autonomes fahren
Lifestyle Mobilität

Autonome Mobilität im Aufwind

25.03.2021
von SMA

Hoch und voll automatisierte Fahrzeuge mit entsprechenden Fahrsystemen zielen darauf ab, Fahrende künftig von oft lästigen Aufgaben zu entbinden, sie als Gefahrenquelle auszuschalten und zudem Infrastrukturen effizienter zu nutzen. Experten nehmen Stellung.

Der Bundesrat geht sehr optimistisch davon aus, dass automatisierte Fahrzeuge in den kommenden 15 bis 25 Jahren auch hierzulande einen nennenswerten Anteil der zugelassenen Strassenfahrzeuge haben werden. Mit der Einführung der automatisierten Fahrzeuge soll der Strassenverkehr noch sicherer und komfortabler gemacht und neuen Nutzergruppen Zugang zur (Auto-)Mobilität ermöglicht werden. Nach Anpassung des Wiener Abkommens können Fahrzeuge mit automatisierten Systemen jetzt schon zugelassen und grenzüberschreitend genutzt werden. Die Schweiz, eingebettet in internationale Abmachungen, schafft mit der Revision des Strassenverkehrsgesetzes national entsprechende Voraussetzungen.

Auf europäischer Ebene wird an der Gestaltung des Typengenehmigungsprozesses in Richtung hoch automatisierter Fahrzeuge gearbeitet, die fahrerlos in bestimmten Bereichen und unter bestimmten Bedingungen betrieben werden können. «Spezifische Reglemente für noch cleverere Assistenzsysteme sind verfasst, solche Systeme sollen in wenigen Jahren obligatorisch werden und sind als Bausteine für hoch- und vollautomatisierte Gesamtsysteme gedacht», erklärt Wolfgang Kröger, emeritierter Professor ETH Zürich und Leiter Themenplattform «Autonome Mobilität» der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) gegenüber «Fokus». «Diese Etappe wird begleitet von Konzeptentwicklungen zur Vernetzung der Fahrzeuge untereinander, Organisation des über Jahrzehnte andauernden Mischverkehrs und zu neuen Formen der Mobilität. Es tut sich also was. Es gibt Treiber in der Politik und Industrie, die Haltung der Öffentlichkeit ist aber ambivalent.»

Angst vor dem Verblöden

Der theoretische Physiker Stephen Hawking hat kurz vor seinem Ableben gewarnt, dass der grösste Feind des Menschen die Maschine sein wird. «Technikkritik und -skepsis sind ein alter Topos», entgegnet da Stefan Scheidegger, Projektleiter Schwerpunkt Autonome Mobilität bei der SATW. «Schon Platon hat vor der Verwendung von neuen Technologien gewarnt. Er befürchtete, dass alle verblöden. Er sprach von der Schrift, weil er befürchtete, dass der Mensch sein Gedächtnis nicht mehr verwenden würde. Heute ist die Verwendung von Schrift selbstverständlich und niemand käme auf die Idee, sie in Verbindung mit Gedächtnisschwund zu bringen.»

Die Menschheitsgeschichte zeigt sich als Wechselspiel zwischen sozialer Evolution und technologischem Wandel. In dieser Geschichte gab es auch immer Phasen, in denen allgemeine Technikbegeisterung herrschte, und Phasen, in denen die Angst dominierte. «Wir dürfen wohl darauf hinweisen, dass es bei Maschinen immer eine Diskussion um Fluch oder Segen gegeben hat, dass sie letztlich unser Leben komfortabler gemacht und neue Möglichkeiten eröffnet haben. Digitalisierung und vernetzte automatisierte Fahrzeuge gehören zusammen – Algorithmen und KI-basierte Lernprozesse sind nach Vorgaben des Menschen geschaffen und von ihm kontrollierbar. Wie weit das noch auf immer komplexer werdende Systeme und Situationen noch zutrifft, ist sicher fraglich.»

Pauschale Horrorszenarien bringen uns nicht weiter.

Stefan Scheidegger

Keine Angstmacherei, bitte!

Jede neue Technologie bringt soziokulturelle Folgen mit sich. Man denke nur an die Industrialisierung und damit verbunden an das Aufkommen der Industriearbeiterschaft. Ein eindrückliches Bild der schrecklichen Zustände, wie sie damals als Folge der frühen Industrialisierung in den Städten herrschten, zeichnete Friedrich Engels in seinem Buch «Die Lage der arbeitenden Klasse in England». Die sozialen Verhältnisse waren eine direkte Folge der technologischen Entwicklungen und ihrer sozioökonomischen Folgen. «Die sozialen und ökologischen Folgen von Technologie werden wir aber nicht durch pauschale Angstmacherei lösen, sondern nur, indem wir genau hinsehen, Chancen nutzen und Risiken abfedern», so Scheidegger.

Die Probleme werden sich für Unternehmen anders zeigen als für die Politik und nochmals anders als für die Wissenschaft und die Massenmedien. Indien, China, die USA oder Brasilien haben ganz andere Probleme als etwa Europa: «Deshalb müssen wir genau hinschauen und über den Einzelfall diskutieren. Pauschale Horrorszenarien bringen uns nicht weiter und helfen weder beim Nutzen von Chancen noch beim Umgang mit den Risiken. Deshalb brauchen wir einen breit geführten gesellschaftlichen Diskurs, wie neue Technologien genutzt werden sollen, was wir als Gesellschaft wollen und was nicht. Daraus folgt dann die Frage, was erlaubt sein soll und was nicht. Nur durch informierte und weitsichtige Entscheidungen können wir den technologischen Wandel gestalten.»

Sci-Fi als Tech-Treiber

Für Stefan Scheidegger sind Science-Fiction-Szenarien ein wichtiger Treiber für den technologischen Fortschritt: «Die Vision von selbstfahrenden Autos geht tatsächlich auch auf Science-Fiction zurück, bzw. Design-Fiction, wenn man an Norman Bel Geddes und seinen ‹Futurama Pavillon› für General Motors denkt.» Geddes hat an der Weltausstellung 1939 ein Modell der Welt in 20 Jahren erstellt – in seiner Vision des Highway-Systems kamen «remote-controlled semi-automated vehicles» vor. Die Erwartungen an selbstfahrende Autos wurden von Science-Fiction vorbereitet. Aktuell sind sie zwar noch pure Fiktion, eine Vision oder ein Traum.

Ein Blick auf den derzeitigen Wissensstand zeigt aber, dass die Fragen, welche heute die Entwicklung beschäftigen, eher spezifisch-technologischer, respektive rechtlich-regulatorischer Art sind. Vieles dreht sich um die Ausgestaltung des Machbaren. «Was heutzutage als selbstfahrend bezeichnet wird, hat wenig mit hoch- oder vollautomatisierten Fahrzeugen zu tun. Im Wesentlichen sind das Spurhalteassistenten. Selbstfahrende Autos werden nicht so schnell kommen.» Der Apple-CEO Tim Cook bezeichnete autonome Vehikel als «The Mother of All Artificial Intelligence Applications» (zu deutsch: Die Mutter aller künstlichen Intelligenz-Applikationen). So gesehen darf man gespannt sein, was die Zukunft noch so alles bringen wird.

Text SMA

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel Lebenswerte Städte dank cleverer Mobilität
Nächster Artikel «Es gibt nicht die eine klare ‹Technologie der Zukunft›»