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Gesundheit

Das Raynaudphänomen – wenn der Körper stark auf Kälte reagiert

19.03.2021
von Fatima Di Pane

Wer am Raynaudphänomen leidet, reagiert übermassig stark auf Kälte. Dr. med. Carmen-Marina Mihai, Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, erklärt. 

Wer ohne Handschuhe in die Kälte geht, bekommt kalte Finger. So weit, so logisch. «Kalte oder rote Finger bei Kälteexposition ist als normale Reaktion anzusehen», sagt Dr. med. Carmen-Marina Mihai, Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie. Jedoch reagieren etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung übermässig auf Kälte. Genannt wird dies das Raynaudphänomen. «In diesem Fall ist das normale physiologische Zusammenziehen der kleinen Gefässe, das den Wärmeverlust reduzieren soll, zu stark ausgeprägt», erklärt Mihai. «Meistens werden dann die Finger weiss oder blau. Selten können auch andere kälteexponierte Stellen wie die Nase, der Mundbereich und die Ohren davon betroffen sein» Vom Raynaudphänomen sind Frauen fünfmal häufiger betroffen als Männer.

Verfärbte Finger durch verminderte Durchblutung

Das typische Symptom des Raynaudphänomens ist die anfallsweise Verfärbung der Finger. Meistens sind die Finger beider Hände symmetrisch betroffen, und zwar mit einer klaren Demarkierung zwischen der verfärbten Peripherie und der ansonsten normalfarbigen Haut. Doch warum geschieht das?

«Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim Raynauphänomen um eine Übertreibung der normalen Vasokonstriktion, des Zusammenziehens der kleinen Gefässe, welches die Rolle hat, den Wärmeverlust zu reduzieren», fasst Mihai zusammen. «Diese übertriebene Vasokonstriktion wird durch einen anfallsartigen Muskelkrampf der kleinen Blutgefässe hervorgebracht, wobei sich diese rasch und stark zusammenziehen und der Blutfluss zum Stillstand kommt. Meist kommt es zu Beginn durch die verminderte Durchblutung zu einem Weisswerden der Finger, dann zu einer Blauverfärbung durch die Sauerstoffarmut im Gewebe. Am Ende tritt durch die nachfolgende vermehrte Durchblutung eine anhaltende rötliche Verfärbung auf.»

Raynaud

Das primäre Raynaudphänomen

In den meisten Fällen tritt das Raynaudphänomen bei Menschen auf, die an keinen anderen Krankheiten leiden. In diesem Fall wird es «primäres Raynaudphänomen» genannt. Dieses ist meist milde und hat einen unkomplizierten Verlauf. Manche Betroffene empfinden es auch nicht als besonders störend. Andere empfinden vor allem die rötliche Phase am Ende, wenn das Blut wieder in die Gefässe schiesst, als unangenehm. Empfindungen wie Schmerzen, ein Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Stechen können auftreten. Oftmals lassen sich die Anfälle aber durch Kälteschutz durch warme Kleidung, gutes Schuhwerk und warme, bei Bedarf auch beheizte, Handschuhe effektiv verhindern. Auf das Rauchen sollte derweil strikt verzichtet werden. Nikotin fördert die Gefässverengung und verschlimmert dadurch die Situation.

Das sekundäre Raynaudphänomen

In einem Drittel der Fälle tritt das Raynaudphänomen als Symptom einer Krankheit oder als Folge einer Toxinexposition auf. «Das Raynaudphänomen kann bei Autoimmunkrankheiten auftreten. Diese werden durch eine Störung des Immunsystems hervorgerufen, bei welcher körpereigene Zellen oder Stoffe fälschlicherweise als körperfremd oder fehlerhaft erkannt werden», führt Mihai aus. «Die häufigsten Beispiele sind die systemische Sklerose, die rheumatoide Arthritis, der systemische Lupus erythematodes oder das Sjögren-Syndrom.»

Ursache kann in Krankheit liegen

Das Raynaudphänomen kann auch bei Krankheiten auftreten, die eine Verdickung des Blutes mit sich bringen. «Hier handelt es sich um Bluterkrankungen, in deren Rahmen Proteine entstehen, welche bei Kälte nicht mehr im Serum löslich sind und dadurch die kleinen Gefässe verstopfen können», sagt Mihai. Andere Erkrankungen, welche das Raynaudphänomen verursachen können, sind Störungen der Schilddrüsenfunktion (Hypothyreose) und Einengungen der grossen Arterien durch Cholesterinplaques (Arteriosklerose). Im letzteren Fall ist das Raynaudphänomen oft asymmetrisch und betrifft nur eine einzige Extremität, eine Hand oder einen Fuss. Bei Patient*innen mit störendem, ausgeprägtem Raynaudphänomen können zur Behandlung gefässerweiternde Medikamente (Vasodilatativa) eingesetzt werden, die der Vasokonstrikion entgegenwirken.Bei Symptomen, welche den Verdacht auf das Raynaudphänomen wecken, sollte in jedem Fall der Besuch bei einer medizinischen Fachperson folgen. «Es werden mögliche Ursachen, wie beispielsweise die bereits erwähnten Krankheiten, abgeklärt», erklärt Mihai.

Text Fatima Di Pane

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