Interview von Aaliyah Daidi

Thomas Bucheli: «Loslassen ist manchmal die grösste Herausforderung»

Der Meteorologe schaut im Interview zurück auf sein Leben und wagt einen Ausblick auf eine neue Lebensphase im Ruhestand.

Seit vielen Jahren prägt er die Wetterberichte der Schweiz – und mit ihnen auch so manchen Alltag. Im Interview spricht der SRF-Meteorologe und Redaktionsleiter Thomas Bucheli (64) über die bevorstehende Pensionierung, die kleinen Niederlagen bei Fehlprognosen und warum Loslassen manchmal die grösste Herausforderung ist.

Herr Bucheli, Sie deuten und erklären das Wetter seit Jahrzehnten – wenn Sie Ihr eigenes Leben beschreiben müssten: War es bisher sonnig, wechselhaft oder doch eher stürmisch?

Ich würde sagen, grundsätzlich sonnig. Natürlich gab es – wie beim Wetter – auch wechselhafte Phasen. Aber wenn ich zurückblicke, sehe ich vor allem die sonnigen Seiten meines Lebens.

Apropos sonnig – Sie bringen das Wetter ins Wohnzimmer der Schweizerinnen und Schweizer. Was fasziniert Sie nach all den Jahren noch immer an diesem Thema?

Mein Beruf ist extrem vielseitig. Einerseits bin ich leidenschaftlicher Meteorologe, der Prognosen erstellt, andererseits darf ich diese Prognosen auch selbst ans Publikum vermitteln. Dass ich die gesamte Wertschöpfungskette begleiten kann – von der Analyse bis zur Moderation – finde ich sensationell! Zudem sind wir nicht nur Meteorolog:innen, sondern auch Produzent:innen, Redakteur:innen und Moderator:innen. Als Redaktionsleiter habe ich zusätzlich die Aufgabe, das Team zu führen, Budgets zu verantworten und neue Visionen zu entwickeln. Dieses Gesamtpaket macht meinen Job einzigartig.

Thomas Bucheli im SRF-Studio

Angesichts der Vielseitigkeit – von der Analyse über die Prognosen bis hin zur Moderation – bleibt das Wetter ein ewiges Gesprächsthema. Trifft es Sie trotzdem, wenn eine Prognose mal nicht stimmt?

Natürlich trifft es mich. Vor allem dann, wenn ich davon überzeugt war, dass es so kommt, wie ich es berechnet hatte. Manchmal führen die Modelle einen in die falsche Richtung – dann kann ich das besser einordnen. Aber wenn ich merke, dass ich vielleicht zu wenig genau analysiert habe, nervt das. Oft gibt es mehrere Szenarien und ich entscheide mich für das wahrscheinlichste. Sind die Unsicherheiten gross, erwähne ich das auch. Aber wenn ich eine Prognose mit voller Überzeugung abgebe und sie liegt völlig daneben, trifft es mich noch heute genauso wie früher.

Heute weiss ich, dass es wichtig und auch notwendig ist, manchmal einen Schritt zurückzutreten. Ruhe zuzulassen, ist kein Verlust, sondern eine Stärke. – Thomas Bucheli, SRF-Meteorologe und Redaktionsleiter

Sie haben einmal gesagt, dass Sie unbedingt noch in die Antarktis reisen möchten. Wurde der Traum schon erfüllt?

(lacht) Ich war sogar schon etwa zehn Mal dort! Neben meiner Arbeit bin ich als Meteorologe auch für ein Reiseunternehmen auf Expeditionen unterwegs. Als Kind hätte ich mir das nie vorstellen können. Ich durfte Spitzbergen bereisen, den Amazonas – unglaubliche Erlebnisse! Mit 40 bekam ich das erste Angebot, habe es aber zunächst abgelehnt. Zum Glück habe ich es später doch gemacht! Und auch nach der Pensionierung werde ich sicher weiter solche Reisen begleiten.

Mit 50+ sagen viele, man komme in eine neue Lebensphase. Wie haben Sie persönlich diesen Übergang erlebt?

Mit 50+ hatte ich ehrlich gesagt nie wirklich Probleme. Im Gegenteil – ich spürte noch immer diesen unglaublichen Drive, beruflich eröffneten sich mir viele Möglichkeiten. Doch nun, wo die Pensionierung näher rückt, beginnt tatsächlich eine neue Lebensphase. Und da frage ich mich schon, wie ich diesen Übergang am besten gestalten soll.

