Obwohl Lily Collins in «Mirror, Mirror» das Schneewittchen spielt und als «Emily in Paris» eine Art Mode-Prinzessin verkörpert, war ihr Leben nicht immer wie ein Märchen. In schwierigen Zeiten gab ihr ihre Mutter Halt – ein Vorbild, an dem sich die Schauspielerin jetzt orientiert, da ihr erstes Baby den Weg via Leihmutter zu ihr gefunden hat.
Im Januar haben Lily Collins und ihr Mann, der Filmemacher Charlie McDowell, auf Instagram bekannt gegeben, dass sie Eltern geworden sind und Tochter Tove Jane via Leihmutter «im Zentrum unserer Welt» angekommen ist. «Du hast meine Welt mehr vergrössert, meinen Horizont mehr erweitert und mein Lachen mehr verbreitert, als ich es je für möglich gehalten hätte», schreibt Collins anlässlich ihres ersten Muttertags ein paar Monate später. «Und das ist erst der Anfang. Nichts macht mich dankbarer und geehrter, als deine Mami zu sein …»
Leihmutterschaft ist in der Schweiz verboten und Lily Collins erntete dafür Kritik, aber davon später mehr. Mutter zu werden, war für die 36-Jährige immer ein Traum. «Ich möchte einmal Mutter werden, 100-prozentig», sagte sie bereits 2017 im Interview zum Film «To the Bone» bestimmt. «Ich wäre dann gerne so eine Mutter wie meine. Sie ist wie meine beste Freundin, immer bereit, ein offenes Gespräch über alles Mögliche zu führen. Sie hatte nie Angst, mich allerlei Erfahrungen machen zu lassen. Wir bereisten die Welt zusammen. Ich hoffe, ich kann eines Tages auch die Art von Vertrauter sein, wie meine Mutter es für mich ist.»
Lily Collins’ Mutter ist die ehemalige Lehrerin Jill Tavelman aus Los Angeles, die 1984 den britischen Sänger und Drummer der Band Genesis, Phil Collins, heiratete. 1989 kam ihr einziges gemeinsames Kind Lily in Grossbritannien zur Welt. Die Eltern trennten sich, als das Mädchen fünf Jahre alt war. In ihrer Autobiografie «Lily Collins Unfiltered: No Shame, No Regrets, Just Me» bedauert sie, dass sie als Kind ihren Vater oft missen musste: «Weil er oft weg war, wollte ich nichts tun, damit er noch länger wegbleiben würde», schreibt sie.
«Ich war sehr vorsichtig, was ich wie sagte, damit er nicht dachte, ich sei wütend oder liebte ihn nicht. Die Wahrheit ist: Ich war wütend. Ich vermisste ihn und wollte, dass er zu Hause war.» Inzwischen hat sie die Beziehung aufgearbeitet. Im Buch zitiert sie einen Brief an ihren Vater, in dem sie ihm für seine Fehler und seine Abwesenheit vergibt.
Es gab aber auch schöne Erinnerungen an die Zeit am Genfersee, die sie bei ihrem Vater in den Ferien oder an Weihnachten verbrachte: «Es war ein zweites Zuhause. Da hatte ich meine Bäckereien und meine geheimen Plätze. Und da habe ich Wasserskifahren gelernt!», blickt sie bei unserem Interview anlässlich ihrer ersten Hauptrolle im Schneewittchen-Film «Mirror, Mirror» zurück. Nachdem sich die Eltern trennten, zog Lily Collins mit ihrer Mutter nach Los Angeles. Als Primarschülerin tat sie sich mit dem neuen Umfeld schwer: «Ich hatte einen Akzent und war einfach anders als die Mädchen dort. Girls können manchmal sehr gemein zueinander sein. Ich habe das jedenfalls so erlebt.» Es sei wichtig, zu wissen, wie man Mobbing konfrontiert und wie man für sich einsteht. «Deshalb habe ich angefangen, mit Kindern darüber zu reden, denn Mobbing ist nicht eine Frage des Alters und man ist nie zu jung, für sich selbst einzustehen.» Doch bevor sie zu dieser Erkenntnis kam, drehte sich die Spirale für sie zuerst weiter abwärts. Der Druck, perfekt zu sein, trieb sie gar zur Magersucht.
