junge frau streckt vor sonnenuntergang faust in himmel.
Editorial Gesundheit

«Why not?» statt «Ja, aber…»

28.03.2020
von SMA

Prof. (em.) Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler

Prof. (em.) Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler

Herausforderungen soweit das Auge reicht – im Berufsleben, in der Familie, global. Laufend werden neue Anforderungen an uns gestellt, die wir versuchen, so rasch wie möglich einzuordnen und zu meistern. Herausforderungen können aber auch erdrückend sein und damit schliesslich zum Problem werden. Es droht Negativismus oder sogar Überforderung.

Probleme aus dem Wortschatz streichen

Aber was tun, wenn die Probleme überwältigend und unlösbar scheinen? Nehmen wir uns Zeit für ein kleines Gedankenexperiment: Wie wäre es, wenn wir das Wort «Problem» aus unserem Wortschatz verbannen und es durch «Situation» ersetzen?

Wir haben dann keine Probleme mehr, sondern befassen uns mit Situationen. Anstatt einen Satz mit «das Problem ist…» zu beginnen, starten wir mit «die Situation ist…». Das mag banal klingen, aber wie man etwas benennt, hat einen direkten Einfluss auf unser Empfinden. «Probleme» sind mit negativen Gefühlen verbunden, können uns blockieren und zum Jammern verleiten oder führen dazu, dass ein Problem weggeschoben wird. Im Gegensatz dazu sind «Situationen» neutral und laden uns zu einem Prozess der Lösungsfindung ein. Wie könnte ich mit der Situation umgehen, wie kann ich die Situation beeinflussen oder wie kann mich jemand in meiner Situation unterstützen?

Ist die erste schwierige Situation geschafft, wird es bei der nächsten schon etwas leichter. Prof. (em.) Dr. med. Edith Hoslboer-Trachsler

Positiv denken

Diese Herangehensweise eröffnet neue Möglichkeiten, herausfordernde Situationen zu meistern. Wenn wir negative Gedanken aus unseren Köpfen streichen, fällt es viel leichter, Lösungen zu suchen – und auch zu finden. Dafür ist ein Umdenken erforderlich. Statt sich mit einem «Ja, aber…» aufzuhalten, könnten wir uns viel öfter die Frage stellen: «Why not?». Warum nicht, die Herausforderung zum Ziel machen und sich dann gut fühlen, wenn man dieses erreicht hat. Wenn man einer schwierigen Aufgabe mit einer «Why not?»-Mentalität begegnet, erscheint manche Situation plötzlich nicht mehr unüberwindbar.

Natürlich gibt es Situationen, die nicht allein durch eine «Why not?»-Kultur überwunden werden können – dazu zählen beispielsweise die Bewältigung des Alltags mit einer chronischen Krankheit, der Verlust eines Angehörigen oder psychische Erkrankungen. Steckt man mitten in einer chronischen Überlastung, kann schlecht schlafen oder kommt nicht mehr zur Ruhe, ist es empfehlenswert, Hilfe in Anspruch zu nehmen – und das lieber früher als später.

«Why not?» als Lebenseinstellung

Im alltäglichen Leben kann man jedoch mit einer «Why not?»-Mentalität viel erreichen. Ist die erste schwierige Situation geschafft, wird es bei der nächsten schon etwas leichter. Die «Why not?»-Kultur ist Übungssache und beginnt im Kleinen – achten Sie darauf, wie sich der Blick auf eine alltägliche Herausforderung verändert, wenn Sie ihr mit einer positiven Grundhaltung begegnen.

Text Prof. (em.) Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler

Extraordinaria für Stress- und Traumaforschung der Universität Basel, Praxis Gesundheitszentrum St. Johann, Basel und Past President der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression

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