Und wie fühlen Sie sich dabei?

Es gibt da zwei Ebenen: die rationale, auf der ich versuche, den Abschied nüchtern einzuordnen – und die emotionale, die mich stärker fordert. Denn klar ist: Ich muss etwas loslassen, das ich geliebt habe und das ein riesiger Teil meines Lebens geworden ist. Als kleiner Junge hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal diesen Weg gehen würde. Nun ist es schwer, ihn bewusst zu beenden. Und doch weiss ich, es ist richtig, den Jüngeren Platz zu machen, ihnen die Chance zu geben, eigene Wege zu gehen. Ich spüre, dass sich die Zeiten verändern – und dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, einen Schritt zurückzutreten. Ganz verabschieden werde ich mich aber nicht. Durch meine Reisen und Vorträge bleibt mir meine Leidenschaft erhalten und das macht den Abschied ein kleines bisschen leichter.

Thomas Bucheli Backstage

Was bedeutet «älter werden» für Sie – mehr Gelassenheit, neue Chancen oder eher Herausforderungen?

Idealerweise Gelassenheit. Aber es bringt auch Herausforderungen mit sich. Ich bin eine Nachteule und neige dazu, in die Nacht hineinzuleben, schon als ich ein kleiner Bube war. Mit dem Älterwerden muss ich stärker auf Rituale und Strukturen achten – auch im Sinne meiner Familie. Gleichzeitig eröffnen sich Chancen. Endlich wieder Zeit für Dinge, die früher zu kurz kamen.

Sie sagten, gleichzeitig eröffnen sich neue Chancen – wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie 2015 Ihre neue Lebenspartnerin gefunden haben?

Natürlich sehr positiv! Meine Frau Katrin hat ein eigenes Unternehmen aufgebaut, sie ist unglaublich engagiert und energiegeladen – eine richtige Powerfrau und das tut mir gut. Aus meiner ersten Ehe habe ich einen Sohn, er ist heute schon 28 Jahre alt. Durch Katrin kam auch ihre Tochter dazu, die damals vier war. Heute ist sie eine junge Frau – ihre Entwicklung miterleben zu dürfen, ist ein Geschenk.

Welche Dinge sehen Sie heute ganz anders als mit 30 oder 40?

Als ich zwischen 30 und 40 war, dachte ich: Gelassenheit ist gleichbedeutend mit Stillstand. Ich war immer sehr engagiert, wollte überall dabei sein. Heute weiss ich, dass es wichtig und auch notwendig ist, manchmal einen Schritt zurückzutreten. Ruhe zuzulassen, ist kein Verlust, sondern eine Stärke.

Sie sprechen davon, bewusst einen Schritt zurückzutreten und Ruhe zuzulassen – welche Rolle spielen Gesundheit und Balance dabei in Ihrem Alltag?

Ich bin ein kleiner Chaot und wenig strukturiert – da hilft mir meine Frau sehr (lacht). Sie ist organisierter und erinnert mich daran, Termine klar zu kommunizieren. Das habe ich lernen müssen: Nicht alles, was in meinem Kopf klar ist, ist automatisch für andere nachvollziehbar. Diese Entwicklung war wichtig und richtig.

Was würden Sie Menschen raten, die mit 50+ noch einmal etwas Neues wagen wollen – sei es privat oder beruflich?

Grundsätzlich möchte ich sagen, dass alle noch gewisse Träume haben oder Hobbys, die sie vielleicht mit den Jahren vernachlässigt haben. Man sollte an frühere Leidenschaften anknüpfen. Ich habe schon im Studium Naturwissenschaften geliebt – das begleitet mich bis heute. Gleichzeitig reizt es mich, wieder stärker in Kultur und Kunst einzutauchen. Wer Neues wagt, kann oft auf Altem aufbauen – das macht den Schritt einfacher.

Und zu guter Letzt: Wenn Sie an die kommenden Jahre denken: Worauf freuen Sie sich am meisten – ganz unabhängig vom Wetterbericht?

Darauf, unabhängig zu sein. Unsere Tochter schliesst bald die Schule ab, wir sind nicht mehr an Ferienpläne gebunden. Meine Frau und ich können spontan verreisen, Auszeiten nehmen, wann immer wir wollen – unabhängig von Arbeitszeiten, vom starren Rhythmus und den Schulferien. Ich möchte die gewonnene Zeit bewusst in unsere Partnerschaft investieren.


Bilder SRF

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15.11.2025
von Aaliyah Daidi
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