«Es ist wichtig, dass man über Unsicherheiten spricht»
Lily Collins fand Zuflucht in der Schauspielerei. Bereits als Zweijährige hatte sie ihren ersten Auftritt in der britischen Sitcom «Growing Pains» und mit zehn Jahren landete sie ihren ersten Hollywood-Part: als Tochter von Sandra Bullock im Sport-Drama «The Blind Side». Nebenbei betätigte sie sich auch als Journalistin und schrieb Artikel für Teen Vogue und Elle Girls. Für den Kindersender Nickelodeon deckte sie von Mode bis zur Präsidenten-Inauguration alles ab. Schliesslich bekam sie auch ihre Essstörungen in den Griff und schrieb sich auch diese Erfahrungen 2017 im bereits erwähnten Buch von der Seele: «Ich bekam viele Nachrichten von jungen Mädchen auf Social Media, die mir von ihren Sorgen schrieben und immer den Satz einbauten, ich sei ja eine Schauspielerin mit einem Schauspielerinnen-Look, ich könnte ihre Unsicherheiten ja sicher nicht nachvollziehen. Damit lagen sie total falsch! Deshalb schrieb ich mein Buch: um alles offen zu legen, was ich durchgemacht hatte und dass das keine Schande ist.» Unsicherheiten hätten wir ja alle, egal wie alt wir sind oder welchem Geschlecht wir uns zuordnen, davon ist Lily Collins überzeugt: «Ich war verunsichert wegen meiner Augenbrauen, meines Akzents, wegen meiner elfenbeinweissen Haut, die für Los Angeles nicht gebräunt genug war. Es ist wichtig, dass man darüber spricht. Es nimmt den Stress, wenn man weiss, dass man nicht allein ist.»
Als sie dabei war, das Buchkapitel über diese Zeit in ihrem Leben zu schreiben, bekam sie das Rollenangebot für den Netflix-Film «To the Bone» über eine magersüchtige junge Frau. Sie nahm es als ein Zeichen: «Ich wollte der 16-Jährigen, die ich war, Tribut zollen, indem ich sie emotional nochmals besuchte.» Collins nahm auch ab für die Rolle – aber alles unter der Aufsicht eines Ernährungsberaters, ihrer Mutter und den Filmverantwortlichen.
Parallel dazu machte sich der aufstrebende Star einen Namen in Kostümdramen über das Goldene Zeitalter von Hollywood: In der Serie «The Last Tycoon» spielte sie beispielsweise die Tochter eines Studio-Bosses in den dreissiger Jahren, in Warren Beattys «Rules Don’t Apply» eine ambitionierte Schauspielerin und Protégé von Howard Hughes und in «Mank» die Sekretärin des alkoholkranken Drehbuchautors des Filmklassikers «Citizen Kane». Schauspielkollege Matt Bomer verglich ihre Eleganz und Grazie treffend mit jener der Leinwandgöttinnen Audrey Hepburn und der jungen Elizabeth Taylor.
