frau räumt wohnzimmer auf
Gesundheit Wohnen

Entrümpeln für Heim und Herz

23.04.2020
von Fatima Di Pane

Von KonMari bis Death Cleaning: Eine Aufräumphilosophie jagt die nächste. Warum sie so viel Anklang finden und was wir daraus lernen können.

Die Worte aufräumen und putzen sind für einen Grossteil der Menschen mit negativen Assoziationen behaftet. Es begann beim «Räum dein Zimmer auf» der Eltern, zog sich dann zum Wandtafelputzdienst in der Schule bis hin zur Organisation des eigenen Haushalts. Aufräumen ist Arbeit, putzen sowieso.

Doch warum nerven uns diese Tätigkeiten derart? Ein möglicher Grund ist, dass sie nach ständiger Wiederholung verlangen. Man mag stolz auf sich sein, wenn man endlich das lästige Staubsaugen hinter sich gebracht hat, aber man weiss: Nächste Woche muss man wieder ran.

Egal wie fleissig man putzt, der Erfolg ist von kurzer Dauer. Putzen und Aufräumen sind lästige Notwendigkeiten, welche nie erledigt sein werden.

Freude entfachen

In den letzten zehn Jahren haben eine Reihe von Putztrends und -philosophien in den Medien grosse Aufmerksamkeit genossen, allen voran die japanische Ordnungsberaterin Marie Kondo. Mit ihrem Buch «Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert» inspirierte sie Millionen dazu, ihre Häuser und Leben zu entrümpeln. Das Prinzip ist simpel und doch tiefgreifend: Das Entrümpeln geschieht in Kategorien, deren Reihenfolge eingehalten werden muss. Zuerst kommt die Kleidung, dann die Bücher, Papiere, Kleinkram und dann ganz zum Schluss Erinnerungstücke.

Die Gegenstände jeder Kategorie werden zusammengetragen und einzeln in die Hand genommen. Dann geht man in sich und stellt sich die Frage: «Does this spark joy?» Entfacht dies Freude? Falls ja, darf der Gegenstand behalten werden. Falls nicht, sollte er verschenkt, gespendet oder entsorgt werden.

Die Konmari-Methode wurde zur weltweiten Sensation. Der Grund dazu ist naheliegend: Wir alle wollen ein Zuhause, welches uns Freude macht. Der weitverbreitete Überkonsum macht es oftmals schwer, sich darauf zu besinnen, welche Dinge uns Positivität in unser Leben bringen. Auch lehrt uns Marie Kondo, dass es okay ist, loszulassen. Denn es ist egal wie teuer, selten oder erinnerungsbehaftet ein Gegenstand ist; wenn er uns nicht glücklich macht, gehört er nicht zu uns.

Wer sortiert dein Zeug, wenn du stirbst?

Wir denken nicht gerne über den Tod nach, das ist menschlich. Und wenn man das Thema noch mit Aufräumen kombiniert, sorgt man nicht unbedingt für einen Partykracher.

2017 veröffentlichte die 86-jährige Schwedin Margareta Magnusson das Buch «The gentle Art of Swedish Death Cleaning». Magnusson plädiert dafür, nur Dinge zu besitzen die man braucht oder die glücklich machen. Oberflächlich betrachtet ähnelt dies der Konmari-Methode sehr. Magnusson denkt jedoch noch einen Schritt weiter: Was wird mit meinen Sachen geschehen, wenn ich tot bin?

Eine Motivation hinter dem Aufräumen ist es dabei, an die Familie zu denken. Im Falle des eigenen Ablebens sollen die Liebsten möglichst wenig belastet werden. Wer schon die traurige Aufgabe des Entrümpelns der Dinge eines verstorbenen Liebsten erledigen musste, weiss, dass dies immer schwierig, manchmal sogar traumatisch, sein kann.

Vor allem für ältere Menschen kann es daher sinnvoll sein, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Die Autorin rät aber auch jüngeren Menschen dazu, sich von Ballast zu befreien. Ein amüsanter Tipp der Autorin: Eine Kiste, die nach allfälligem Ableben nicht geöffnet werden darf, sondern direkt entsorgt werden muss. Die Kiste soll dementsprechend beschriftet werden und Dinge beinhalten, die sie ihren Nachkommen vorenthalten möchten, seien dies peinliche Tagebücher oder die sorgfältig kuratierte Pornosammlung.

Zur Erleuchtung putzen

Es scheint ein menschliches Bedürfnis zu sein, dem eigenen Hab und Gut mit Bedeutung und Intention zu begegnen. Auch im Glauben wird die Aufgabe des Aufräumens und Putzens ab und an behandelt. Die christliche Bloggerin Anne Marie Heasley startete das Projekt «40 days 40 bags». Während der 40-tägigen Fastenzeit mistet sie täglich einen Abfallsack voller Zeugs aus und motiviert ihre Follower dazu, dasselbe zu tun.

Im Buddhismus hat das Putzen zudem grosse Wichtigkeit. Der buddhistische Mönch Shoukei Matsumoto bezeichnete es in einem Artikel sogar als wichtigste spirituelle Übung überhaupt. In seinem Buch «Die Kunst des achtsamen Putzens» erklärt er auf 160 Seiten, warum Putzen glücklich macht.

Der Abstellraum der Seele

Geht es schlussendlich nur um unsere Einstellung? Könnte es sein, dass wir bloss nicht gerne putzen, weil es die Gesellschaft von uns erwartet? Möglich. Aber vor allem beim Aufräumen liegen die Probleme wohl tiefer. Das
Aufräumen zwingt uns oftmals dazu, ein Auge auf jene Eigenschaften von uns zu werfen, die wir gerne vergessen würden. Was sagt es über uns aus, wenn wir noch Kassenzettel von 2012 rumliegen haben? Und warum wollen wir das T-Shirt des Ex-Freundes nicht wegwerfen? Oder die Hose, in die wir schon längst nicht mehr passen?

Das ist ungemütlich. Das Bedürfnis nach Regeln und Motivation in Form von Marie Kondo oder einem buddhistischen Mönch ist leicht nachzuvollziehen.

Um noch ein weiteres Buzzword unterzubringen: Putzen und Aufräumen ist Self-Care. Denn jeder von uns hat ein schönes Zuhause verdient, ein Ort, an dem man sich wohl und sicher fühlen kann. Und jeder von uns braucht einen anderen Schubs, um an jenen Ort zu kommen, sei es Pragmatik oder Philosophie. Denn die Achtung vor unseren Sachen und unserem Wohnraum ist irgendwo auch eine Achtung gegenüber uns selbst. Und jene sollte man kultivieren, ob mit Yogamatte oder Wischmopp.

Text Fatima Di Pane

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