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Die Schweizer und der Hochgeschwindigkeitsverkehr

07.03.2020
von SMA

Die Gesellschaft sowie ihre Mobilität müssen nachhaltiger werden. Das gilt sowohl für die Schweiz als auch international. Eine Schlüsselrolle dafür spielt der öffentlichen Schienenverkehr. Doch wie kann man Zugfahren so attraktiv gestalten, dass es mit dem Fliegen konkurrieren kann? Die Antwort liegt im Hochgeschwindigkeitsverkehr. Aber hier ergibt sich ein Problem: Das hat auch wirtschaftliche Folgen.

Die Welt ist in den letzten Jahren kleiner geworden. Natürlich nicht im eigentlichen Sinne, sondern im übertragenen. Denn der Ausbau des Flugverkehrs hat dafür gesorgt, dass so gut wie jeder Ort auf dieser Erde relativ schnell, einfach und günstig erreicht werden kann. Und die Schweizerinnen und Schweizer nutzen die Möglichkeiten des Luftreisens rege: Laut Bundesamt für Statistik verzeichneten die hiesigen Flughäfen 2018 rund 57,5 Millionen Passagiere (Lokal- und Transferpassagiere). Das entspricht folglich einem Plus von 67 Prozent gegenüber dem Jahr 2000.

Doch der Wind beginnt sich – zumindest langsam – zu drehen. Ein neues Verständnis für Ökologie sowie Nachhaltigkeit setzt sich durch und im Bestreben, den eigenen CO2-Fussabdruck zu minimieren, rücken neue und intermodale Mobilitätsformen in der Fokus der Öffentlichkeit. Doch kann überhaupt ein Verkehrsträger mit den Vorzügen des Flugzeugs mithalten?

Eine valable Alternative zum Luftverkehr bietet die Mobilität auf der Schiene.

Im Eiltempo unterwegs

Die Antwort lautet gemäss Fachleuten: Ja. Allerdings mit Vorbehalt. Eine valable Alternative zum Luftverkehr bietet beispielsweise die Mobilität auf der Schiene. Doch um gegenüber dem Fliegen wirklich attraktiv sein zu können, müssten sich bspw. die Reisezeiten zwischen den europäischen Zentren München, Zürich und Mailand um einen Quantensprung verbessern. Möglich wird dies durch sogenannte Hochgeschwindigkeitsverbindungen. Unter dem Begriff «Hochgeschwindigkeitsverkehr» (HGV) wird das Befahren von Zugstrecken verstanden, auf denen Geschwindigkeiten von mindestens 200 Km/h möglich sind. Die EU fördert den Ausbau des HGV-Netzes stark, um eine inner-europäische Alternative zum Flugverkehr zu schaffen. Bis Ende 2020 sollen europaweit 20 000 HGV-Schienenkilometer gebaut sein. Durch das schliesslich entstehende Zeitersparnis soll das Reisen im Zug deutlich attraktiver werden.

Welche Rolle spielt dabei die Schweiz – und welche Weichen müssen hierzulande gestellt werden? Branchenkenner betonen, dass es vor allem elementar sei, den Anschluss ans europäische Hochgeschwindigkeitsverkehrs-Netz nicht zu verpassen. Denn wie das Bundesamt für Verkehr in einer offiziellen Mitteilung schreibt: «Während die NEAT bereits bessere und schnellere Verbindungen aus der Schweiz in Richtung Mailand und Frankfurt bringt, sorgt das Programm zum Anschluss ans ausländische Hochleistungsnetz auch für optimierte Reisemöglichkeiten in Richtung Lyon, Dijon, Paris, Stuttgart, Ulm und München.»

Doch hier besteht noch deutliches Verbesserungspotenzial, wie der Bund bereits 2012 im «Raumkonzept Schweiz» festgehalten hat: In dem 100-seitigen Strategiepapier ist unter anderem zu lesen, dass die Integration in «die europäischen Hauptverkehrsachsen des Schienen- und Strassenverkehrs zu verbessern ist.» Gerade der wichtige Metropolitanraum Zürich ist derzeit ungenügend ans europäische HGV-Netz angeschlossen. Diese müsse dringend geändert werden: «Die Schweiz muss sich dafür einsetzen, dass eine vollständige Realisierung der geplanten Anschlüsse möglichst frühzeitig umgesetzt wird.»

Gerade der wichtige Metropolitanraum Zürich ist derzeit ungenügend ans europäische HGV-Netz angeschlossen.

