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Digitalisierung Industrie Innovation Wirtschaft

Schritt für Schritt Richtung Industrie 4.0

28.02.2019
von Sven Hoti

Sie kommt schleichend, aber sie kommt: die Digitalisierung und Automatisierung der Industrie. Für die Unternehmen bringt sie einige Vorteile, sofern sie richtig umgesetzt wird. Ein effizientes und nachhaltiges Vorgehen ist gefragt.

Effizienzsteigerung, Kostenvorteile und die Entstehung neuer Geschäftsfelder oder -modelle sind nur einige der Vorteile und Möglichkeiten, welche die Industrie 4.0 für das produzierende Gewerbe bereithält. Doch bis ein Unternehmen die Transformation hin zu einer digitalisierten und vernetzten Wertschöpfungskette geschafft hat, liegt ein steiniger Weg. Gemäss einer Umfrage des Verbands der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem) bei 373 hiesigen Unternehmen zeigt sich jedoch ein weitgehend positives Bild. Was allerdings immer noch fehle, sei ein vollumfängliches Verständnis für das riesige Potential, das vom Konzept ausgehe, sowie die flächendeckende Umsetzung davon. Die nationale Initiative «Industrie 2025» soll Abhilfe schaffen.

Das Vorgehensmodell für einen effizienteren Einstieg

Mit dem «Quickstarter 2025» möchten die Initianten den produzierenden KMU in der Schweiz die nötige Starthilfe geben, um die unternehmensinterne Digitalisierung voranzutreiben. Auf der Webseite findet sich ein Vorgehensmodell, welches schrittweise durch die einzelnen Prozesse führt. Dabei können sich die Nutzer Hilfe bei Experten holen und hilfreiche Tools zur Ausarbeitung der einzelnen Schritte herunterladen. Der Quickstarter 2025 richtet sich vor allem an kleinere und einfachere Projekte und hat zum Ziel, den Einstieg in die Industrie 4.0 zu erleichtern und eine nachhaltige, ressourcenschonende Transformation anzustossen. Prof. Dr. Patricia Deflorin, Forschungsleiterin beim Schweizerischen Institut für Entrepreneurship (SIFE) und Dozentin für Innovationsmanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur, gehörte zur Spiegelgruppe, deren Aufgabe es war, das Projekt kritisch zu hinterfragen. «Der Quickstarter schafft eine sehr gute Auslegeordnung von Möglichkeiten und enthält die erfolgsrelevanten Punkte für den Weg Richtung Industrie 4.0», lautet ihr Fazit.

Zwei-Phasen-Modell

Das Modell besteht grob aus zwei Phasen: der Aufbruchs- und der Umsetzungsphase. Die erstgenannte richtet sich vor allem an die Unternehmensleitung. Das Ziel des ersten Schrittes dieser Phase ist es, den Nutzen der Digitalisierung aufzuzeigen. Und somit eine Begeisterung für das Thema zu wecken. Ausserdem lassen sich bereits grobe Ansatzpunkte im eigenen Unternehmen identifizieren.

In einem nächsten Schritt geht es darum, sich ein Basiswissen zu erarbeiten. Hierbei werden etwa die Themen Industrie 4.0, Digitalisierung oder «Lean Management» vertieft. In den letzten zwei Schritten der ersten Phase geht es darum, eine Standortbestimmung zu machen und, darauf aufbauend, eine der drei Stossrichtungen der Industrie 4.0 – Optimierung der Unternehmensprozesse, Wertsteigerung der Marktleistungen und Geschäftsmodelle – ins Auge zu fassen. So wird ein Fokus geschaffen und die Komplexität verringert. Später sollen die Unternehmen dann auch die verbleibenden zwei Stossrichtungen auf Anwendungsfälle überprüfen. Im letzten Schritt werden zwei bis drei Anwendungsfälle konkreter definiert. Zudem wird ein Zeitplan und das Budget gesetzt sowie Verantwortliche für deren Umsetzung bestimmt.

Um den langfristigen Erfolg zu gewährleisten, ist es wichtig, die Anspruchsgruppen kontinuierlich zu schulen.

Start mit Prototyp

In der Umsetzungsphase werden die definierten Anwendungsfälle umgesetzt. Die Verantwortlichkeit hierzu fällt einem Projektleiter zu. Im ersten Schritt eignet sich dieser ein möglichst breites Basiswissen zur Industrie 4.0 und Digitalisierung an. Er arbeitet sich vertieft in den Anwendungsfall ein und sucht nach Beispielen aus der Praxis, welche bereits erfolgreich umgesetzt wurden. Der Projektleiter verschafft sich einen Überblick über die wirtschaftliche Machbarkeit, die digitalen Technologien und die intern vorhandenen Kompetenzen. Danach wird ein erster Prototyp entwickelt. Dieser wird nach im Vorfeld festgelegten Kriterien beurteilt und dadurch erste Erkenntnisse gewonnen. Aufgrund dieser lässt sich der «Business Case» finalisieren. «Bei unternehmerischen Entscheidungen ist – der Innovation willen – darauf zu achten, sich nicht zu früh mit Detailanalysen auseinanderzusetzen», meint Deflorin. Denn es sei schwierig, die Wirtschaftlichkeit, vor allem unausgereifter Technologien, detailliert abzuschätzen. Umso wichtiger sei es deshalb, die Erfahrungen des Prototyps einfliessen zu lassen.

Zeigen die Erkenntnisse aus der Prototyp-Phase, dass der Anwendungsfall technisch funktioniert und das Nutzenpotential verifiziert wurde, kann ein Feldversuch (Pilot) in einem realitätsnahen Testumfeld gestartet werden. Liefert der Pilot zufriedenstellende Resultate, kann er in das reale operative Umfeld überführt und auf verschiedene Standorte, Produkte, Systeme oder Einheiten ausgeweitet werden. Um den langfristigen Erfolg zu gewährleisten, ist es wichtig, die Anspruchsgruppen kontinuierlich zu schulen. Auf der Webseite findet sich ein entsprechendes Schulungskonzept. Im letzten Schritt geht es darum, die Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Projekten im ganzen Unternehmen zu kommunizieren und Massnahmen für die Weiterentwicklung des Unternehmens zu definieren.

«Der Mensch bleibt Mittelpunkt der Veränderung»

In Richtung Industrie 4.0 gibt es einige Stolpersteine. Wichtig sei es deshalb, den Weg in kleinere Projekte aufzuteilen und agile Entwicklungsmethoden einzusetzen, erklärt Deflorin. Sie führt aus: «Agile Entwicklungsmethoden, welche aus der Software-Entwicklung stammen, helfen, mit der Komplexität umzugehen. Dadurch lassen sich kleine Erfolge schneller feiern und die Teams bleiben motiviert, die notwendigen Veränderungen umzusetzen.»

Die Professorin mahnt jedoch vor zu starker Fokussierung auf die neuen Technologien: «Der Mensch bleibt Mittelpunkt der Veränderung.» Daneben seien ein vertiefter Austausch mit Gleichgesinnten wie etwa andere Unternehmer oder Hochschulen und das Bilden geeigneter Kooperationen hilfreich für die Umsetzung von Industrie 4.0 – Initiativen.

Text: Sven Hoti

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