divertimento divertimento: «ich spüre grosses verständnis gegenüber den künstlern»
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Divertimento: «Ich spüre grosses Verständnis gegenüber den Künstlern»

23.01.2021
von Lars Meier

Wie für viele andere Künstler hat die Coronapandemie auch das Leben vom Cabaretduo Divertimento auf den Kopf gestellt. Im Interview erzählen Jonny Fischer und Manuel Burkart, was sie aus dieser Zeit mitnehmen und wie sie zu Humor über Corona stehen.

Jonny Fischer und Manuel Burkart, ihr musstet eure Herbsttour 2020 auf 2021 verschieben. Wie nutzt ihr diese Zeit, die ihr nun aktuell zur Verfügung habt?

Jonny Fischer: Wir müssen zugeben – und das geht sicher auch vielen anderen Leuten so – dass es eben nicht «geschenkte» Zeit ist. Es ist vielmehr das Gegenteil, also Zeit, die verloren geht. Das haben wir beide deutlich gespürt. Wir wollten die Zeit eigentlich nutzen, um zu schreiben. Doch wir haben gemerkt, dass es halt einfach kein gutes Jahr dafür ist, auch nicht, um kreativ zu sein. Wir haben zwar damit angefangen und uns verabredet. Im Sommer ist es uns auch noch gelungen. Doch die zweite Welle im Herbst hat uns dann so eingenommen, auch im Kopf, sodass es dann nicht mehr geklappt hat, wie erwartet. Ich bin dann nach Südafrika gereist, wo ich mich zurzeit auch noch aufhalte (Anmerkung der Redaktion: Das Interview fand Mitte Dezember 2020 via Videocall statt). Hier gelingt das Schreiben besser. In der Schweiz ist das schlichtweg nicht gelungen.

Wir müssen zugeben – und das geht sicher auch vielen anderen Leuten so – dass es eben nicht «geschenkte» Zeit ist.Jonny Fischer

Manuel Burkart: Es geht mir sehr ähnlich. Das Coronajahr hat unsere Kreativität absorbiert; doch das können wir ohne schlechtes Gewissen zugeben. Klar haben wir uns immer wieder Notizen gemacht, was sich gut für ein Programm eignen würde, aber wir sind einfach nicht in diesen Flow reingekommen.

Wie haben eure Fans auf die verschobene Herbsttour reagiert?

Manuel Burkart: Zum Glück fielen die Reaktionen sehr verständnisvoll aus. Am Anfang haben wir uns wirklich Sorgen gemacht, dass die Leute enttäuscht sind und massenweise ihre Tickets umtauschen. Doch das ist nicht eingetreten und zeugt wirklich von einer enormen Treue unserer Fans, aber auch von einer Sehnsucht in unserer Gesellschaft, möglichst bald wieder lachen zu können – abschalten, zurücklehnen und einfach zu lachen. Denn die Leute haben jetzt extrem viel Geduld gebraucht, und sie werden auch noch einmal Geduld brauchen – ich staune extrem darüber! Ich spüre in unserer Gesellschaft ein grosses Verständnis gegenüber den Künstlern. Uns sind ja schlichtweg einfach die Hände gebunden.

Was nehmt ihr bisher persönlich aus der Coronazeit mit?

Manuel Burkart: Viel Alkohol! (lacht)

Jonny Fischer: (lacht ebenfalls) Klar, es war und ist eine schwierige Situation für alle. Aber ich glaube, dass man der ganzen Sache auch etwas Positives abgewinnen kann. Wir sehen beispielsweise wie gut wir es in der Schweiz haben oder auch, was für einen tollen Job wir eigentlich haben. Ehrlicherweise habe ich vor einem Jahr auch zwei-, dreimal gedacht: «Oh Mann, heute schon wieder auf die Bühne…» – und jetzt kann ich es kaum erwarten, bis es wieder soweit sein wird! Das ist ein echtes Privileg: Ich freue mich wirklich, bald wieder arbeiten zu können. Weiterhin nehme ich aus dieser Zeit viel Geduld mit, weil man ja auch viel weniger planen kann – oft nicht einmal weiter als einen Tag. Man weiss einfach nicht, was einen morgen erwartet, beispielsweise, ob man morgen überhaupt noch zum Coiffeur gehen kann. Doch diese Geduld ist auch etwas, das ich mir beibehalten möchte. Ich muss nicht alles planen. Ich nehme es, wie es kommt.

