Nina Ruge hat sich zur gefragten Expertin für Longevity entwickelt – und bereits 20 Bücher darüber veröffentlicht. Die Fernsehmoderatorin, Journalistin und Buchautorin ist der lebende Beweis, wie strahlend, jung, frisch und gesund man aussehen kann, wenn man langsam auf die 70 zugeht.
Nina Ruge, Sie haben soeben den fünften Bestseller zum Thema Longevity veröffentlicht, »Ab morgen jünger!«. Wann haben Sie selber gemerkt, dass Energie und Konzentration nachlassen und erste Beschwerden auftreten?
Mit Anfang 40. Bis dahin lebte ich in der Überzeugung, Schlaf sei etwas für Kinder und alte Leute, der passte in meinen aufregenden Alltag nicht richtig rein. So kam ich auf meine vier, fünf Stunden pro Nacht – und fühlte mich fit! Jahrelang habe ich Wechselschichten gefahren: Eine Woche Frühstücks-TV, dann eine Woche heute-journal, später dann jede Nacht die Nachrichtensendung um Mitternacht im ZDF sowie jede Menge Talkshows, Event-Moderationen … Ich war happy! Aber mein Körper irgendwann nicht mehr. Mein hervorragender Internist verschrieb mir die Mittelmeerdiät, einiges an Nahrungsergänzung und tägliche Sporteinheiten. Mehr Schlaf kriegte ich nicht hin – aber den Rest schon. Ich bin seit 25 Jahren Vegetarierin, ohne Sport fühle ich mich mies. Und heute komme ich immerhin auf sechs bis sieben Stunden Schlaf!
Wer heute 60 Jahre alt ist, fühlt sich jünger als jemand, der vor 30 Jahren 60 wurde – oder nicht?
Dank der hervorragenden medizinischen Versorgung! Das geht ja schon mit der Dentalhygiene los. Parodontose ist selten geworden, für Frauen sind Geschirrspüler und Waschmaschine der Lieferservice zum Jungbrunnen geworden. Kinderbetreuung läuft kommunal viel besser als vor 30 Jahren. Es bleibt Zeit für die persönliche Entwicklung, für Ausbildung und Job. Unabhängigkeit macht selbstbewusst – und hält jung!
Was sind die wichtigsten fünf Säulen, die man im Auge behalten sollte, um gesünder älter zu werden?
Die Basis sind natürlich die Lifestylefaktoren, die Oma auch schon gepredigt hat: »Kind, iss mehr Gemüse, geh vor Mitternacht ins Bett, runter vom Sofa, beweg dich ordentlich und reg dich nicht auf.« Die Molekularbiologie des Alterns kann uns heute bis in die Chromosomen hinein erklären, wieso Oma recht hat. Und da kommen täglich jede Menge weitere Erkenntnisse hinzu: Kältereiz (Eisbaden) – Wärmereiz (Sauna). Beides schützt uns vor Alterskrankheiten. Atemübungen, um die Atemfrequenz zu senken, Meditation für den Zugang zum inneren Raum der Kraft und der Ruhe, um die mentale Resilienz zu stärken – und da ist natürlich die Nahrungsergänzung! Ohne Gießkanne für alle, sondern möglichst individuell auf den Einzelnen abgestimmt. Doch über allem thront – aus meiner Sicht – der zentrale Steuermann: die Diagnostik. »Biomarkermessung« nennt man das in der Longevity-Medizin. Von der Smartwatch über den Blutdruckmesser am Handgelenk bis hin zu Blutanalyse und Gentest. »Messen – machen – messen« ist die Devise.
Sollte man sein Schlafverhalten anpassen?
Ich bin ein Fan des Schlaftrackens per Smartring am Zeigefinger. Der Blick am Morgen auf die Handy-App: Wie viel Tiefschlaf, wie viel REM? Und wie lange wach gelegen? Das hilft sehr, den Lebensstil auf gesunde Langlebigkeit umzubauen. Man hält sich den virtuellen Spiegel vor, der auch noch sprechen kann. »Irgendwas hat dich heute Nacht beunruhigt oder gestresst. Was könnte das gewesen sein? Schau, ob du dir heute eine kleine Pause für Regeneration einbauen kannst … Vor allem auf genug Tiefschlaf sollten wir achten, denn der ist für Regeneration und Altersprävention der entscheidende Treiber.
Wie sollten Sport, Kraft, Ausdauer, Bewegung, Dehnen, Entspannen in den Tagesablauf integriert werden?
Dafür gibt es keine Anleitung der Sorte »one fits all«. Wer »Morgentyp« ist, also »Lerche«, wird in der Früh Lust auf Sport haben. Welcher Sport? Der, der Spaß macht! In der Wandergruppe, mit Tennispartner oder allein mit der Trainings-App – das müssen alle für sich selbst herausfinden. Und dann schauen, dass genug Krafttraining dabei ist. Möglichst dreimal pro Woche 30 Minuten. Ausdauertraining per Fahrrad, Laufen oder Golf reicht halt nicht aus für eine optimale Prävention.
