Yannick Blättler ist Inhaber und Geschäftsführer der Marketing- und Beratungsfirma Neoviso AG – und mittendrin in der Gen Z. Im Interview spricht er über Purpose und Performance, über Mythen und Missverständnisse und darüber, was Unternehmen heute tun müssen, um für eine neue Generation attraktiv zu bleiben.
Yannick Blättler, du arbeitest tagtäglich mit und für die Gen Z. Was beschäftigt junge Menschen aktuell am meisten, wenn sie an ihre berufliche Zukunft denken?
Viele stellen sich die Frage: Mache ich das Richtige? Unsere DACH-Studie 2023 hat gezeigt: 39 Prozent der Gen Z machen sich Sorgen um ihre Karriere und Weiterentwicklung. Der Druck, sich ständig zu vergleichen – ob auf Social Media oder im Kolleg:innenkreis – ist enorm. Und die Fragen nach Wertschätzung, Entwicklung und Teamkultur stehen viel häufiger im Zentrum als früher.
Und was sind typische Mythen über die Gen Z, die du immer wieder hörst – und die dich nerven?
Der Klassiker: «Die Jungen sind faul.» Das ist schlicht falsch. Junge Menschen geben alles, wenn sie merken, dass ihre Arbeit Sinn ergibt und wertgeschätzt wird. Sie sind nicht weniger leistungsbereit, sondern leistungsbewusster. Auch das Klischee, alle wollten nur 80 Prozent arbeiten, ist überzogen. Flexibilität ist ein echtes Bedürfnis – aber nicht exklusiv für die Gen Z. Und nein, nicht alle wollen Influencer:in oder YouTuber:in werden.
Was erwartet denn aber nun die Gen Z heute konkret von Arbeitgeber:innen?
Der Lohn ist nicht das wichtigste Kriterium für die Wahl eines Arbeitgebers. Aber er bleibt wichtig. Es sollte aber mittlerweile ja auch allen klar sein, dass in einem kompetitiven Umfeld auch kompetitive Löhne bezahlt werden müssen. Viel wichtiger aber als die Höhe des Lohns ist der Fakt, dass er fair sein muss. Zudem möchte die Gen Z kürzere Zielvereinbarungen, klare Kommunikation und echte Flexibilität. Eine starke Team- oder Unternehmensvision ist entscheidend. Ausserdem: schnelle Weiterentwicklung. Viele Junge kommen mit einem Zeithorizont von ein bis drei Jahren in den Job. Und sie erwarten, in dieser Zeit ernst genommen und gefördert zu werden.
Und wo kippt der «Purpose» vom echten Wert zur leeren Marketing-Floskel?
Purpose ist dann relevant, wenn er gelebt wird – nicht nur in Hochglanzanzeigen. Für mich besteht sinnvolle Arbeit aus drei Dingen: Erstens, welchen gesellschaftlichen Beitrag ein Unternehmen leistet. Zweitens, wie das Team darin eingebunden ist. Und drittens, welchen konkreten Impact ich persönlich habe.
Ist der Begriff «Karriere» für die Gen Z überhaupt noch relevant?
Absolut – aber er wird anders definiert. Karriere bedeutet nicht mehr automatisch Führung und Status, sondern Sinn, Wirkung und Selbstverwirklichung. Für manche ist es der steile Aufstieg, für andere ein erfüllender Job ohne Personalverantwortung. Hauptsache: Entwicklung.
Und Erfolg – wird der noch individuell gemessen oder immer kollektiver gedacht?
Noch überwiegt das individuelle Denken. Kollektive Ansätze wie beim Klimaaktivismus gewinnen zwar an Bedeutung, aber dafür braucht es Vorbilder. Gerade in der Schweiz leben wir oft in einer privilegierten Bubble – wir sollten wieder stärker gesellschaftlich denken und handeln.
Was brauchen Unternehmen heute, um die Gen Z wirklich zu erreichen?
Führung muss psychologische Sicherheit schaffen. Junge Talente wollen wissen, dass sie Fragen stellen dürfen, Fehler machen können. Onboarding-Formate müssen individuell, schnell und dialogisch sein. Mentorship – auch Peer-to-Peer – ist ein Riesenthema. Aber bitte nicht als Marketing-Gag. Führt es intern ein, lebt es ein Jahr – und dann könnt ihr darüber reden.
Welche Unternehmen machen es heute schon richtig?
Die, die echte Vorbilder haben. Menschen, die Verantwortung übernehmen, eine Extrameile gehen und andere mitziehen. Es geht nicht nur um Kultur – es geht um Menschen, die diese Kultur leben.
Was macht gutes Employer-Branding aus – jenseits der Buzzwords?
Erstens: weniger Benefits, mehr Haltung. Erzählt, wer ihr seid und wofür ihr steht. Zweitens: Lasst eure Mitarbeitenden sprechen – ehrlich, ungeschönt, nicht nur als PR-Massnahme. Drittens: kein Diversity-Washing! Wenn ihr eine diverse Belegschaft habt, zeigt sie. Aber inszeniert sie nicht nur für die Kamera.
Und die No-Gos?
Employer-Branding mit AI-generierten Menschen – bitte nicht! Oder LinkedIn-Posts à la «Wir machen jetzt Reverse Mentoring». Machts einfach – und lasst andere darüber sprechen. Die Gen Z erkennt sofort, ob etwas authentisch ist oder nicht.
Was rätst du der Gen Z, wenn es um Bewerbung und den ersten Job geht?
Der Arbeitsmarkt war selten so offen wie heute. Nutzt das. Geht mit ehrlichem Interesse in Gespräche. Stellt Fragen. Zeigt, dass ihr lernen und leisten wollt. Ein Bewerbungsgespräch ist kein Verhör – sondern ein Aushandeln. Mutig, aber respektvoll.
Wie erkennt man den richtigen Arbeitgeber?
Schau dir an, wie kommuniziert wird – auf Social Media, in Gesprächen. Fühlt es sich stimmig an? Gibt es Raum für Entwicklung, für Feedback, für echte Beziehungen im Team? Dann bist du wahrscheinlich richtig.
Wie verändert die Gen Z langfristig den Arbeitsmarkt?
Sie bringt Dynamik rein. Das Ideal vom «Job fürs Leben» ist vorbei. Heute heisst Retention: Gib jungen Menschen einen guten Grund, zwei Jahre zu bleiben – dann bleiben sie vielleicht zehn.
Was wünschst du dir von der Arbeitswelt von morgen?
Ein Champions-Mindset – über alle Generationen hinweg. Weniger jammern, mehr gestalten. Uns geht es in der Schweiz sehr gut – aber wir dürfen uns nicht auf dem Status quo ausruhen. Wir sollten Chancen erkennen, statt nur Probleme zu diskutieren. Und: Mentale Gesundheit ist kein Trend. Sie ist eine zentrale Zukunftsaufgabe.
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