Interview von Severin Beerli

Beat Schwab: «Liegenschaften, die ökologische Aspekte nicht berücksichtigen, werden verstärkt unter Leerständen leiden»

Beat Schwab ist seit über 25 Jahren in diversen Führungspositionen der Schweizer Immobilienbranche tätig. Der promovierte Ökonom amtet seit 2017 als selbstständiger Verwaltungsrat bei zahlreichen namhaften Schweizer Unternehmen, begleitet Start-ups und betätigt sich auch als Unternehmer in der Immobilienwirtschaft.

Beat Schwab ist seit über 25 Jahren in diversen Führungspositionen der Schweizer Immobilienbranche tätig. Der promovierte Ökonom amtet seit 2017 als selbstständiger Verwaltungsrat bei zahlreichen namhaften Schweizer Unternehmen, begleitet Start-ups und betätigt sich auch als Unternehmer in der Immobilienwirtschaft.

Beat Schwab, Sie sind seit vielen Jahren in der Immobilienbranche tätig. Wie ist es dazu gekommen?

Ich bin in den Neunzigerjahren als junger Ökonom zufällig in die Branche gekommen, weil das Dossier Bau- und Immobilienmarkt frei war. Das war für einen Analysten eine sehr spannende Zeit, weil wir Hypothekarzinsen von über sieben Prozent hatten, die eine Immobilienkrise mitausgelöst haben. Es war also kein bewusster Entscheid, sondern ein glücklicher Zufall, für den ich sehr dankbar bin, denn die Branche ist sehr spannend und wirtschaftlich robust. Im Laufe der Jahre hatte ich das Privileg, in der ganzen Wertschöpfungskette tätig zu sein: vom Facility-Management über die Bewirtschaftung bis hin zum grossen institutionellen Investor.

Der Immobilienmarkt hat sich während der Coronapandemie als sehr resistent erwiesen. Wie hat es die Immobilienbranche geschafft, so stabil zu bleiben?

Das hat viel damit zu tun, dass die Schweiz als Land – auch im Vergleich zum Ausland – die Pandemie verhältnismässig gut gemeistert und der Bundesrat Massnahmen mit Augenmass und jeweils nur so lange wie nötig beschlossen hat. Hinzu kommen die umfangreichen staatlichen Unterstützungsprogramme, vor allem Kurzarbeits- und Härtefallentschädigungen, sowie die teilweisen Mieterlasse, welche viele Immobilienbesitzende gewährt haben. Dadurch konnten die negativen Effekte im Detailhandel und der Gastronomie abgefedert werden. Im Bürobereich bestehen langfristige Mietverträge, die kurzfristig nicht tangiert waren. Und der Wohnungsmarkt profitiert sowieso von einer starken und intakten Nachfrage.

Die Nachfrage nach Mietwohnungen blieb stabil. Was sind die Ursachen dafür?

Viele Leute fühlen sich näher bei der Natur mit dem Virus sicherer. Der steigende Anteil von Homeoffice erlaubt auch längere Pendeldistanzen. Da es in den Städten vor allem Mietwohnungen und wenig Wohneigentum gibt, haben die Eigentumspreise vor allem in den Agglomerationen sowie teilweise auch in typischen Zweitwohnungsgegenden in den Bergen angezogen. Unterschiedliche Faktoren wirken täglich auf den Immobilienmarkt ein und prägen diesen.

Unterschiedliche Faktoren wirken täglich auf den Immobilienmarkt ein und prägen diesen.

Welche davon haben aktuell den grössten Einfluss auf den Markt?

Die dominantesten Faktoren für den Immobilienmarkt sind nach wie vor die extrem tiefen Hypothekarzinsen sowie das zu erwartende Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Die tiefen Zinsen führen dazu, dass die Preise hoch bleiben und auch weniger attraktive Bauprojekte realisiert werden, da die Rendite im Vergleich zu Negativzinsen immer noch um einiges besser ist. Durch das allgemeine Wachstum bleibt auch die Nachfrage intakt.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) nennt in ihrem gerade veröffentlichten Risikomonitor sechs Hauptrisiken für den Immobilienmarkt. Dabei wird unter anderem das Risiko einer Blase erwähnt. Wie schätzen Sie die momentane Situation ein? Was wären die Folgen einer solchen Überhitzung?

Solang die Zinsen sehr tief bleiben, ist das Risiko einer scharfen Korrektur am Immobilienmarkt limitiert. Wir sehen schon heute eine gewisse Reduktion von Mieten und Preisen, insbesondere bei Büro- und Retailimmobilien an peripheren Lagen und ohne energetische Sanierung. Auch an den besten Detailhandelslagen – wie zum Beispiel an der Zürcher Bahnhofstrasse – sind die Mieten gegenüber den Höchstwerten bereits etwas gesunken. Selbst bei Wohnungen gibt es in gewissen Gemeinden relativ hohe Leerstände, da sehr viel gebaut worden ist. Das sind alles Anzeichen dafür, dass ein sogenanntes «Soft Landing» wahrscheinlich ist – ohne Immobilienkrise wie in den Neunzigerjahren.

Vor einem Jahr befand sich der Wohnungsleerstand auf einem Rekordhoch. Wie sieht die Situation heute aus und was sind die Gründe dafür?