Sie haben bei sich festgestellt, dass Ihr über lange Jahre niedriger Blutdruck langsam ansteigt. Was tun Sie dagegen? Ab wann sollte man regelmäßig seine Halsschlagader untersuchen lassen?
Ich hatte den schleichenden Blutdruckanstieg per Smart-Armband entdeckt. Das misst den Blutdruck per LED-Licht alle zwei Stunden. Erst habe ich mein Laufpensum erhöht, dann habe ich phasenweise einen Blutdrucksenker genommen. Derzeit brauche ich keinen.
Wie kann man seinen VO2max-Wert ermitteln? Und wie erhöhen?
VO2max ist der Code der Langlebigkeit – einer der wichtigsten Parameter. Er zeigt uns an, wie viel Sauerstoff in unsere Zellkraftwerke, die Mitochondrien, gelangt – und auch verbraucht werden kann, um unsere Lebensenergie, die Kleinstbatterien ATP, zu produzieren. Per Atemmaske wird u. a. gemessen, wie viel Sauerstoff wir einatmen, bei steigender körperlicher Belastung, also etwa auf dem Trimmfahrrad, bis wir nicht mehr können und die Messung beenden. Ausgewertet wird über den Vergleich mit Gleichaltrigen. VO2max kann man langsam, aber sicher hochtrainieren. Dafür braucht es einen individuellen Trainingsplan – möglichst von einem erfahrenen Trainer.
Wie hoch sollte er mit 60 Jahren sein? Und mit 75?
Auch hier gilt: Personalisierung! Frauen haben niedrigere VO2max-Werte und mit dem Alter sinkt das Level für alle deutlich. Außerdem spielt der Gesundheitszustand natürlich eine Rolle. Man findet VO2max-Tabellen von seriösen Instituten leicht im Netz.
Was braucht der Körper mehr an (Mikro-)Nährstoffen, Proteinen, Fetten, Hormonen beim Älterwerden?
Auch das ist individuell unterschiedlich, aber es gibt durchaus allgemeingültige Anhaltspunkte. Da das Immunsystem mit den Jahren schwächer wird, ist Vitamin D in einer Dosis von 2000 i.E. plus 1 Gramm Omega 3 von guter Qualität täglich zu empfehlen – für Menschen ab 45, 50. Die große »Do-Health«-Studie hat hier überzeugende Daten für das Immunsystemboosten geliefert. Die Vitamine der B-Gruppe werden im Alter oft nicht mehr gut im Darm aufgenommen – also eventuell supplementieren. Mineralstoffe wie Zink, Selen, Magnesium sind zentrale Bausteine für wichtige Enzyme. Weil Selen nur sehr wenig in unseren Ackerböden vorkommt, haben wir auch nur sehr wenig im Gemüse. Also vielleicht schon supplementieren, wenn man jünger ist. Hin und wieder Zink zu liefern, macht beim Älterwerden sicher Sinn – und Magnesium kann die Schlafqualität verbessern.
Die Basis sind die Lifestylefaktoren, die Oma auch schon gepredigt hat.
Ein bisschen frustrierend ist es zu sehen, dass mit den Jahren das Level wichtiger körpereigener Wirkstoffe deutlich absinkt. Das heißt: Wertvolle Steuerungs- und Produktionselemente werden immer weniger in unseren Zellen. Dazu gehören Coenzym Q10, NAD+, Taurin, Kreatin, Spermidin, AKG und einiges mehr. Deshalb beginnen manche, ab 50 Jahren etwas »aufzufüllen« mit entsprechender Nahrungsergänzung. Wichtig zu wissen: Einige Moleküle wie Q10 oder NAD+ sind sehr schlecht oder gar nicht bioverfügbar. Das heißt: Die Darmwand ist für sie eine fast unüberwindliche Barriere. Sie kommen nur sehr schwer ins Blut. Deshalb macht es Sinn, Q10-Produkte zu wählen, bei denen die Bioverfügbarkeit mittels Micellierung, Liposomierung oder mittels Cyclodextrin erhöht worden ist. Und im Fall NAD+ können Vorläufermoleküle wie NR und NMN die Darmwand gut passieren – aus denen die zelluläre Stoffwechselmaschine dann NAD+ bauen kann. Doch Achtung: Gesichert ist die Wirksamkeit solcher »Vorläufer-Moleküle« noch nicht!
Und nicht zuletzt: Wie wichtig sind Glück und Liebe, um gut älter zu werden?
Einige Studien liefern Hinweise auf Glücklichsein und Liebe als sprudelnde Jungbrunnen-Elixiere. Und ich frage mich: Brauchen wir Studien für diese Erkenntnis?
Headerbild © Axel Springer
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