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Social Bonds: Rekord-Wachstum ermöglicht sozialen Fortschritt

24.11.2020
von SMA

Im Rahmen nachhaltiger Geldanlage führten soziale Aspekte in der Vergangenheit eher ein Schattendasein. Dies ändert sich nun, auch aufgrund der Coronakrise. Social Bonds ermöglichen, konkrete soziale Aspekte in Anlageportfolios zu berücksichtigen. 

Eva Maria Hintner Country Head Schweiz bei Columbia Threadneedle Investments

Eva Maria Hintner, Country Head Schweiz bei Columbia Threadneedle Investments

Bei Investments unter Einbeziehung von Umwelt- und Sozialkriterien sowie Aspekten guter Unternehmensführung (auf Englisch: Environmental, Social und Governance – kurz ESG) stehen häufig Umwelt und Governance im Vordergrund. Im Vergleich dazu führten Anlagen mit sozialem Schwerpunkt bis vor Kurzem eher ein Schattendasein. Ein möglicher Grund dafür ist, dass sich Umwelt- und Governance-Kriterien leichter ermitteln lassen als soziale Faktoren. Zudem stand das Thema Klimaschutz spätestens seit dem Pariser Abkommen vom November 2016 in der öffentlichen Debatte weit oben auf der Agenda. In dieser Hinsicht bewirkt die Coronakrise ein Umdenken: Investments mit sozialem Fokus rücken stärker in den Vordergrund, der aktuelle ESG-Fokus hat sich vom «E» auf das «S» verlagert.

Obligationsmarkt als Gradmesser fürs Interesse an ESG

Ein erstklassiger Gradmesser für das Interesse an ESG-Investments sind die Obligationsmärkte. Denn anders als bei Aktien lässt sich in den Emissionsbedingungen von Obligationen festschreiben, wie das aufgenommene Fremdkapital eingesetzt werden soll. So haben sich in den vergangenen Jahren Green Bonds mit Fokus auf Umweltprojekten, Social Bonds mit Schwerpunkt auf gesellschaftlichen Entwicklungen und Sustainability Bonds als Mischform aus Green und Social Bonds am Markt etabliert. Entsprechende Papiere lassen sich zusammenfassend als Obligationen mit «spezifischer Verwendung der Emissionserlöse» definieren. Dabei fliessen die Erlöse ausschliesslich in vorab festgelegte Umwelt-, Sozial- oder – als Mischform aus beidem – Nachhaltigkeitsprojekte.

Angesichts des allgemeinen Trends hin zu nachhaltiger Geldanlage ist das Segment für grüne, soziale und nachhaltige Obligationen in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. So beläuft sich das aufsummierte Emissionsvolumen mittlerweile auf rund 1,1 Billionen Dollar. Und das Momentum legt weiter zu: Von Anfang Januar bis Ende September 2020 kamen entsprechende Papiere im Volumen von 334 Milliarden Dollar auf den Markt, im Vergleichszeitraum 2019 waren es nur 202 Milliarden Dollar gewesen. Das entspricht einem Anstieg um 65 Prozent binnen eines Jahres.

450 Prozent Anstieg beim Emissionsvolumen von Social Bonds 

Innerhalb dieses Universums dominieren bislang Green Bonds mit einem Volumen von rund 794 Milliarden Dollar, was einem Anteil von 72 Prozent entspricht. Die Emittenten haben Obligationen mit spezifischer Verwendung der Erlöse demnach vor allem zur Finanzierung von Umweltprojekten begeben. Dies ist angesichts der eingangs erwähnten Gründe wenig überraschend. Doch nun gibt die Coronakrise zusätzliche Impulse, um die Emissionstätigkeit von grünen auf soziale und nachhaltige Obligationen auszuweiten. Schliesslich gilt es aufgrund der Krise, eine Reihe gesellschaftlicher Herausforderungen zu meistern – von gesundheitlicher Versorgung über finanzielle Hilfen für Mittelständler und Privathaushalte bis hin zur Schaffung einer zukunftsfähigen Infrastruktur.

