Was macht einen guten Lehrbetrieb aus? Warum scheitern Lehrverhältnisse? Und wie gelingt Feedback auf Augenhöhe? Ein Gespräch mit Peter Heiniger, Geschäftsführer von Heiniger Lehrlingsberatung, über Vertrauen, Haltung und die Verantwortung, junge Menschen ernst zu nehmen.

Peter Heiniger
Geschäftsführer Heiniger Lehrlingsberatung
Peter Heiniger, der Arbeitskräftemangel ist in aller Munde. Wie erleben Sie die Lage?
Den erleben die meisten meiner Kunden tatsächlich. Einen Mangel an Lernenden gäbe es eigentlich nicht, wäre da nicht das Gymi, die grosse Konkurrentin. Immer mehr Eltern beeinflussen zudem den Berufswahlprozess ihrer Kinder stark. Es wird oft suggeriert, dass vor allem handwerkliche Lehrberufe keine Perspektiven bieten und Ausbildungen in diesem Bereich eher etwas für Halbschlaue seien. Lehrbetriebe und Branchenverbände müssen hier besser aufklären.
Wie sollen sie das tun?
Zum Beispiel mit gezielten Informationsveranstaltungen für Schüler:innen, Eltern und Lehrpersonal. Am besten gemeinsam mit den Gymnasien. Oder wieso nicht Mini-Schnupperlehren für Eltern anbieten?
Viele Jugendliche sagen, ihren Traumberuf gäbe es nicht. Was entgegnen Sie?
Den gibt es. Aber viele wissen nicht, wie viele verschiedene tolle Berufe zur Wahl stehen. Social Media verzerrt zudem das effektive Bild der Arbeitswelt. Früher reparierte ein Vater das Velo noch mit seinem Sohn, heute fehlt der reale Bezug meist komplett. Berufsorientierung muss früher und praktischer stattfinden.
Kritik muss konstruktiv sein und als Chance vermittelt werden.
Was braucht ein guter Lehrbetrieb?
Zentral ist das geschlossene Commitment des Managements für die Berufsbildung. Wenn oben nicht klar ist, dass Nachwuchsentwicklung notwendig ist, verpuffen alle Bemühungen. Oftmals mit der Konsequenz, dass Praxisbildner:innen für ihren Ausbildungsauftrag zu wenig Zeit erhalten.
Was ist der wichtigste Erfolgsfaktor?
Der Faktor Mensch. Lernende brauchen Wertschätzung, gute Kommunikation, ein Umfeld mit Vertrauen. Eigentlich eine Art zweite Familie. Praxisbildner:innen spielen eine Schlüsselrolle. Sie sind Führungspersonen, Coaches, Vorbilder. Wer spielerisch ausbildet, Konflikte lösen kann und Feedback lebt, prägt und überzeugt.
Was heisst das im Alltag?
Kinder wachsen heute oft in einer Welt auf, in der beinahe alles, was sie tun, als richtig gilt. Kritik kennen sie kaum. Wie sollen sie dann wissen, was gut ist? Kritik muss konstruktiv sein und als Chance vermittelt werden. Feedbackkultur heisst: ehrlich sagen, was läuft und was besser werden muss. Und zwar auf Augenhöhe.
Warum scheitern Lehrverhältnisse?
In über 80 Prozent der Fälle gefällt der Beruf nicht. Kein Wunder, wenn die Entscheidung für eine mehrjährige Zusammenarbeit oft nach wenigen Schnuppertagen gefällt werden muss. Viele Lernende unterschätzen zudem die anspruchsvolle Berufsschule.
Was können Betriebe tun?
Die ersten drei Monate sind entscheidend. Da müssen Praxisbildner:innen viel Extrazeit in die Betreuung der Lernenden investieren dürfen. Wo es geht, positive Erlebnisse einbauen und auch mal Verständnis für Fehler und Müdigkeit aufbringen.
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