Interview von Nina Schneider

Samuel Giger: «Ich möchte die Schweiz noch besser erkunden»

Der nationale Spitzenschwinger spricht im Interview über die Schweiz, ihre Traditionen und den Schwingersport.

Der nationale Spitzenschwinger Samuel Giger gehört in seinem Sport zu den «ganz Bösen». Im Gespräch schwärmt er von der Schweiz, erzählt, warum ihm Traditionen wichtig sind, und spricht über die prägenden Momente im Sägemehl.

Samuel Giger, wie viele Munis haben Sie nun schon gewonnen?

Nach Hause genommen habe ich noch keinen. Aber gewonnen habe ich schon ungefähr 30 Munis. Anstatt den Muni nehme ich den Gegenwert in Geld – ich wüsste nicht, wohin mit den Tieren und mache es mir so sicherlich weniger umständlich. Es gibt nach wie vor solche, die das Tier mit nach Hause nehmen, aber das ist eher die Minderheit.

Haben Sie es als Schwinger «geschafft»?

Was ich sicher geschafft habe, ist, dass ich mein Hobby und meine Leidenschaft so intensiv ausüben darf. Doch in meiner Karriere als Sportler kommt das Gefühl, es geschafft zu haben, wahrscheinlich erst, wenn ich den Rücktritt bekannt gebe. Natürlich bin ich stolz nach einem Sieg, doch ich möchte mich nicht darauf ausruhen. Schliesslich kommt die nächste Herausforderung schon bald und da kann ich keinen Hochmut gebrauchen. Solange mein Feuer noch brennt, werde ich immer neue, höhere Ziele setzen. Ich möchte meine Ziele erreichen und dafür bin ich bereit, alles zu geben und Strapazen auf mich zu nehmen. Das muss man, um nicht stehen zu bleiben und dafür weiterzukommen. Darum nimmt man sich vielleicht die Zeit auch zu wenig, um Erfolge zu geniessen. Aber nach meiner Karriere kann ich noch lang genug stolz auf meine Leistungen sein (lacht).

Samuel Giger mit Preismuni

Bild: © Lorenz Reifler

Welchen Moment beim Schwingen werden Sie nie vergessen?

Letzten Spätsommer gewann ich in Interlaken die Unspunnen Schwinget. Der Moment, in dem das Gut des Kampfrichters kam und ich den Schlussgang gewann, bleibt lange in Erinnerung. Sport weckt so viele Emotionen – beim Sportler wie auch bei den Zuschauer:innen. Wie gesagt, setze ich als Sportler alles daran, meine gesetzten Ziele zu erreichen. Kommt dieser Moment dann, ist das ein Cocktail an Emotionen. Ich empfinde Freude, da fällt Druck ab und Glückshormone durchströmen den Körper. Was in solchen Momenten in einem vorgeht, kann man fast nicht beschreiben.

Und welche Geschichte aus dem Sägemehl unterstreicht die Schönheit der Schweiz?

Landschaftlich gibt es viele schöne Schwingfeste. Ich denke dabei vor allem an die Schwingfeste in den Bergen – auf der Schwägalp, auf der Rigi oder dem Brünig. Sie alle haben ihren eigenen Charakter und zeigen, wie schön die Schweizer Natur ist. Was ich aber mindestens genauso schätze, sind die Menschen. Wir Schwinger sind alle sehr bodenständige Leute und konkurrieren im Sägemehl. Sobald aber der Wettkampf fertig ist, führen wir gute Gespräche untereinander. Für mich widerspiegelt das eine der schönsten Seiten der Schweiz.

Haben Sie einen Lieblingsplatz in der Schweiz?

Ich war schon an so vielen schönen Orten und wüsste nicht, welchen davon ich als Schönsten küren könnte. Doch gibt es Berge, einen See und Wald, gefällt es mir bestimmt. Im Fernseher sehe ich selbst, wie viele schöne Plätze die kleine Schweiz eigentlich zu bieten hat. Ich habe noch lange nicht alles gesehen und möchte das Land noch weiter erkunden. Der schönste Schwingplatz finde ich den auf der Schwägalp, am Fuss des Säntis. Da sieht man an der Bergwand hinauf und ist beeindruckt. Wenn dann noch die Sonne scheint, ist es ein einmaliges Bild.

Nehmen Sie beim Schwingen den Ort überhaupt wahr?

Je älter ich werde, desto mehr sehe ich es. Natürlich konzentriere ich mich nach wie vor nicht auf die Landschaften und das Drumherum. Wenn man ein Schwingfest besucht und nicht aktiv daran teilnimmt, kann man die Kulisse wahrscheinlich noch besser geniessen.

Geniessen Sie die Natur also eher in Ihrer Freizeit?

Ja, an Plätzen in der Natur, an denen es nur wenige Leute gibt, kann ich mich hinsetzen, geniessen und Kraft tanken. Ich gehe viel und gerne wandern mit meiner Frau. So schalte ich ab und kann das Schwingen mal hintanstellen.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Heimat bedeutet für mich Wurzeln. Es ist da, wo man herkommt und sich wohlfühlt. Ein Ort, an dem ich nach Hause kommen kann und einfach mal sein darf. Das Zuhause von mir und meiner Frau ist sehr schön und gibt mir all das.

Natürlich bin ich stolz nach einem Sieg, doch ich möchte mich nicht darauf ausruhen. Schliesslich kommt die nächste Herausforderung schon bald und da kann ich keinen Hochmut gebrauchen.

Sind Ihnen Schweizer Traditionen wichtig?

Ja, schon. Es gibt so viel Tradition in der Schweiz und ich finde es schön, wenn Bräuche gepflegt werden. Die Traditionen repräsentieren die Geschichte unseres Landes und zeigen unsere Wurzeln. So vergessen wir unsere Identität nicht und erinnern uns immer, woher wir kommen.

Wie wichtig ist es Ihnen, dass Schwingen eine nationale Tradition ist?

Bei uns in der Familie schwingen alle. Es begleitet mich von Kindesbeinen an und ist sowohl Schweizer- als auch Familientradition. Es ist ein schönes Gefühl, diese so weiterleben zu können. Aber dass es so traditionell ist, ist nicht der Grund, warum er die Zwilchhose so gerne trage, sondern der Sport als Ganzes.

Gibt es in Ihrem Leben weitere Traditionen und Bräuche, die Sie pflegen?

Meine Brüder gehen immer Silvesterchlausen, da bekomme ich viel mit. Und das Trycheln erlebe ich durch meine Frau – sie kommt aus dem Berner Oberland. Bei beiden Bräuchen geht es darum, dass man böse Geister vom alten Jahr austreibt und das neue Jahr feierlich einläutet. Ich bin zwar nicht aktiv dabei, aber ich gehe sehr gerne dahin.

Was möchten Sie den Leser und Leserinnen noch mit auf den Weg geben?

Ich arbeite selbst noch an mir, damit ich die Kleinigkeiten des Alltags geniessen kann. Darauf sollten wir uns alle konzentrieren. Manchmal ist es stressig und hektisch und der Kopf ist schon beim nächsten Problem. Doch genau dann sollten wir uns mal umschauen und sehen, was die Natur zu bieten hat. Schliesslich haben wir das Glück, in einem wunderschönen Land zu leben.

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29.06.2024
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