Manuel Burkart: Genau, diese Entschleunigung ist ein wichtiger Punkt. Ich denke, es ist eine Herausforderung für uns alle, die wir uns in dieser Wirtschaftsgesellschaft bewegen. Man droht, rasch zurückzufallen. Doch ich denke, es ist sicher jetzt auch eine Frage der Einstellung, diese Entschleunigung mitzunehmen.

Ich freue mich wirklich, bald wieder arbeiten zu können.

Jonny Fischer

Was habt ihr in dieser Zeit besonders zu schätzen gelernt?

Jonny Fischer: Mir fällt auf, dass ich für ganz andere Sachen dankbar bin als zuvor: Ich habe beispielsweise hier in Südafrika mit zwei Freunden meinen Geburtstag gefeiert. Es war der Knaller, einfach zu dritt am Tisch bei einem Bier den Sonnenuntergang zu betrachten. Mir wurde klar, dass ich dies in den letzten 20 Jahren zwar so oft gehabt, doch nie wirklich geschätzt habe. Des Weiteren habe ich in der bisherigen Coronazeit auch meine Heimatstadt Zug noch besser kennengelernt und noch mehr liebgewonnen – ich habe mehr Heimatgefühl als zuvor!

Manuel Burkart: Ich schätze es auch, einfach nach draussen gehen zu können. Im ersten Lockdown war ich diesbezüglich speziell gefordert, da meine Frau und ich mit unseren drei kleinen Kindern unsere Zeit zu Hause verbracht haben. Eine Erfahrung, die dieses Bewusstsein noch verstärkt hat, war das SRF-Projekt «Hüttengeschichten», wo ich eine Woche lang in den Bergen verbracht habe. Mir war zwar schon immer klar, dass wir eine tolle Bergwelt haben und dass es der Seele guttut, doch dies hat es mir noch einmal klarer gemacht.

Die Kulturszene kam im Zuge der Pandemie zum Erliegen. Was ratet ihr anderen Künstlern, die ebenfalls von dieser schwierigen Situation betroffen sind?

Jonny Fischer: Man muss positiv bleiben, doch ich verstehe auch, wenn jemand den Mut verliert oder ihm die Decke auf den Kopf fällt. Ich würde jetzt auf keinen Fall die eigenen Sachen «verramschen»; also alles online stellen und gratis veröffentlichen, denn das halte ich für kontraproduktiv. Da wäre mein Rat eher, abzuwarten. Das hat alles so viel mehr Wert, als dass man es jetzt via diverse Kanäle einfach verschleudert.

Im ersten Lockdown war ich diesbezüglich speziell gefordert, da meine Frau und ich mit unseren drei kleinen Kindern unsere Zeit zu Hause verbracht haben.Manuel Burkart

Im Zuge der Pandemie hat sich auch die Art von Humor gewandelt; es kursieren viele Witze zu Corona. Wie seht ihr das: Darf man über Corona Witze machen respektive über Corona lachen?

Manuel Burkart: Jonny und ich können eigentlich über fast alles lachen – auch über Dinge, über die man im Grunde genommen nicht lachen sollte, doch wir stehen dazu. Ich finde, wer über Corona Witze machen will, soll das auch machen. Das mache ich auch ab und zu. Vielmehr ist die Frage nach der richtigen Dosierung ausschlaggebend. Es darf nicht zu einer «Überdosis» kommen.

Jonny Fischer: Sehe ich auch so. Wir haben das Jahr 2020 ungefähr sieben Mal geplant, und es kam auch die Frage auf, in welchem Masse wir Corona mit auf die Bühne nehmen. Ich denke, wenn man dann so eine «Überdosis» hat – verstärkt durch die Medien –, ist das nicht förderlich. Da es zurzeit gefühlt nur ein Thema gibt, bin ich sehr froh, wenn ich über etwas lachen kann, das sich nicht um Corona dreht.

Manuel Burkart: In letzter Zeit ist mir zudem aufgefallen, dass ich als Komiker nicht extrem gewillt bin, «coronakonforme» Inhalte zu produzieren, weil ich sehe, wie viele andere tolle Sachen in den letzten Monaten produziert worden sind. Ich habe so viele lustige Videos von Privatpersonen gesehen: angefangen in Italien im ersten Lockdown im Frühling, aus ganz normalen Haushalten. Es ist in meinen Augen eigentlich gar nicht mehr nötig, dass die Komikerszene jetzt auch Vollgas diesbezüglich geben muss.

