logistik
Innovation Transport & Logistik

Noch nicht automatisiert? Kein Grund zur Panik!

15.03.2021
von SMA

Viele Unternehmen haben hinsichtlich Automation bisher sämtliche Entwicklungen verschlafen. Aber dies muss noch lange kein Grund zur Panik sein.

Hier soll all jenen Unternehmen Mut gemacht werden, welche nach wie vor gewinnbringend am Markt sind, obwohl sie bisher über keinerlei Automationslösungen verfügen. Speziell diesen sei hier gesagt: Es gibt wenig Grund in Panik zu verfallen, nur weil man nach wie vor manuell arbeitet, während die ganze Welt von Automation spricht. Automation ist kein Allheilmittel – und nur wer sich die nötige Zeit nimmt, der wird am Ende auch die richtige Lösung bekommen. Und diese zu finden ist heute aufgrund der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten schwieriger denn je!

Nur ein Hype?

Man liest es überall: «Die Zukunft ist digital!», «Wer nicht automatisiert, verliert seine Wettbewerbsfähigkeit!» oder auch «Die digitale Revolution (und damit verbundene Automation) wird massenweise Arbeitsplätze vernichten» Und ja, es mag vielleicht auch so kommen. Aber spricht heute noch jemand vom unglaublichen Hype um potenzielle RFID-Anwendungen im Bereich Logistik & Supply Chain, welcher anfangs der «2000er» Jahre stattfand? Damals war kritisches Hinterfragen eines tatsächlichen (breiten) Mehrwertes unerwünscht, entsprechende Stimmen wurden rasch in die Zukunftsleugner-Ecke gedrängt. Unwiderlegbare Fakten wie physikalische Grenzen wurden zumeist ignoriert, Verweise auf technische Hindernisse oder rechtlich äusserst komplexe Fragestellungen gerne als Verrat gewertet. Letztendlich waren aber gerade diese Faktoren ausschlaggebend dafür, dass es im Bereich Logistik & Supply Chain heute nur vereinzelt RFID-Anwendungen gibt und in Summe kaum etwas vom damaligen Hype übrigblieb.

Im Bereich Logistik-Automation (inklusive Robotik) wird die Zukunft wohl nicht ganz so vom aktuellen Hype abweichen. Die Kernfrage ist hier eher, wann vorhergesagte Entwicklungen tatsächlich breite Anwendung finden werden. Entsprechende Marktprognosen für den Bereich Logistik-Automation sollten jedenfalls insofern hinterfragt werden, als dass man diesen die jeweils individuelle Unternehmensstruktur und -strategie gegenüberstellt bevor konkrete Automationsprojekte angestossen werden. Wer aber bereits konkret plant, Geld in die Hand zu nehmen, um seine Logistikprozesse zu automatisieren, der sollte zumindest einige allgemein gültige Grundsätze (und damit verbundene Hausaufgaben) berücksichtigen.

Manche Probleme werden (alleine) durch Automation nicht gelöst

Ein schlechter Prozess wird nicht besser, nur weil man ihn automatisiert

«Die ganze Welt automatisiert, also müssen wir das ebenso tun» ist aktuell eine gängige Devise. Spätestens aber, wenn es um die konkrete Lösung geht, stellt sich die Frage nach dem eigentlichen Ziel der Automation. Und hier passieren oft erste Fehler, beispielsweise indem man mit einer (im Grundsatz durchaus guten und intelligenten) Automationslösung «aus der Schublade» bestehende Teilprozesse ersetzt, ohne aber davor ganzheitlich seine Prozesse hinterfragt zu haben. Denn wenn auch einer solchen Automation «von der Stange» (erwartete) Personaleinsparungen bzw. Optimierungen gegenüberstehen, der potenzielle Fehler liegt darin, nur den reinen Business Case einer (Teilprozess-)Automation isoliert zu betrachten, während aber der Gesamtprozess weiterhin ineffizient bleibt.

