Interview von SMA

Sergio Solero: «Mit Ideologie allein kommen wir nicht ans Ziel»

Der «BMW Schweiz»-CEO über Höhen, Hürden und warum die Zukunft der Mobilität mehr als nur Elektro ist.

Seit etwas mehr als einem Jahr lenkt Sergio Solero die Geschicke der BMW (Schweiz) AG. Im Interview spricht der CEO über den Mini Cooper seiner Nonna, beleuchtet die Herausforderungen einer Branche im Wandel und verrät, warum die Zukunft der Mobilität in mehr als nur einer einzigen Technologie liegt.

Herr Solero, was waren die persönlichen Höhepunkte Ihres ersten CEO-Jahrs?

Ein klares Highlight stellte für mich das Team hier in der Schweiz dar: Die Mitarbeitenden sind unglaublich motiviert und viele sind schon lange im Unternehmen tätig. Apropos lange Zeit: Dieses Jahr dürfen wir das 50-Jahr-Jubiläum der BMW Group Switzerland feiern! Das ist mein zweites Highlight. Ein weiterer Höhepunkt war zweifellos das Kennenlernen unserer Partner und Händler sowie das Erleben der 26 Kantone der Schweiz – mit all ihren spannenden Eigenheiten und Kulturen. Und das finale Highlight stellte die Erkenntnis darüber dar, wie gut BMW und Mini hierzulande etabliert sind.

BMW Schweiz CEO Sergio Solero

Sicherlich gab es im ersten Amtsjahr auch Herausforderungen.

Die gab und gibt es, doch sie sind übergreifend und betreffen unsere gesamte Branche. Ich bin ein grosser Fan der Elektromobilität. Aber letztendlich muss der Zugang zu Lademöglichkeiten für die Kundinnen und Kunden bequem und zuverlässig sein, ansonsten werden sie nicht auf diese Technologie umsteigen. Dies ist eine grosse Herausforderung, die nur gemeinsam mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gelöst werden kann, nicht im Alleingang. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass der Schweizer Automarkt derzeit unter Druck steht. Zusätzlich kommt die Unsicherheit der Leute hinzu, die sich berechtigterweise fragen: Soll ich jetzt kaufen – oder doch lieber auf neue Technologien warten? Ein Indiz dafür ist, dass der Fahrzeugbestand in der Schweiz immer älter wird. Dennoch zeigt sich die BMW Group in der Schweiz sehr resilient und sichert sich den ersten Platz im Gesamtmarkt.

Sie sind seit 28 Jahren in der BMW-Gruppe tätig. Was war der Moment, der bei Ihnen das Feuer für die Marke entfachte?

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich vor meiner Zeit bei BMW kein riesiger Auto-Enthusiast war. Es war vielmehr Zufall, dass ich zu diesem Unternehmen stiess. Tatsächlich gehörte mein Herz eher der Marke Mini, da meine geliebte Nonna Nella einen solchen fuhr. Sie war eine ganz besondere Frau und ich erinnere mich gut daran, wie ich im Alter von rund 16 Jahren mit meinem Cousin heimlich die Schlüssel des Minis stibitzte und darin meine ersten Fahrversuche unternahm (lacht). Darum habe ich eine besondere Beziehung zu diesen kleinen Fahrzeugen. Aber natürlich habe ich im Laufe meiner Zeit im Unternehmen auch die Marke BMW schätzen und lieben gelernt, und die Tatsache, dass ich schon so lange im Unternehmen tätig bin, spricht Bände.

Sie haben erwähnt, dass BMW in der Schweiz gut aufgestellt ist. Was verbinden Schweizerinnen und Schweizer mit der Marke?

Die hiesige Kundschaft verlangt nach Präzision, hochwertiger Ingenieurs- und Handwerkskunst sowie Exklusivität. Daher haben wir hier einen recht hohen Anteil an Kunden, die unsere M-Modelle kaufen oder individuelle Ausstattungsmerkmale wünschen. Das war schon immer Teil unserer DNA, denn wir sind letztendlich ein Technologie- und Ingenieurunternehmen. Das ist auch einer der Hauptgründe dafür, dass wir in der Schweiz so gut etabliert sind. Wir haben hier gar den weltweit höchsten Anteil an M-Fahrzeugen!

Es gibt einen ganzen Strauss an Lösungen, die sofort eingesetzt werden könnten, aber sie erfordern stabile und klare politische Rahmenbedingungen, die lösungsorientiert sind. – Sergio Solero, CEO BMW Schweiz

Gleichzeitig übertreffen wir aber auch den Markt mit unseren Plug-in-Hybriden und E-Autos: 35 Prozent der in der Schweiz verkauften BMW- und Mini-Fahrzeuge sind elektrifiziert.

Also dürfte die Zukunft von BMW elektrisch sein?

Das greift zu kurz. Ja, wir wollen die Elektromobilität vorantreiben und sie stellt in der Tat die Zukunft der Mobilität dar. Doch sie ist nicht der einzige Weg, um den CO2-Fussabdruck der Mobilität kurz- und mittelfristig zu verringern. Eine interessante Möglichkeit dafür bietet etwa die Nutzung von alternativen Treibstoffen wie z. B. Kraftstoffen, die aus recycelten Abfallstoffen wie Pflanzenöl hergestellt werden. Diese haben den Vorteil, dass sie den CO2-Ausstoss des bestehenden Fahrzeugparks, der noch zu einem Grossteil aus Verbrennern besteht, schon heute statt morgen reduzieren können. Das erscheint mir sinnvoller, als darauf zu warten, bis der gesamte Fahrzeugbestand auf Elektroautos umgestellt wurde. Über derartige Alternativen oder Zwischenschritte sollten wir meiner Meinung nach öfter sprechen.