Wir haben das Jahr 2020 ungefähr sieben Mal geplant, und es kam auch die Frage auf, in welchem Masse wir Corona mit auf die Bühne nehmen.Jonny Fischer

Apropos ungewöhnliche Situationen: Was ist die ungewöhnlichste Situation, die ihr je im Winter erlebt habt?

Manuel Burkart: Das war auf der Melchsee-Frutt, als ich neun Jahre alt war. Wir haben da oft unsere Skiferien verbracht. Jedes Jahr sind meine Cousinen, meine Geschwister und ich am letzten Ferientag über einen Schneehang auf den zugefrorenen Melchsee gerannt. Dieser war meterdick zugefroren, sogar Pistenbullys sind darübergefahren. Wir haben dann mit unseren Füssen Dinge in die Schneefläche geschrieben, also Wörter in überdimensionalen Buchstaben. Meine Mutter hat uns noch nachgeschaut – doch plötzlich waren meine Cousine und ich wie vom Erdboden verschluckt. Die anderen Kinder haben auch gar nicht bemerkt, dass wir auf einmal weg waren. Meine Cousine und ich sind in eine Art Gletscherspalte hineingefallen, die ungefähr drei Meter tief war. Offenbar hat die Eisschicht des Sees eine Spannung erfahren, sodass sich die Eisplatte am Erdreich entlang hochgedrückt hat und es so zu Rissen kam. Wir waren schätzungsweise nur zehn Minuten dort gefangen, doch es ist mir ganz schön eingefahren. Langläufer haben uns dann gerettet, indem sie ihre Skier quer über die Spalte gelegt und uns mit den Skistöcken nach oben gezogen haben.

Jonny Fischer: Ich bin seit sieben Jahren oft im Winter hier in Südafrika, wo dann Sommer ist – aktuell herrschen hier beispielsweise ungefähr 28 bis 30 Grad! Seit damals würde ich sagen, dass ich einen anderen Bezug zum Winter habe. Er fehlt mir tatsächlich auch ein wenig und ich freue mich heute auch darauf, heimzufliegen!

Habt ihr eine Lieblingsdestination für die Winterferien?

Jonny Fischer: Es ist so: Wir sind natürlich fast jedes Jahr in Arosa, weil wir auch dort arbeiten – ich bin gerne dort und finde, dass es ein cooler Ort ist! Doch ich bin ebenso Fan von Andermatt, Zermatt, Pontresina und St. Moritz. Allgemein muss ich sagen, dass ich jemand bin, der gerne unterwegs ist und Neues entdecken möchte, statt immer denselben Ort zu besuchen.

Manuel Burkart: Mit meinen Kindern besuche ich oft die Melchsee-Frutt, weil ich dort eben selber jahrelang meine Skiferien verbracht habe. Es weckt wirklich nostalgische Gefühle in mir. Wenn ich mich also auf einen Ort festlegen müsste, wäre es die Melchsee-Frutt.

Entweder – oder.

Fondue oder Raclette?

Jonny Fischer: Fondue

Manuel Burkart: Raclette – aber nur ganz knapp!

Skiferien oder Strandurlaub?

Jonny Fischer & Manuel Burkart: (wie aus einem Mund) Strand!

Glühwein oder Punsch?

Jonny Fischer: Glühwein

Manuel Burkart: Punsch

Snowboarden oder Skifahren?

Jonny Fischer: Skifahren

Manuel Burkart: Skifahren

Einen Schneemann bauen oder einen Schneeengel machen?

Jonny Fischer: Schneeengel

Manuel Burkart: Schneemann – dass du den Engel nimmst, war ja klar! (schmunzelt)

Schlittschuhlaufen oder Schlitteln?

Jonny Fischer: Schlitteln

Manuel Burkart: Schlitteln, ganz klar!

Hotel oder Ferienwohnung?

Jonny Fischer: (überlegt einen Moment) Eigentlich Hotel, zurzeit aber eher Ferienwohnung

Manuel Burkart: Hotel

Aktuelle Informationen zu den verschobenen Shows findet man unter

cabaret-divertimento.ch

Interview Lars Gabriel Meier Headerbild ZVG

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