Zuerst optimieren, dann automatisieren

In der Praxis wird oftmals hohes Einsparpotenzial durch Automation auf Basis der Ist-(Personal-)Kosten erwartet, während aber tatsächlich nur zu viele Leerzeiten anfallen. Setzt man dann den aktuellen Mitarbeiterbedarf einfach als gegeben an, so kann eine Automationslösung schnell interessant erscheinen. Vor Start eines Automationsprojekts sollten aber unbedingt die Ist-Prozesse in Bezug auf die tatsächliche Mitarbeiterauslastung im Detail analysiert werden. Können Taktzeiten optimiert, Teilprozesse besser aufeinander abgestimmt oder die Auftragseinlastung besser gesteuert werden? Und wenn ja – wie viel Optimierungspotenzial verbleibt dann noch durch Automation? Falls aber sämtliche manuellen Prozesse bereits optimiert und Effizienzsteigerungen nur mehr durch Automation möglich sind, verbleibt noch ein weiteres (Grundsatz-)Thema, welches gerne vergessen oder zumindest unterschätzt wird.

Formel 3:1 oder «Die Personalkostenfalle»

Dass Automation zu signifikanten Personaleinsparungen führen kann steht ausser Streit. Fakt ist aber auch, dass man für den Anlagenbetrieb gut ausgebildete, erfahrene Automations-/IT-Spezialisten braucht, welche pro Kopf zumindest doppelt so hohe Personalkosten wie für einen klassischen Mitarbeiter im Bereich Logistik und/oder Produktion generieren – Tendenz steigend! Der Automation sind heute kaum mehr Grenzen gesetzt, es gibt praktisch nichts mehr was nicht automatisierbar ist – und sogar der Mensch selbst fällt wohl auch bald darunter (Stichwort «künstliche Intelligenz»). Egal, ob man diese Entwicklungen nun begrüsst oder skeptisch sieht, es stellt sich die simple Frage, ob dieser Entwicklung überhaupt entsprechende (Human-)Kapazitäten gegenüberstehen. Und die klare Antwort darauf ist «Nein», zumindest was Europa betrifft – und hier schlägt nun der freie (Arbeits-)Markt gnadenlos zu. Automations-/IT-Spezialisten lassen sich nicht so schnell «produzieren» wie der Nachfragemarkt wächst, weswegen jeder vorsichtig kalkulierende Unternehmer bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung einer Automationslösung bedenken sollte, dass solche Spezialisten bald bis zum Dreifachen eines klassischen Mitarbeiters im Bereich Logistik/Produktion kosten könnten.

Fazit

Hinsichtlich Automationslösungen bestehen heute nahezu unbegrenzte technische Möglichkeiten, die Vielzahl an Automationsmöglichkeiten macht es aber zugleich auch immer komplexer, die jeweils richtige Lösung für «sein» Unternehmen zu finden. Ausreichend Zeit für Planung und Evaluation sowie auch genügend interne Personalressourcen (idealerweise vom Tagesgeschäft entbunden) sollten daher rechtzeitig reserviert werden, sowohl Zeit als auch Kosten werden am Ende gut investiert sein! Trotz der aktuellen Nervosität und Unsicherheit aufgrund des rasanten technischen Fortschrittes ist Gelassenheit angesagt. Alleine auf Geschwindigkeit zu setzten, nur um so schnell wie möglich eine Automationslösung vorweisen zu können ist jedenfalls keine gute Strategie – es gibt keinen Grund zur Panik, alleine schon aufgrund der begrenzten Kapazitäten im globalen Automationsmarkt. Und es wird noch länger dauern, bis die heutigen technischen Möglichkeiten auch tatsächlich in nennenswertem Umfang realisiert sein werden.

Text Arno Draxler, Senior Consultant, stv. Geschäftsführer agiplan ag, Rapperswil-Jona, www.agiplan.ch 

Bilder Adobe Stock

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