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Digitalisierung Recht

Kann das Internet gezwungen werden, zu vergessen?

22.06.2022
von SMA

Seit dem Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2014 ist das «Recht auf Vergessenwerden» immer wieder Teil politischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Diskussionen. Das Urteil betrifft jedoch ausschliesslich den EU-Raum. Wie sieht es in der Schweiz aus?

Bilder, Videos und Texte online zu posten, gehört mittlerweile zum Alltag wie der morgendliche Kaffee. Schliesslich kann man die Inhalte mit einem simplen Klick wieder löschen, sollten sie nicht mehr passen.

Doch in Zeiten von Google und Co., die Webseiten indexieren und die Posts durch eine einfache Suchanfrage für alle auffindbar machen, ein beinahe illusorischer Gedanke. Die eigene Privatsphäre zu wahren, egal ob vor oder nach einer Veröffentlichung, ist komplexer.

Das «Recht auf Vergessenwerden»

Das Google-Urteil von 2014 und die weiteren politischen Bestrebungen der EU danach haben keine direkten rechtlichen Auswirkungen auf die Situation in der Schweiz. Dennoch ist das «Recht auf Vergessenwerden» ein Konzept, das schon lange vor dem 21. Jahrhundert bestand.

In der analogen Welt stellen die Löschung von Vorstrafenregistereinträgen ein Beispiel einer Anwendung dieses Rechts dar. Grundsätzlich ist im Bundesgesetz zum Datenschutz (DSG) geregelt, dass Daten nicht länger als nötig bearbeitet werden und der Widerruf einer Zustimmung sowie eine Einsprache möglich sind. Die Verhältnismässigkeit muss also im analogen und digitalen Raum befolgt werden. 

Trotzdem besteht weder ein absolutes «Recht auf Vergessenwerden» noch eine vollumfängliche Löschungspflicht. Denn auch wenn es sich um private Informationen handeln kann, müssen zuweilen andere Belange ebenso gewahrt werden.

Beispielsweise können das öffentliche Interesse oder eine Buchhaltungspflicht einer Löschung im Wege stehen. Solange kein spezifisches Gesetz diese Problematik regelt, muss in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung stattfinden. Die praktische Umsetzung ist anspruchsvoll, da das Vergessenwerden mit einem komplexen Gebilde aus Rechten und Pflichten zusammenhängt.

Individuelles Recht im globalen Kontext

Im sich ständig wandelnden digitalen Raum ist es umso schwieriger, selbst über die eigenen Onlinespuren bestimmen zu können. Auch bei wissentlich und eigenhändig geposteten Inhalten können Privatpersonen nur zum Teil kontrollieren, was mit den Daten geschieht.

Landesgrenzen existieren nicht; die Informationen sind augenblicklich global einsehbar. Vor diesem Hintergrund ist es eine grosse Herausforderung, das individuelle Recht einzufordern. Welches Gericht ist zuständig, welches Recht anwendbar? 

Damit es gar nicht so weit kommt, ist eine Lösung, die Daten mit einem Ablaufdatum zu versehen, nach welchem sie nicht mehr geladen werden können. Screenshots sind aber schneller gemacht und verbreitet als der Inhalt selbst. Das «Recht auf Vergessenwerden» existiert nach wie vor als Konzept, aber kaum in der Realität.

Der einzige wirkungsvolle Schutz vor unerwünschten Daten im Internet ist zurzeit, sich vorher genau zu überlegen, mit welchen Spuren man auch in Zukunft leben kann.

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