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Die Verweigerung der Zweckrationalität

30.11.2019
von Antonia Vogler

Mit dem Begriff «Luxus» verbinden viele ganz spezifisch teure, materielle Gegenstände. Lambert Wiesing ist Philosophieprofessor der Universität Jena und hat sich intensiv mit dem Konzept des Luxus auseinandergesetzt. Im Interview gibt er Einblicke in eine tiefgründigere Definition. Er grenzt diese klar von derjenigen des Komforts und des Protzes ab – im Wissen, dass man die Bedeutung dieser Begrifflichkeiten im Alltag oft vermischt.

Luxus ist kein Parameter, der sich eindeutig messen lässt. Das bestätigt Professor Lambert Wiesing gleich zu Beginn des Interviews: «Es kann sich individuell unterscheiden, ob eine Sache von jemandem als luxuriös empfunden wird oder eben nicht.» Er fügt hinzu: «Luxus ist jedoch immer eine ästhetische Erfahrung.» Im Verlauf des Interviews wird klar, was mit ästhetischer Erfahrung gemeint ist. Auch, welche Eigenschaften ein Ding besitzen muss, um diese zu generieren.

Luxus kontert Rationalität

Die «luxuriösen» Dinge, die zu solch einer ästhetischen Erfahrung führen, haben eines gemein. Und nein, es ist nicht ein teures Preisschild. «Sie ermöglichen die Erfahrung, ein Subjekt zu sein, das gegenüber Angemessenheitsvorstellungen und Verbindlichkeiten immer noch Stellung nehmen kann», erläutert Lambert Wiesing. Folgende drei Begriffe verwendet der Philosophieprofessor, um Luxus näher zu bestimmen: «Aufwand, Komplikation und Verweigerung von Zweckrationalität.» Er fährt fort: «Diese Dinge sind übertrieben aufwändig, nicht aber zweckrational, patent oder praktisch. Trotzdem werden sie besessen. In diesem «trotzdem» liegt der entscheidende Moment, welcher zu Luxus führt.» Luxus könnte also als ein tiefergreifendes Erlebnis beschrieben werden, welches –entgegen jeglicher falschen Vorurteile – alles andere als oberflächlich und nach aussen orientiert ist.

Vorsicht vor Verwechslung

Leider ist Luxus ein Begriff, den man häufig mit anderen vermischt und verwechselt. Lambert Wiesing stellt klar, dass er nicht das Ziel verfolgt, sich etwas zu gönnen – dafür ist der Komfort verantwortlich. Luxus sollte auch nicht mit Protz verwechselt werden, obwohl die beiden im Alltagsgebrauch manchmal fälschlicherweise gleichgestellt werden. Professor Wiesing unterscheidet: «Protz ist eine Selbstdarstellung mit Dingen und ein Distinktionsphänomen im Raum der Öffentlichkeit; Komfort ist ein rein sinnliches Phänomen des Genusses. Luxus ist eine Verweigerung von Zweckmässigkeit, die auch im Privaten stattfinden kann.»

Luxus und Moral

Eine moralische Debatte rund um den Luxus schwingt in der Frage mit, wie man in den Besitz der Gegenstände kommt, die diese ästhetische Luxuserfahrung ermöglichen. «Die Erfahrung selbst jedoch lässt sich nicht moralisch bewerten. Man sollte sich deswegen weder verurteilen, noch sollte man stolz darauf sein», spezifiziert Lambert Wiesing das moralische Thema weiter. Es kann auch sein, dass ein Gegenstand, der zu einer ästhetischen Luxuserfahrung führt, moralisch fragwürdig ist. Beispielsweise ein Auto, welches mit seinem erheblichen CO2-Ausstoss der Umwelt schadet.

Apropos Auto: Dieses Beispiel zeigt erneut die Unterscheidung zwischen Luxus, Komfort und Protz auf, um eine unsachgemässe Gleichstellung zu vermeiden. «Wenn man beispielsweise ein Auto aus Komfortgründen hat, so schätzt man, dass es leise ist, nicht wackelt und gut gefedert ist. Besitzt man ein Auto aus Gründen des Prestiges beziehungsweise des Protzes, dann ist die Marke und deren Image wichtig, um sich damit darstellen zu können. Eine ästhetische Erfahrung des Luxus mit einem Auto kann jemand machen, wenn er oder sie beispielsweise die Komplexion des Motors schätzt als eine Widersetzung des Diktats der Zweckrationalität», erklärt Professor Wiesing. 

Glücklich durch Luxus?

Braucht es Luxus denn, um als Mensch glücklich zu sein? Der Experte Lambert Wiesing meint dazu: «Nein, das klingt mehr nach Komfort. Menschen brauchen Luxus nicht, um glücklich zu sein. Aber viele Menschen suchen nach der Erfahrung, ein Mensch zu sein. Luxus ist eine von vielen Möglichkeiten, wie diese Erfahrung gesucht werden kann. Andere Beispiele dafür sind die Kunst oder Meditationstechniken.»

Interview: Jo Widmer, Text: Antonia Vogler 

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