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Den unermüdlichen Helfern im Gesundheitswesen helfen

04.07.2020
von Dominic Meier

Das Schweizer Gesundheitswesen steht seit vielen Jahren vor Herausforderungen. Es herrscht Sparzwang, weshalb das Gesundheitspersonal vielerorts unterbesetzt ist. In der Coronakrise ist man bisher mit einem blauen Auge davongekommen, doch für die Zukunft besteht dringender Verbesserungsbedarf.

Die Massnahmen des Bundesrats von Mitte März haben dafür gesorgt, dass das Schweizer Gesundheitswesen der Krise standhalten kann. Ununterbrochen hat das hiesige Gesundheitspersonal in den darauffolgenden Wochen gearbeitet, um die Pandemie einzudämmen. Dass sich die Situation nun beruhigt hat, ist deshalb zu einem grossen Teil den selbstlosen Helfern des Schweizer Gesundheitssystems zu verdanken.

Die Helden der Krise

Als die Infektionszahlen in der Schweiz explodierten, waren sie sofort zur Stelle: das Schweizer Gesundheitspersonal. Auch wenn die Fallzahlen von Kanton zu Kanton unterschiedlich waren, spürte das gesamte Gesundheitssystem die Auslastung der Coronakrise während des Peaks im vergangenen April.

Allen voran das Pflegepersonal, meint Roswitha Koch. Die Leiterin der Abteilung Pflegeentwicklung des Schweizer Berufsverbands für Pflegefachpersone SBKhält fest: «Pflegende kümmern sich seit Beginn der Coronakrise rund um die Uhr um Patienten und gehen dabei teils auch persönliche Risiken ein. Nicht überall war das notwendige Schutzmaterial vorhanden. Zusammen mit MedizinerInnen und anderen Gesundheitsfachpersonen trägt das Pflegepersonal auch aktuell sehr viel zur Betreuung und Heilung der Coronapatienten bei. Nicht zu vergessen sind auch die Pflegeheime, Spitexorganisationen oder psychiatrischen Kliniken, die für den Schutz ihrer Patienten vieles an ihren Abläufen umstellen mussten.»

Akute Probleme werden stärker spürbar

Das Schweizer Gesundheitswesen leistet während der Coronakrise Grosses ¬– das ist sich auch die Bevölkerung bewusst. Über Social Media und in den Medien wurde mehrmals zu solidarischen Aktionen aufgerufen. Auch meldeten sich Hunderte von Freiwilligen in den Spitälern, um dem Gesundheitspersonal unter die Arme zu greifen.

«Ich freue mich sehr über die Wertschätzung für das Gesundheitspersonal», sagt Roswitha Koch. «Jedoch wünschte ich mir diese auch für die Zukunft.» Denn nicht nur die Spitäler, sondern auch andere Gesundheitseinrichtungen wie psychiatrische Kliniken oder Pflegeheime sind derzeit vielfältig belastet. Manche der sowieso schon ausgelasteten Gesundheitseinrichtungen stossen an ihre Grenzen. «In solchen Ausnahmezeiten spüren wir den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen noch stärker als sonst», betont Roswitha Koch. «Damit wir auch künftig genügend qualifiziertes Personal haben, müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Es braucht eine Ausbildungsoffensive.»

Überfordertes und erschöpftes Pflegepersonal

Der Staat muss sich um eine gut funktionierende Infrastruktur im Gesundheitswesen kümmern. In Zeiten wie jetzt erkennt die Bevölkerung nämlich, wie wichtig die menschliche Gesundheit ist und wie viel Einsatz das Gesundheitspersonal erbringt, um
diese aufrechtzuerhalten.

In solchen Ausnahmezeiten spüren wir den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen noch stärker als sonst. Roswitha Koch

Jedoch fühlt sich die Branche seit geraumer Zeit im Stich gelassen. Der finanzielle Druck, unter welchem manche Gesundheitseinrichtungen seit vielen Jahren stehen, hat teilweise einschneidende Konsequenzen für das Pflegepersonal. «Pflegestellen werden abgebaut und Fachpersonen durch weniger qualifiziertes Personal ersetzt. Dadurch passieren mehr Fehler in der Pflege und viele sind im Beruf überlastet. Man hat zu wenig Zeit für die Patientinnen und Patienten, arbeitet unter ständigem Druck und ist frustriert», kritisiert die Expertin des SBK.

Zahlreiche Fachpersonen im Gesundheitswesen sind folglich Burnout gefährdet und emotional erschöpft. Viele kehren der Gesundheitsbranche den Rücken zu und die Arbeitsbedingungen machen Pflegeberufe für den Nachwuchs unattraktiv.

Die Zukunft birgt weitere Herausforderungen

Auch hat die Zunahme von technologischen Möglichkeiten der vergangenen Jahren neue Anforderungen für Angestellte im Gesundheitswesen geschaffen. Die tägliche Arbeit ist komplexer geworden und man braucht eine fundierte Grundausbildung sowie regelmässige Weiterbildungen, um mithalten zu können.

Zahlreiche Fachpersonen im Gesundheitswesen sind folglich Burnout gefährdet und emotional erschöpft.

Langfristig gesehen ist es schon jetzt klar, dass der demografische Wandel in der Bevölkerung auch eine zu bewältigende Herausforderung sein wird. «Die Zunahme an hochaltrigen und mehrfach erkrankten Menschen erfordert steigende Betreuungsmöglichkeiten», sagt Roswitha Koch. Zudem geht die World Health Organisation WHO davon aus, dass künftig 80 Prozent der Gesundheitsleistungen für Menschen mit chronischen Erkrankungen zu erbringen sind.

«Um diese Verlagerung von den akuten zu chronischen Erkrankungen zu bewältigen, muss sich das schweizerische Gesundheitssystem radikal verändern», ergänzt Roswitha Koch.

Handlungsbedarf wie noch nie zuvor

Experten und viele Angestellte des Schweizer Gesundheitswesen waren sich bereits vor der Coronakrise einig: Es muss sich etwas ändern. Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK hat deswegen 2017 eine Initiative lanciert, deren Relevanz sich aktuell mehr denn je zeigt.

«Generell muss der Mensch im Fokus stehen, sei es als Patient oder als Arbeitnehmer. Es braucht genug und gut ausgebildetes Personal. Die Wirksamkeit der Behandlung und Pflege soll wieder vermehrt im Zentrum stehen – nicht der höchste Profit», betont Roswitha Koch.

Trotz allen offenen Baustellen und künftigen Herausforderungen ist die Arbeit im Gesundheitswesen erfüllend. Sie ist zudem mit vielen Möglichkeiten verbunden. «Der Pflegeberuf ist ein sehr schöner und herausfordernder Beruf. Man ist nahe beim Menschen und hat eine sinnvolle Arbeit», meint Roswitha Koch. Je nach Karriereplanung und Interesse hat man auch Zugang zu zahlreichen Weiterbildungen.

Während der Coronakrise hat sich gezeigt, wo die Grenzen der Auslastung sind. Jetzt muss die Schweizer Politik und die Bevölkerung aktiv werden und sich den Anliegen des Schweizer Gesundheitswesens annehmen. Nur so kann dieses über ihre Grenzen hinauswachsen und auch künftig eine stabile Gesundheitsversorgung gewährleisten.

Text Dominic Meier

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