So belief sich das Emissionsvolumen von Social Bonds von Anfang Januar bis Ende September 2020 auf 80 Milliarden Dollar. Das bedeutet einen neuen Jahresrekord und einen Zuwachs von 596 Prozent gegenüber den 11,5 Milliarden Dollar im gleichen Zeitraum 2019. Gleichzeitig kamen neue Green Bonds im Umfang von 184 Milliarden Dollar auf den Markt – lediglich 23 Prozent mehr als die 149 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum. Von den Emissionen mit spezifischer Verwendung der Erlöse dienen soziale und nachhaltige Obligationen im Volumen von 90 Milliarden Dollar Zwecken mit spezifischem Corona-Bezug. Hier zeigt sich der klare Zusammenhang mit der aktuellen Krise.

Zu den Emittenten von Social Bonds im Zuge der Coronakrise gehören unter anderem die Council of Europe Development Bank und die European Investment Bank (EIB), deren Obligationen im April auf den Markt kamen. Deren Papiere im Volumen von jeweils einer Milliarde Euro waren wegen der grossen Nachfrage um ein Vielfaches überzeichnet – wie übrigens alle Emissionen mit spezifischem Corona-Bezug im ersten Halbjahr 2020. Einige Emittenten, die schon seit längerem am Markt für Social Bonds aktiv sind, gingen in den vergangenen Monaten mit deutlich grösseren Emissionen den nächsten Schritt: Die International Finance Corporation (IFC) beispielsweise legt seit 2017 soziale Obligationen auf, wobei sich der Ausgabewert der 28 Obligationen zum 31. Dezember 2019 auf 1,46 Milliarden Dollar belief. Der im April emittierte Social Bond hatte indessen einen Emissionswert von einer Milliarde Dollar, womit die IFC ihren Bestand an entsprechenden Papieren auf einen Schlag fast verdoppelte.

Orientierung an internationalen Emissions-Standards

Die Emissionen im Zuge der Coronakrise entsprechen im Wesentlichen den von der internationalen Vereinigung der Kapitalmarktexperten ICMA festgelegten Green und Social Bond Principles. Die ICMA hatte diese Selbstverpflichtungsregeln für grüne Obligationen 2016 und für soziale Obligationen 2017 veröffentlicht. Damit verfolgte sie das Ziel, gewisse Marktstandards zu etablieren – etwa für die Auswahl geeigneter Projekte, für die Mittelverwendung und Reportings – und damit das Wachstum von Green und Social Bonds zu fördern. Die Emissionen der vergangenen Monate sind neben anderen spezifischen Verwendungen der Emissionserlöse auf das Gesundheitswesen, Finanzierungsmöglichkeiten für Kleinunternehmen, Beschäftigung und längerfristige grüne Infrastrukturprojekte ausgerichtet.

Die zunehmende Emissionstätigkeit und der wachsende Markt für Social Bonds sind nicht nur aus gesellschaftlicher Sicht zu begrüssen. Auch Investoren profitieren davon, indem ihr verfügbares Anlageuniversum wächst. Wir gehen davon aus, dass sich der Trend hin zu einer verstärkten Emission von Social Bonds fortsetzt, auch wenn der Klimawandel das ESG-Kernthema bleiben dürfte. Um die vielfältigen und umfangreichen gesellschaftlichen Herausforderungen zu meistern, sind jedoch zusätzliche Emissionen notwendig. Gerade auch Regierungen sind aufgefordert, verstärkt Social Bonds zu strukturieren und zu begeben – um endlich aus dem Schatten supranationaler Organisationen herauszutreten.

Text Eva Maria Hintner

Mehr zum nachhaltigen Finanzwesen gibt es hier.

1Quelle für alle Marktdaten in diesem Artikel: Bloomberg und Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung; Stand: 30.09.2020

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