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Weltknuddeltag: Auf die Plätze, fertig, kuscheln!

09.01.2020
von Johanna Widmer

Am 21. Januar ist Weltknuddeltag. Sie haben richtig gelesen: Welt-Knuddel-Tag. Wozu denn ein Welttag ausgerechnet fürs Knuddeln? Der Welttag zu Ehren der Umarmungen entstand – wie könnte es anders sein – in Amerika. Aber wer kam auf diese kuriose Idee?

Die Radios im Wohnheim der Universität Michigan liessen 1986 Madonnas «Like A Virgin» ertönen, während ein Psychologiestudent namens Kevin Zaborney versucht, sich auf seinen Lernstoff zu konzentrieren. Der Lernstoff: Psychologie. Zaborney lernt, dass Babys bereits mit dem Grundbedürfnis nach Nähe geboren werden und sich ohne Umarmungen und Körperkontakt schlechter entwickeln. Der Student heckt einen Plan aus, der um die Welt gehen wird.

Wieso tut uns Kuscheln so gut?

Heutzutage ist klar: Kuscheln hat viele gesundheitliche und psychologische Vorteile. Es führt zur Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin. Zudem bringt es unseren Körper dazu, Glückshormone auszuschütten – beispielweise der Botenstoff Dopamin. Kurzum: Kuscheln steigert das Wohlbefinden. Umarmungen können bei depressiven Verstimmungen wahre Wunder bewirken. Menschen, die viel geknuddelt werden, sind sogar weniger anfällig für Erkältungskrankheiten!

Wieso immer eine verkrampfte Armeslänge Abstand?

Wenn Umarmungen so wichtig sind, wieso bemühen sich Erwachsene zumeist verkrampft um eine Armeslänge Abstand? Das brachte den Psychologiestudenten Kevin Zaborney damals zum Grübeln. Zaborney erklärte später, dass was er damals in der Psychologie lernte, im krassen Widerspruch zu den damaligen sozialen Veränderungen stand. «Ich hatte den Eindruck, dass unsere Gesellschaft körperliche Nähe zunehmend fürchtet», antwortet er auf die Frage, warum es einen Weltknuddeltag braucht (Quelle: Spiegel, 2016).

Ich hatte den Eindruck, dass unsere Gesellschaft körperliche Nähe zunehmend fürchtet. Kevin Zaborney, Begründer des Weltknuddeltages

Ist das Internet Schuld?

Er hatte schon damals die Befürchtung, dass die Technik sich negativ auf die Menge an Körperkontakt auswirken könnte. Eine Befürchtung, die aus heutiger Hinsicht schon fast prophetisch anmutet: Je mehr wir unser Soziallleben digitalisieren, desto weniger Gelegenheiten bieten sich, um uns überhaupt zu umarmen.

Heimliche Migründerinnen

Um bei der Wahrheit zu bleiben: Zwei Frauen haben bei der Etablierung des Weltknuddeltages kräftig nachgeholfen. Kevin Zaborneys Mutter besuchte Umarmungskurse und ermutigte ihren Sohn: «Wir sind eine Familie von Umarmern. Ruf du doch den Hugging Day aus!» (Der Spiegel, 2016). Wie praktisch, dass der Grossvater seiner damaligen Freundin Herausgeber eines Kalenders für Jahrestage war. Der ältere Geschäftsmann fand die Idee des enthusiastischen Studenten prima und nahm den Weltknuddeltag kurzum in seinen Kalender auf.

Der Kuscheltag geht um die Welt

Uns so nahm eine skurrile Weltumrundung ihren Lauf. Von einem nationalen beziehungsweise rein amerikanischen Feiertag kann längst nicht mehr die Rede sein: Ob Nordamerika, Europa oder Australien – überall wird am 21. Januar gekuschelt, was das Zeug hält. Der 21.01. hat sich längst zum internationalen Jahrestag gemausert.

Und die Schweizer? Uns täte etwas Knuddeln gut!

Die Schweizer gelten nicht gerade als ein von Umarmungen begeistertes Völkchen, dazu ist unsere Küsschen-links-rechts-links-Mentalität zu kühl. Dabei täte uns etwas Knuddeln durchaus gut. Vielleicht liegt es auch einfach am Zeitgeist: Heutzutage könne man eine «chronische Berührungsarmut» diagnostizieren, so Uwe Hartmann, Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover (DIE ZEIT Nr. 52/2015). Auch der Haptikforscher Martin Grunwald bestätigt: «Unsere Kultur will das oft nicht wahrhaben, aber Berührungen haben für Lebewesen einen Stellenwert wie die Luft zum Atmen.» (Ebd.)

