Volle Autobatterie, leere Nerven: Wer in Deutschland mit dem E-Auto unterwegs ist, erlebt oft ein Wechselbad der Gefühle zwischen innovativer Technik und fehlendem Stromanschluss. Trotz rasant steigender Zulassungszahlen bei Elektrofahrzeugen hinkt der Ausbau der Ladeinfrastruktur in vielen Regionen hinterher. Warum an manchen Orten Ladehubs boomen – und anderswo Funkstille herrscht – zeigt ein genauer Blick auf Deutschlands Ladelandschaft.
Wachstum mit Tempo
Die Zahl öffentlich zugänglicher Ladepunkte ist im letzten Jahr deutlich gestiegen. Stand Juni 2025 zählt Deutschland etwa 169 000 Ladepunkte – ein Plus von rund 20 Prozent gegenüber 2024. Davon sind etwa 129 000 Normalladepunkte mit bis zu 20 kW Leistung und 39 000 Schnellladepunkte, viele davon sogenannte HPC-Lader (»High Power Charging«) bis zu 400 kW.
Besonders stark ist der Ausbau in den wirtschaftsstarken Bundesländern Bayern, NRW und Baden-Württemberg. In Bayern allein gibt es über 7000 Schnellladepunkte – ein Spitzenwert. Auch die durchschnittliche Ladeleistung steigt: Öffentliche Ladepunkte liefern inzwischen im Schnitt über 39 kW.
Ladewüste oder Vorreiter?
Während Metropolen wie München, Hamburg und Berlin mit dichter Ladeabdeckung glänzen, kämpfen viele ländliche Kommunen weiter mit Ladewüsten. Rund ein Drittel aller deutschen Gemeinden hat keinen einzigen Schnellladepunkt – ein Hemmnis für die Elektromobilität außerhalb urbaner Zentren.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Geringere Fahrzeugdichte, wirtschaftlich unattraktive Standorte und unzureichende Netzkapazitäten bremsen die Investitionen. Auch fehlende Genehmigungen und bürokratische Hürden spielen eine Rolle.
Was die Politik verspricht
Mit dem »Masterplan Ladeinfrastruktur II« will die Bundesregierung gegensteuern. Das Ziel: eine Million öffentliche Ladepunkte bis 2030, darunter mindestens 100 000 Schnellladepunkte bis Ende 2025. Förderprogramme wie das »Deutschlandnetz« sollen gezielt Ladehubs an Autobahnen und Bundesstraßen schaffen, um Lücken zu schließen.
Auch gesetzlich tut sich etwas: Seit 2024 verpflichtet das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) Eigentümer:innen von Neubauten und gewerblichen Immobilien zum Vorhalten von Ladeinfrastruktur. Ab 2028 müssen zudem alle größeren Tankstellen Schnellladepunkte mit mindestens 150 kW anbieten.
Strom da, aber kein Anschluss? Technische Engpässe
Eine der größten Hürden beim Aufbau: der Netzanschluss. Viele Ladepunkte stehen bereits, können aber mangels Anschlussleistung oder Verzögerungen beim Netzausbau nicht in Betrieb gehen. Besonders in Innenstädten und Altbaugebieten fehlt es an verfügbaren Kapazitäten.
Abhilfe schaffen sogenannte intelligente Ladesysteme, die den Stromverbrauch dynamisch steuern. Sie steuern den Ladevorgang so, dass Fahrzeuge vor allem dann geladen werden, wenn das Stromnetz wenig beansprucht ist – ein Beitrag zur Netzstabilität und Ressourcenschonung.
Lohnt sich das Geschäft mit Strom?
Trotz Förderung bleibt der Betrieb von Ladepunkten eine betriebswirtschaftliche Herausforderung. Der Aufbau eines Schnellladepunkts kostet zwischen 100 000 und 200 000 Euro. Viele Anbieter verzeichnen Auslastungsquoten unter zehn Prozent – besonders in dünn besiedelten Regionen.
Marktforscher rechnen daher mit einer Konsolidierung: Kleine Betreiber werden vom Markt gedrängt, große dominieren zunehmend das Geschäft. Einheitliche Roamingtarife, transparente Preismodelle und Mindestverfügbarkeiten sollen den Wettbewerb regulieren und die Nutzerfreundlichkeit erhöhen.
Innovationen am Horizont
Technologisch entwickelt sich die Branche rasant weiter. Neben Ladegeschwindigkeiten von über 400 kW rückt bidirektionales Laden (Vehicle-to-Grid) zunehmend in den Fokus. Dabei wird das E-Auto zum Speicher im Stromnetz und kann Energie ins Netz zurückspeisen – eine vielversprechende Lösung zur Netzstabilisierung in Zeiten volatiler erneuerbarer Energien.
Auch für den Schwerlastverkehr entstehen spezielle Ladelösungen: Elektrische Lkw sollen an Megawatt-Ladepunkten mit 1000 kW in unter 30 Minuten geladen werden.
Noch kein flächendeckender Durchbruch
Die Bilanz ist noch gemischt: Deutschland hat beim Ausbau der Ladeinfrastruktur in den letzten Jahren aufgeholt, hinkt aber regional, technisch und wirtschaftlich noch hinterher. Zwar wächst die Anzahl der Ladepunkte – doch ohne leistungsfähige Netzanbindung, marktwirtschaftlich tragfähige Modelle und gezielte Förderung für den ländlichen Raum bleibt der Durchbruch aus.
Um die Mobilitätswende erfolgreich zu gestalten, braucht es allerdings mehr als nur Ladepunkte. Es braucht Verlässlichkeit, Schnelligkeit, Intelligenz – und den politischen Willen, Hindernisse konsequent abzubauen.
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