Bestehende Lücken schliessen

Zur besseren Anbindung an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz investiert der Bund bis Ende Jahr rund 1,1 Milliarden Franken in das Eisenbahnnetz. Doch dies ist laut Fachleuten nur als ein erster Schritt im Rahmen des NEAT-Ausbaus zu verstehen. Ausserdem müsse unbedingt die vollständige Integration der Schweiz ins europäische HGV-Netz angegangen werden. Denn bisher ist der Netzschluss zwischen dem nördlichen und südlichen Europa (mit Stuttgart/München bzw. Mailand) mit einer durchgehenden Hochgeschwindigkeitsverkehrs-Verbindung noch nicht geplant.

Genau hier kommt das Projekt «AlpTrain» ins Spiel: Denn dieses bezweckt den Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen den Metropolen Zürich, Mailand und München. Kernstück dieses Vorhabens ist eine neue Schnellbahnstrecke zwischen Chur und Bellinzona. An diese soll ein Anschluss für die Tourismuszentren Lenzerheide, Arosa, Davos sowie St. Moritz erstellt werden.

Alle profitieren

Mit dem AlpTrain könnten gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Ein klaffendes Loch im europäischen HGV-Netz würde geschlossen, was den Zug im Direktvergleich mit dem Flugzeug attraktiver dastehen liesse. Währenddessen profitiert die Schweiz auch auf regionaler Ebene durch die zusätzlichen Anbindungen. Und gerade die bessere Einbindung von Zürich und Umgebung ans europäische HGV-Netz würde den Wirtschaftsstandort Schweiz zusätzlich stärken: Denn Baden-Württemberg, Bayern, die Schweiz, Vorarlberg, das Fürstentum Liechtenstein sowie die Lombardei gehören zu den wirtschaftsstärksten Regionen Europas. Diese sind heute schon durch Handel, Investitionen sowie Wertschöpfungsketten stark miteinander verbunden. Mit einem Hochgeschwindigkeitsverkehr-Ausbau zwischen München, Zürich und Mailand könnte die sogenannte «Wirtschaftsmetropole Alpenbogen» näher rücken und das Rückgrat für die Erhöhung der weltweiten Konkurrenzfähigkeit erhalten.

Mit einem HGV-Ausbau zwischen München, Zürich und Mailand könnte die sogenannte «Wirtschaftsmetropole Alpenbogen» näher rücken und das Rückgrat für die Erhöhung der weltweiten Konkurrenzfähigkeit erhalten.

Bis allerdings die Reise von Zürich nach Mailand in zwei Stunden (statt heute drei Stunden und 20 Minuten) bewältigt werden kann, steht noch ein langer Weg bevor. Die Initianten des Konzepts sind zurzeit daran, die politische Initialisierung der AlpTrain-Idee vorzubereiten.

Reisezeit in Stunden Referenz HGV
Zürich – Frankfurt (410) 3:53 2:25
Zürich – München (324) 3:30 2:00
Zürich – Mailand (308) 3:20 2:00
Zürich – Paris (555) 4:04 3:40
Zürich – Lugano (233) 2:03 1:30
Zürich – Chur (116) 1:15 0:45
Zürich – Davos (147) 2:19 1:05
Frankfurt – Mailand (718) 7:30 4:15
München – Mailand (450) 6:50 2:45
Klammer: Distanz in km

Bis Ende 2020 sollen europaweit 20 000 HGV-Schienenkilometer gebaut sein. Durch die damit entstehende Zeitersparnis soll das Reisen im Zug deutlich attraktiver werden.

Eine Antwort zu “Die Schweizer und der Hochgeschwindigkeitsverkehr”

  1. Walter Helbling sagt:

    Dass die Integration in die europäischen Hauptverkehrsachsen des Schienenverkehrs zu verbessern und gerade der wichtige Metropolitanraum Zürich derzeit ungenügend ans europäische HGV-Netz angeschlossen ist: Geschenkt! Ebenso klar auch, dass dieses Problem nicht mit einer Milliarde zu beheben ist. Weniger bekannt vielleicht, dass die Nord-Süd-Achse Frankfurt – Mailand mit Neat und im Gange befindlichem Rheintalbahn-Ausbau noch lange nicht Hochgeschwindigkeitsstandard erreicht. Wir haben unsere Investitionen primär erst mal auf die mehrfache Durchörterung der Alpen konzentriert und die Verbindungen zwischen Metropolitanräumen hintangestellt. So gesehen stellt sich schon die Frage, welche Priorität nun der Realisierung eines weiteren Alpendurchstichs zukommen soll.

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