Aufgrund der Tiefzinssituation wurden auch in eher strukturschwachen Gegenden ohne grosses Bevölkerungswachstum viele Wohnungen gebaut, die heute teilweise leer stehen. Die Situation ist im Moment aber nicht beunruhigend. Im Gegenteil, damit ein Markt funktioniert, braucht es eine gewisse Manövriermasse beziehungsweise Leerstand. Hier findet eine durchaus gesunde Marktentwicklung statt. Im Moment ist die gesamtschweizerische Leerwohnungsziffer immer noch deutlich unter zwei Prozent, im Kanton Zürich sogar unter einem Prozent. Für einen optimal funktionierenden Markt wäre vermutlich eine Leerwohnungsquote von zwei bis drei Prozent ideal.

Immer wieder hört man vielerorts Stimmen für mehr bezahlbaren Wohnraum. Wie stehen Sie dazu?

Ich verstehe die Forderung für preisgünstigen Wohnraum. In meinen Augen sind wir hier aber auch auf einem guten Weg: Durch den sinkenden Referenzzinssatz sind in den letzten Jahren die Mieten von vielen Altbauwohnungen gesunken. Zudem sind Wohnbaugenossenschaften sehr aktiv, werden oft von der öffentlichen Hand mit Land zu fairen Preisen unterstützt und nehmen eine Vorreiterrolle ein. Ferner hat die Zinssituation dazu geführt, dass viele institutionelle Investor:innen wie zum Beispiel Pensionskassen grosse Wohnbauprojekte realisieren und damit zur Marktentspannung beitragen. Teilweise stehen aber die Wohnungen natürlich dort, wo die Leute nicht unbedingt wohnen wollen. Schwierig finde ich es, wenn jemand den Anspruch auf eine günstige Wohnung in der Stadt Zürich hat, ohne geographisch in irgendeiner Weise mobil zu sein.

Sie sind auch in Proptech-Unternehmen tätig. Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Immobilienbranche?

Proptech-Start-ups helfen vor allem in der intelligenten Vernetzung von Menschen und technischen Installationen oder Räumen. Ein Beispiel ist die Firma Vilisto und ihre Thermostaten mit künstlicher Intelligenz. Diese lernen, wann Räume belegt sind und wann die Heizleistung reduziert werden kann. Ein weiteres Beispiel ist die temporäre Nutzung und damit bessere Auslastung von Sitzungszimmern durch Workspace2go oder die Mieterkommunikation mit der Verwaltung und innerhalb der Bewohnenden durch die App von Allthings. Einfach gesagt, kann Proptech also helfen, Freund:innen zu finden, die Auslastung von Immobilien zu erhöhen oder Energie zu sparen.

Welchen Einfluss und Folgen wird der Klimawandel auf den Immobilienmarkt haben?

Es gibt eine klare Tendenz, dass die Temperaturen bei uns vor allem in den Städten steigen und die an sich gewünschte Verdichtung diesbezüglich eine Herausforderung darstellt. Hier muss die Branche auch einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten. Dies bedeutet beispielsweise, mit Spezialist:innen offene Bebauungen zu planen, damit Winde zirkulieren können, und nicht nur auf versiegelte Bodenbeläge zu setzen oder Fassaden zu begrünen. Daneben sind nachhaltige Baumaterialien und intelligenter Sonnenschutz immer wichtiger. Ganz zentral ist auch die sehr gute Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr, das Angebot an Elektroladestationen sowie von umweltfreundlichen Mietautos und Fahrrädern.

Ökologische Nachhaltigkeit ist ein breit diskutiertes Thema. Welchen Einfluss hat dieses Thema auf den Immobilienmarkt?

Verschiedene Studien zeigen, dass nachhaltige Immobilien mit einem tiefen Energieverbrauch auf dem Markt eine Wertprämie erzielen. Dieser Effekt wird weiter zunehmen. Zudem werden vor allem Büromietende, aber immer öfters auch Wohnungsinteressierte, noch mehr Wert auf gesunde und nachhaltige Räumlichkeiten legen. Liegenschaften, welche ökologische Aspekte nicht berücksichtigen, werden verstärkt unter Leerständen leiden.

Was raten Sie denjenigen, welche sich eine Immobilie zulegen wollen?

Bei Wohneigentum sollte sich in erster Linie die ganze Familie am Ort und in der Nachbarschaft wohlfühlen. Die Wege zum Arbeitsort und zur Schule sollten kurz sein, da dies für die Lebensqualität zentral ist. Hingegen sollten steuerliche Überlegungen in meinen Augen nicht ausschlaggebend sein. Wichtig ist eine gute Tragbarkeit der Immobilie sowie ihr Wiederverkaufswert, falls sich die Lebensumstände ändern. Wenn immer möglich sollte auf fossile Brennstoffe als Heizquelle verzichtet werden.

Sie sind auch bei diversen Unternehmen im Verwaltungsrat. Was gefällt Ihnen an dieser Arbeit?

Ich finde es reizvoll, Unternehmen mit einer Vision im Markt zu positionieren, die strategischen Leitplanken zu setzen und die Firmen erfolgreich weiterzuentwickeln. Daneben schätze ich es sehr, immer wieder Schlüsselpositionen mit geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu besetzen. Es ist für mich absolut zentral, das richtige Team zusammenzustellen, weil man nur gemeinsam Erfolg haben kann. Dabei lernt man auch immer sehr spannende Persönlichkeiten kennen. Zudem ist es ein Privileg, mit Immobilien etwas mitzugestalten, wo wir einen wesentlichen Teil unseres Lebens verbringen: zu Hause, im Büro, an der Universität, im Theater und so weiter. Die architektonisch und ökologisch richtige Hülle ist die beste Voraussetzung für Inspiration und Lebensqualität!

Bild zVg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

16.12.2021
von Severin Beerli
Vorheriger Artikel Potenzial BIM: erfolgreich digital vernetzt
Nächster Artikel Den Kreislauf durch Materialpässe in Schwung bringen