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Wenn »Schriftformmängel« zeitlich befristete Gewerbe-Mietverträge aushebeln

26.05.2021
von Rüdiger Schmidt-Sodingen

Stresstest für Zeitmietverträge: Mit »Schriftformmängeln«, beispielsweise wechselseitigen (E-Mail-)Bestätigungen oder nur mündlich getroffenen (Telefon-)Absprachen, können längerdauernde Mietverträge vorzeitig beendet werden. 

Langfristig geschlossene Mietverträge mit festen Laufzeiten können bei Gewerbeimmobilien Sinn machen. Die Planbarkeit über mehrere Jahre erlaubt Mietenden Investitionen in nötige Infrastrukturen, Vermieternden dagegen Ausbauten und eine kontinuierliche Instandhaltung. Dass die gegenseitigen Abhängigkeiten von Vermietenden und Mietenden größer werden, beweist ein Blick in die Speckgürtel der Großstädte, wo Gemeinden große Firmen allein schon wegen der Gewerbesteuern über Jahrzehnte halten wollen – und deshalb froh sind, wenn Vermietende längerfristige Mietverträge mit Aussicht auf die Anmietung weiterer Flächen per se möglich machen.

Trotzdem kann es auf beiden Seiten aus verschiedenen Gründen dazu kommen, ein länger eingegangenes Mietverhältnis vorzeitig zu beenden. Mal will eine Firma ihren Standort verlagern oder muss aufgrund der Krise schrumpfen, mal möchte der Vermietende die ihm gehörenden Flächen neu ordnen oder an einen anderen Kunden größer und länger vermieten. Auch persönliche Animositäten oder Abwerbungen sorgen regelmäßig für Wechsel- oder Kündigungsstimmung. All das mag verständlich sein, kann aber im Hinblick auf die rechtliche Bewertung nicht den Ausschlag geben, speziell vereinbarte Zeitmietverträge einseitig und kurzfristig außer Kraft zu setzen. Die »wirtschaftlichen Zwänge«, die in diesen Tagen auch vermehrt die Vermieterseite betreffen, die aus Kulanz Corona-Ausfälle mittragen soll, sind dabei sicher ein Hauptgrund, Mietverträge auf die Möglichkeit eines frühzeitigen Ausstiegs zu überprüfen.

Zusatzvereinbarungen haben Tücken

Kommt es dann zu vorzeitigen Kündigungen, werden vor allem sogenannte »Schriftformmängel« angeführt. Hält der Mietvertrag die strengen und formalen Schriftformerfordernisse nicht ein, so ist die gesetzlich geregelte Konsequenz, dass der Mietvertrag als auf »auf unbestimmte Zeit« geschlossen gilt, also innerhalb der gesetzlichen Fristen vorzeitig gekündigt werden kann.

Zwar heißt es in Paragraph 550 Absatz 1 des BGB lediglich, dass ein Mietvertrag mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr der Schriftform bedarf. Dazu muss man jedoch wissen, dass die Rechtsprechung für diese Vorschrift, die nach Paragraf 578 Absatz 2 BGB auf Geschäftsräume uneingeschränkt anwendbar ist, zahlreiche sehr formale Schriftformerfordernisse entwickelt hat.

So ist die gesetzliche Schriftform nur dann gewahrt, wenn sich beide Parteien in einer gemeinsam unterzeichneten Urkunde zusätzlich über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere über den Mietgegenstand, die Miethöhe sowie die Mietdauer, verbindlich und klar einigen.

Gefahr bei einseitigen oder kurzfristigen Änderungen

Das klingt einfach. Die Fülle obergerichtlicher Entscheidungen zu diesem Thema beweist jedoch das Gegenteil. Schon die Regelung vermeintlich einfacher Sachverhalte wie nachträgliche Vereinbarungen zur Höhe der Miete, zum Mietgegenstand oder einem auch teilweisen Wechsel der Vertragsparteien, kann selbst nach einem langjährigen störungsfreien Mietverhältnis schnell zu unbeabsichtigten Folgen führen. So können auch zuvor unter Beachtung der maßgebenden Schriftformkriterien abgeschlossene Mietverträge und Nachträge vorzeitig beendet werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn im Laufe der Mietzeit Veränderungen eintreten, die von den Vertragsparteien nicht in einem den Schriftformerfordernissen entsprechenden, weiteren Nachtrag dokumentiert werden.

Ein aktuelles Beispiel: Der Vermietende bestätigt dem Mietenden nach vorausgehendem Telefonat in bester Absicht kurz per E-Mail, dass gemäß Telefonat für die Dauer der Pandemie oder bis auf Weiteres nur noch eine verminderte Miete gezahlt werden muss. Nun darf sich der Vermietende nicht wundern, wenn vom Mietenden plötzlich die Kündigung des Mietvertrages unter Berufung auf fehlende Schriftformerfordernisse folgt.

Text Rüdiger Schmidt-Sodingen

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