Unsere Kultur will das oft nicht wahrhaben, aber Berührungen haben für Lebewesen einen Stellenwert wie die Luft zum Atmen. Martin Grunwald, Haptikforscher

Konsens, Konsens und nochmal Konsens

Der Clou ist nun, die positive Wirkung entfaltet sich nur, wenn man sich in der Umarmung wohl und sicher fühlt. Bei unerwünschten oder überraschenden Berührungen kann sich das Gegenüber vom «Kuschelangriff» schnell überrumpelt fühlen. Kuscheln wird ohne Konsens, also ohne explizite Erlaubnis, oft zum Stressfaktor. Sogar die Ziegen im Streichelzoo verstehen das. Sie verstecken sich in einer eigens eingerichteten Zone, wenn sie nicht angefasst werden wollen.

Beispiel: «Du, darf ich dich bitte knuddeln?»

Auch Kinder sollte man nicht dazu zwingen, die Verwandten zu umarmen. Falls sie dies nicht möchten. Leider fällt es schwer, um Erlaubnis zu fragen. Oder auch mal «Nein» zu sagen. Das ist nicht gesund: Statt dem guten Botenstoff Oxytocin schüttet der Körper bei überraschenden Umarmungen das Stresshormon Cortisol aus.

Und was meint der Gründer des Weltknuddeltags heute dazu?

Mittlerweile ist Kevin Zaborney übrigens Pastor und Inspirations-Redner in Caro, Massachusetts. Auch heute noch – wie schon damals 1989 – ermahnt er seine Zuhörer, wenn es ums Umarmen geht: «Bitte immer zuerst fragen!» Ist der Körperkontakt erwünscht, haben Umarmungen heilende Kräfte.

Na dann: Heute schon jemanden geknuddelt?

Umarmungen: die Top 6

Die Teamumarmung

Pass – Pass – GOOOOOOAL! Alle Spielerinnen der Mannschaft rennen, stürzen sich jubelnd auf die Torschützin. Die applaudierenden Fans fallen sich in die Arme. Wenn etwas Aussergewöhnliches passiert, fallen sich das soziale Tierchen «Mensch» instinktiv in die Arme. Umarmungen stärken den sozialen Zusammenhalt und fördern das Zugehörigkeitsgefühl.

Der klassische Bären-Knuddler

Leute die sich in die Umarmung stürzen und einem die Luft aus den Lungen pressen, sind Bärenknuddler. Passiert dies im gegenseitigen Einverständnis, dann lässt diese Umarmung durch den hohen Druck ganz besonders viele Botenstoffe sprudeln und erhöht die Körperwahrnehmung.

Der gegenseitige, maskuline Dudebro

Männer – vor allem heterosexuelle – tun sich oft noch schwer mit Körperkontakt untereinander. Es gibt wohl keine Umarmung, die diesen Aspekt so pointiert ausdrückt wie die kumpelhafte Umarmung: Man(n) umarmt sich und klopft sich dabei gönnerhaft auf die Schultern. Diese Umarmung sagt: «Wir respektieren uns gegenseitig.»

Der einseitige Schraubstock

Alle kennen wohl einige Menschen in ihrer Verwandtschaft, die ab und zu diese Technik anwenden. Die Umarmung ist eng, innig und dauert – ob man will oder nicht – so lange, bis Oma, Opa oder Tante genug vom Knuddeln haben. Der internationale Knuddeltag ist eine gute Gelegenheit, die Knuddel-Etikette mit der eigenen Familie zu besprechen. Und dazu, Mami einmal extra fest zu umarmen.

Die asymmetrische, tröstende Umarmung

Eine asymmetrische Umarmung, bei der die Arme um die Schulter des Gegenübers gelegt werden. Oft wird der Nacken oder Kopf der umarmten Person auch mit den Händen abgeschirmt. Diese beschützende Geste dient dazu, jemanden zu beruhigen oder zu trösten. Wenn uns der emotionale Schmerz eines Mitmenschen fast physisch weh tut, dann sind das Spiegelneuronen in unserem Gehirn, welche die Gefühle des Gegenübers bei uns mitschwingen lassen: Umarmungen sind in einer solchen Situation besser als tausend Worte.

Die halbseitige Umarmung

Halbseitig bedeutet nicht halbherzig: Diese Umarmung signalisiert gutmütige Unterstützung, Stolz oder eine allgemein als positiv empfundene Allianz. Besonders oft wird beispielsweise im Bürokontext so umarmt. Der umarmten Person wird dabei seitlich eingehackt, also den Arm zwischen Hüft- und Schulterhöhe umgelegt. Diese Umarmung sagt: «Mit dir bilde ich eine Phalanx, mit dir stehe ich Schulter an Schulter.»

Text Jo Widmer

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