BMW wurde in der Vergangenheit vorgeworfen, die Elektrifizierung nicht ausreichend voranzutreiben.

Diese Stimmen haben unsere Technologieneutralität missinterpretiert. Wir sind der Ansicht, dass es nicht zielführend ist, nur einen einzigen Pfad in Richtung Emissionsreduktion zu verfolgen, sondern dass es alle verfügbaren Technologien benötigt, um den Verkehrssektor konsequent zu dekarbonisieren. Wir beobachten hier aber gerade einen Wandel: Menschen, Unternehmen und Behörden erkennen zunehmend, dass es vorteilhaft ist, offen zu bleiben und verschiedene nützliche Lösungen zu verfolgen. Dies auch, weil die Elektromobilität in vielen Ländern unterschiedlich weit entwickelt ist: In Norwegen etwa sind rund 92 Prozent der verkauften BMW-Fahrzeuge E-Autos, während wir in meinem Heimatland Italien noch bei bescheidenen fünf Prozent liegen. Da müssen wir Lösungen bieten, um sämtlichen Automobilistinnen und -mobilisten die Möglichkeit zu geben, nachhaltiger unterwegs zu sein. In der Schweiz liegen wir bei den E-Autos bei unter 25 Prozent, also im europäischen Mittelfeld, obwohl überall die gleichen Produkte zur Verfügung stehen.

Können Sie ein Beispiel für eine Alternative zu den klassischen E-Autos nennen?

Nebst der Förderung der bereits genannten alternativen Kraftstoffe werden wir 2028 unser erstes Wasserstofffahrzeug in Serie bringen. Dieses Fahrzeug verfügt über zwei grosse Tanks, in denen gasförmiger Wasserstoff gespeichert wird und als Energiequelle dient. Man fährt damit immer noch elektrisch, benötigt aber eine deutlich kleinere Batterie als in vergleichbaren Elektrofahrzeugen, was auch aus Sicht der Ressourcennutzung Vorteile bieten kann. Diese Technologie soll aber keinen Ersatz darstellen, sondern eine Ergänzung zu Elektrofahrzeugen. Wir arbeiten auch bei diesen fleissig weiter an neuen Innovationen und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Interviews müsste der iX3, das erste Fahrzeug unserer komplett neuen Generation an Elektrofahrzeugen, erst gerade vorgestellt worden sein.

Was dürfen wir erwarten?

Wir arbeiten seit Jahren an einer neuen Technologieplattform, die wir «Neue Klasse» nennen, sie stellt die Zukunft der Marke BMW dar. Unser neues Bedienkonzept «Panoramic Vision» sowie die Fahrdynamik werden eine neue Ära einleiten und mehr Freude am Fahren liefern. Im iX3 konnten wir die Reichweite bereits auf über 800 Kilometer nach WLTP-Zyklus steigern und können mit 400 kWh laden – das entspricht rund 372 Kilometer zusätzlicher Reichweite in nur zehn Minuten. Natürlich werden wir auch erweiterte Funktionen bei den Fahrassistenzsystemen anbieten. All diese und künftigen Innovationen werden über unsere Plattform in alle unsere Autos integriert, unabhängig der Antriebstechnologie. Ich freue mich bereits sehr, die ersten Fahrzeuge auf Schweizer Strassen zu sehen.

Wo liegen die grössten heutigen und künftigen Hürden, die Sie mit Ihrem Unternehmen überwinden müssen?

Eine zentrale Hürde besteht darin, dass wir uns mitten in einem Handelskonflikt befinden. Aber wir sind zumindest etwas besser aufgestellt als andere Akteure, da wir über sehr starke Produktionsstandorte sowie Entwicklungsabteilungen in den USA, China und natürlich in Europa verfügen. Dieses Netzwerk macht uns widerstandsfähiger. Die nächste Hürde bezieht sich auf die Schweiz und die Akzeptanz der Elektromobilität: Konkret besteht hier das Problem, wie bereits angesprochen, in der noch immer unzureichenden Verfügbarkeit von Ladeinfrastrukturen. Das ist ein Problem, denn die Kundinnen und Kunden müssen die Möglichkeit haben, genussvoll und sorgenfrei elektrisch unterwegs zu sein. Während das Ladeangebot zum Beispiel entlang der Autobahnen immer besser wird, findet man kaum Ladestationen auf Parkplätzen von Supermärkten. Dies ist etwas, das wir zusammen mit der Politik, Wirtschaft und als Gesellschaft gemeinsam angehen müssen, wenn wir die Elektromobilität umfassend vorantreiben wollen.

Wie planen Sie generell, BMW als Marke in der Schweiz weiterzuentwickeln?

Die CO2-Neutralität ist unser erklärtes Ziel, aber ich bin, wie bereits erwähnt, der Ansicht, dass wir hierfür nicht nur auf eine einzige Technologie setzen sollten. Denn es gibt einen ganzen Strauss an Lösungen, die sofort eingesetzt werden könnten, aber sie erfordern stabile und klare politische Rahmenbedingungen, die lösungsorientiert sind. Ich möchte, wie wir alle, eine lebenswerte Welt für meine Kinder und Enkelkinder hinterlassen. Aber das können wir nur gemeinsam erreichen – nicht auf der Grundlage von Ideologie, sondern auf der Basis von Fakten sowie mit pragmatischen, alltagstauglichen Lösungen, mit denen die Menschen gut leben können. Mit Ideologie allein kommen wir nicht ans Ziel.

Zur Person

Der gebürtige Italiener Sergio Solero (53) ist seit 27 Jahren in zahlreichen Ländern für die BMW Group tätig und bringt umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Aftersales und Händlerentwicklung mit. Zuletzt war er Vice President Retail Development in München.

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27.09.2025
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