs erwähnte junge Familie. Wenn also eine solche Krise kommen sollte, muss man finanziell so aufgestellt sein, um sie zu überstehen, so wie man bei allen Anlagen einen langen Atem haben muss. Wenn also die Wohnung nur noch 800 000 Franken Wert hat, statt einer Million, dann kann das der Familie ja grundsätzlich egal sein – vorausgesetzt die Finanzierung stimmt. Und auch wenn der Hypothekarzins steigen sollte, ist das mit den fünf Prozent, mit der die Bank rechnet, bereits einkalkuliert. Wichtig ist aber der Cash Flow, das wird oft unterschätzt – aber mit genügend Eigenkapital und einer guten Finanzierung kann auch eine Krise gut überstanden werden.

Der Leerbestand an Büro- und Verkaufsflächen ist vor allem ausserhalb der Zentren immer noch gross. Worauf ist das zurückzuführen?

Da muss man Büro- und Verkaufsflächen unterscheiden. Bei den Verkaufsflächen ist der Drang in die City immer  noch da. Die Konzepte passen sich allerdings dem Konsumentenverhalten an, der Online-Handel hat da einen grossen Einfluss und wird vieles verändern. So wird auf kleinen Flächen an attraktiver Lage der Verkauf immer mehr nur noch «angeteasert»; man kann das Produkt anschauen und probieren, um es dann zu Hause in aller Ruhe zu bestellen und es sich nach Hause liefern lassen.

Bei den Büroflächen ist es ähnlich wie bei den Wohnungen: Die Lage ist entscheidend. Ein gutes Beispiel ist The Circle beim Flughafen. Hier entsteht eine «neue Stadt» mit direktem Zugang zum Bahnhof und zum Flughafen. Die Büroflächen sind grösstenteils vermietet, eine Nachfrage besteht also an guten Lagen nach wie vor.

Ganz generell: Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist zwingend. Die junge Generation verzichtet immer mehr auf aufs Autofahren. Ein Hinweis ist auch das Abstimmungsergebnis im Oktober – das Umweltbewusstsein steigt!

So viele freie Wohnungen wie heute gab es noch nie, aktuell stehen rund 72 000 leer. Und das weil sie vor allem am falschen Ort gebaut wurden. Ist das das Ergebnis von Planungsfehlern, weil das Potenzial falsch eingeschätzt wurde? 

Beim Bauen gibt es immer Investoren, die davon ausgehen, dass die Liegenschaften einem wirtschaftlichen Bedürfnis entsprechen. Wenn die Wohnungen leer bleiben, fehlt es eben oft am klar eruierten Bedürfnis auf der Nachfrageseite. Ein Grund dafür ist unter anderem auch die soziodemografische Entwicklung, die Bevölkerung wird immer älter. Und ältere Menschen haben andere Bedürfnisse. Sie ziehen beispielsweise in die Stadt, weil sie hier alles in der Nähe haben. Dann kommen auch etwas weniger sogenannte Expats zu uns, dieser Markt wird für die Vermieter auch immer kleiner.

Und so kommt man wieder zum gleichen Schluss: Nur Wohnungen an bedürfnisgerechten Lagen sind nach wie vor begehrt.

Ein baldiges Ende der Negativzinsära ist nicht in Sicht und so müssen sich Anleger fragen, in welche Fonds sie gewinnbringend investieren können. Empfehlen Sie in Immobilienfonds zu investieren? Auch auf die Zukunft ausgerichtet?

Die Beurteilung einer Anlage hängt letztlich auch von den Alternativen ab. Aktien sind für Kleinanleger ein grosses Risiko, Obligationen sind auch nicht ganz risikofrei – wenn eine Firma ihre Bonität verliert, droht auch hier ein Verlust. So kommt man schnell einmal auf den Immobilienfonds. In der Krisenjahren 2007 und 2008 waren Immobilien die einzige Anlagekategorie für institutionelle Anleger, also beispielsweise Pensionskassen, mit positiven Resultaten – alle anderen waren negativ. Geht es um Sicherheit und Nachhaltigkeit sind Immobilienfonds sicher eine gute Alternative.

«Verdichtet Bauen» ist ja im Moment vor allem in den Städten in aller Munde. Was heisst das überhaupt aus Sicht der Fachleute? Und wirkt sich das generell auf den Immobilienmarkt aus?

Klar, Platz wird immer mehr zur Mangelware. Die Schweiz ist stark verbaut, und dies nicht immer clever, wenn man sich als Beispiel das Mittelland anschaut. Bauen in die Höhe ist aus diesem Grund sicher eine gute Idee – viele Projekte können heute ohne verdichtetes Bauen gar nicht mehr realisiert werden. Die neue Generation fordert das ja auch. Um sie dafür zu begeistern sind aber auch Mehrfamilienhäuser mit cleveren Konzepten gefragt, mit Freiräumen, Privatsphäre, Gartenanlagen. Da sind auch die Architekten gefordert. Das Einfamilienhaus im Grünen ist sicher ein Auslaufmodell, die junge Generation will das gar nicht mehr. Auch die öffentliche Mobilität ist heute deutlich besser ausgebaut.

Wenn die Wohnungen leer bleiben, fehlt es eben oft am klar eruierten Bedürfnis auf der Nachfrageseite.

Ivo Furrer

Ganz generell: Welche Auswirkungen hat die politische grüne Welle auf den Immobilienmarkt?

Das Bewusstsein verändert sich sicher. Immer mehr überlegt man sich, wie Grünflächen und Erholungszonen erhalten und genutzt werden können. Und das hat ja letztlich auch Einfluss auf die Art und Weise zu bauen.

Persönlich halte ich den sozialverträglichen Genossenschaftsbau für eine gute, ergänzende Idee. So kann attraktiver Wohnraum geschaffen werden, wie gerade beschrieben, zu Preisen, die man sich sonst gar nicht leisten könnte. Zudem wird auf eine gute soziale Durchmischung geachtet, Kinderfreundlichkeit, gemeinsame Räume, Kontaktmöglichkeiten. Und vor allem steht bei derartigen Projekten nicht das Geld, also das Streben nach Gewinn und Rendite, im Vordergrund.

Wie sehen Sie die mittel- bis langfristige Entwicklung des Immobilienmarktes? Ihre Empfehlungen daraus für Käufer, Verkäufer und Anleger?

Ich sehe die Entwicklung positiv, aber die absoluten Boomjahre sind sicher vorbei. Einfach einen Wohnblock aufstellen und vermieten, funktioniert in Zukunft nicht mehr. Es wird mehr renoviert und erneuert werden; Fabriken zu einem Mix aus Gewerbe- und Wohnräumen umgebaut. So wird auch bestehende Bausubstanz erhalten.

Immobilien bleiben attraktiv, gerade heute mit den Negativzinsen. Wenn man ein Objekt kauft, ist es teuer. Und zehn Jahre später sagt man: Zum Glück haben wir es gekauft! Und nicht zu vergessen: Wer mietet, schafft per se keinen Wert für sich!

Interview Gerold Brütsch-Prévôt, Bilder Nathan Beck

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