«Emily in Paris» als Geschenk zum 30. Geburtstag
Zum internationalen Star wurde Lily Collins aber erst richtig mit «Emily in Paris», der leichtfüssigen Netflixserie von Darren Starr («Sex and the City») über eine junge amerikanische Werbeassistentin, die bei einer Agentur in Paris viel über Selbstständigkeit – und natürlich «l’Amour» lernt. «Es war an meinem 30. Geburtstag, als Darren mich anrief und mir mitteilte, ich hätte die Rolle», so Collins während unseres Besuchs bei den Dreharbeiten zur ersten Staffel in Paris. «Ich dachte zuerst, es sei ein Witz.» Aber sie passt perfekt als die stets positiv gestimmte Aussenseiterin. Emily sei vielleicht typisch amerikanisch euphorischer, als ihre Arbeitskolleg:innen in Paris sich das gewohnt sind, aber letztlich habe man sie gern um sich herum, findet Collins. «Sie inspiriert andere, sich zu verbessern und mehr an sich zu glauben. Ich bin um solche Leute herum aufgewachsen und dafür bin ich sehr dankbar.» Mit Französisch hat Lily Collins weniger Mühe als Emily: «Als ich jünger war, träumte ich sogar auf Französisch. Meine kleinen Brüder waren ja Schweizer und so sprach ich oft französisch», erinnert sie sich an die Zeit, als ihr Vater mit der Waadtländerin Orianne Cevey verheiratet war.
Deshalb habe ich angefangen, mit Kindern darüber zu reden, denn Mobbing ist nicht eine Frage des Alters und man ist nie zu jung, für sich selbst einzustehen. – Lily Collins, Schauspielerin
Paris kennt Lily Collins als Produzentin der Serie inzwischen gut. Das war aber nicht immer so: «Ich nahm einmal den Zug von London nach Paris, um mich mit den Leuten von Lancôme zu treffen», so die Markenbotschafterin. Sie gab dem Taxifahrer die Adresse zum Hauptsitz, aber er führte sie irrtümlicherweise zu einem Geschäft. «Ich kam 30 Minuten zu spät zum Meeting und dachte, dass ich die Zusammenarbeit nun vergessen könne. Wir witzelten darüber, dass eine Amerikanerin in Paris verloren ging – es war ein typischer ‹Emily in Paris›-Moment.»
Kein Interesse an einer Leihmutterdebatte
Ihre Hauptresidenz bleibt aber Los Angeles. Über ihr Privatleben hat Lily Collins nie viel gesprochen. Mit ihrem Mann Charlie McDowell verbindet sie aber jedenfalls einiges: Als Regisseur und Schauspielerin haben sie 2022 das Psychodrama «Windfall» zusammen gedreht. Zudem sind beide britisch-amerikanische Doppelbürger und wissen, was es bedeutet, im Rampenlicht aufzuwachsen. Die inzwischen geschiedenen Eltern von Charlie sind nämlich die bekannten Schauspieler Mary Steenburgen («What’s Eating Gilbert Grape») und Malcolm McDowell («A Clockwork Orange»). Vor vier Jahren haben Lily und Charlie in einem historischen Resort in den Bergen von Colorado geheiratet. Als die beiden ihre Elternschaft im Januar verkündeten, war in den Kommentaren auch Kritik am Leihmuttertrend zu lesen, bei dem «reiche Leute Frauenkörper mieten und ausnutzen».
Lily Collins selbst äusserte sich dazu bisher nicht, aber ihr Mann kommentierte: «Was die unnetten Messages über Leihmutterschaft und unseren Weg zu einem Baby betrifft: Es ist okay, kein Experte zu diesem Thema zu sein. Es ist okay, nicht zu wissen, wieso jemand eine Leihmutter braucht, um ein Kind zu bekommen. Es ist okay, die Motivation einer Leihmutter nicht zu kennen, egal was man vermutet. Und es ist auch okay, weniger Hass in der Welt zu verbreiten – insbesondere wegen eines Babys, das viel Liebe ins Leben gebracht hat.»
Lily Collins hat gelernt, sich von solch negativen Kommentaren abzugrenzen, und mit Charlie hat sie offensichtlich jemanden gefunden, der für sie in die Bresche springt. Zu seinem ersten Vatertag lobte sie ihn auf Instagram mit einem liebevollen Post, in dem es unter anderem hiess: «Du bist ganz klar ein geborener Vater. Und du bezauberst mich jeden Tag mit den unzählbaren verschiedenen Weisen, wie du [Tove] beschützt, umsorgst, sie zum Lachen bringst und sie anbetest … Was würden wir ohne dich nur machen?»
Bilder ©HFPA
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