Interview von Thomas Soltau

Eric Demuth: »Es ist Zeit für Mut statt Bedenkenträgerei«

Der Gründer von Bitpanda spricht im Interview über die europäische Finanzwelt und wie sie in Zukunft wieder oben mitspielen kann.

Eric Demuth, Gründer der Handelsplattform Bitpanda und Ex-Schiffsmechaniker, hat sich in kurzer Zeit vom Maschinenraum in die Welt der digitalen Finanzen katapultiert. Im Gespräch blickt er auf seine ungewöhnliche Laufbahn, die Mängel der deutschen Wirtschaft, die Chancen von Blockchain und Krypto – und erklärt, warum Druck von außen manchmal hilfreich ist. Einfach ist das nicht – aber machbar!

Herr Demuth, Sie sind kein Mann für halbe Sachen: vom Maschinenraum aufs Gründerparkett, vom Seegang in die Volatilität der Kryptomärkte. Sie waren früher Schiffsmechaniker – wie hat Sie diese Zeit geprägt?

In der Maschinenhalle lernt man schnelle Entscheidungen und klare Worte. Es gibt keinen Feierabend, wenn das Schiff mitten im Indischen Ozean unterwegs ist. Man improvisiert, baut sich zur Not Werkzeuge selbst und arbeitet im Team, wo jeder weiß: Probleme lösen wir jetzt, nicht später. Dieses Denken hat mir im Unternehmertum geholfen. In einem Unternehmen kann man nicht darauf warten, dass jemand anderes das Problem löst; man muss es selbst tun. Ich habe dort gelernt, auch ohne Anleitung zu handeln und zu improvisieren. Das prägt und motiviert mich bis heute täglich.

Eric Demuth mit seinem Hund.

Sie haben Bitpanda in Wien gegründet. Warum ausgerechnet Wien und nicht Berlin?

Die Entscheidung war pragmatisch. Als Student hatte ich wenig Geld, und Wien bot eine funktionierende Infrastruktur: Flughafen, öffentlicher Nahverkehr, Sicherheit. Berlin ist cool, aber oft chaotisch. Als Unternehmer schätzt man Orte, an denen Dinge funktionieren, und Wien funktioniert. Außerdem war Österreich damals regulatorisch klarer, was für den Start hilfreich war. Wien ist verlässlich, wenn auch bürokratisch und lethargisch; eine gute Entscheidung für den Start, denn heute ist Bitpanda eine der größten Kryptoplattformen Europas. Allerdings kommt man auch hier oft an seine Grenzen, wenn es um Innovation und Agilität geht.

Blockchain wird oft als Zukunftstechnologie bezeichnet. Ist sie in der deutschen Wirtschaft schon angekommen?

Nein, und das muss nicht schlimm sein. Oft wurde in der Vergangenheit versucht, eine neue Technologie auf Biegen und Brechen unterzubringen, ohne zu fragen, welches Problem sie lösen soll. Man sollte erst das Ziel definieren und dann die passende Technik wählen. Die Finanzwelt ist träge, weil sie auf Strukturen aus der Vor-Internet-Ära basiert. Würde man sie heute erfinden, sähe sie vermutlich aus wie der Kryptomarkt. Aber komplexe Systeme lassen sich nicht von heute auf morgen umbauen – es dauert mindestens zehn Jahre. Darum sehen wir nur schrittweise Veränderungen. Es ist keine Schande, wenn ein Prozess nicht auf der Blockchain läuft.

Die MiCA-Regulierung, eine umfassende EU-Verordnung zur Regulierung von Kryptowährungen und Kryptodienstleistungen, will einen europäischen Rahmen für Krypto schaffen. Hilft das?

MiCA ist ein Anfang, aber vieles stammt aus den bestehenden Finanzregeln. Es schafft Rechtssicherheit, aber kein Tempo. Problem ist eher, dass es zu viele Lücken für Non-EU-Firmen lässt, um die Regulierungen zu umgehen und es keine europäische Vollstreckung gibt. EU-Regeln, aber nationale Aufsichten, was zu absurder regulatorischer Arbitrage führt, auch nach MiCA. Kapital wandert dorthin, wo Regeln klar und Chancen groß sind – zurzeit in die USA und nach Asien. Zusammengefasst: Ohne eine richtige Kapitalmarktunion ist Europa nicht wettbewerbsfähig.

Wie ist die Lage von Krypto in Europa – sind wir zu spät dran?

Europa hat enormes Potenzial, ist aber oft zu zögerlich. In Deutschland hängen viele noch am Sparbuch, statt sich an Aktien oder Bitcoin zu wagen. Doch man sieht einen Generationenwechsel. Junge Leute sind offener für digitale Anlagen. MiCA zeigt, dass Europa bereit ist, zu regulieren statt zu verbieten. Das gibt uns einen Wettbewerbsvorteil. Allerdings bräuchten wir alle zwei Jahre Neuerungen, nicht alle zehn, um auf Innovation reagieren zu können.

Europa hat enormes Potenzial, ist aber oft zu zögerlich. In Deutschland hängen viele noch am Sparbuch, statt sich an Aktien oder Bitcoin zu wagen. – Eric Demuth, Gründer Bitpanda

Sie haben gesagt, geopolitischer Druck sei das Beste, was Europa passieren konnte. Wie meinen Sie das?

Ich habe provokant gesagt, dass selbst ein in Europa unliebsamer US-Präsident Europa einen Gefallen getan hat. Sein Druck bei den Nato-Ausgaben zum Beispiel zwang uns, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsame Positionen zu finden. Europa musste sich einigen, statt alles zu zerreden. Externer Druck kann uns aufwecken: Wir sind abhängig von anderen Mächten – energiepolitisch, sicherheitspolitisch, technologisch. Wenn jemand uns damit konfrontiert, bleiben zwei Optionen: weiterträumen oder uns unabhängig machen. Für mich ist klar: Wir sollten die Chance nutzen und uns emanzipieren. Rohstoffe, Energie und Chips – unsere Abhängigkeiten zwingen uns zum Nachdenken. Wir müssen wieder als geeintes Europa auftreten und nicht wie 27 sich zankende Einzelstaaten.

Wo liegen die größten Schwächen der EU und der deutschen Wirtschaft?

Wir sind zu langsam, weil zu viele entscheiden. In Brüssel gibt es Kompromisse über Kompromisse. Am Ende bleibt von guten Ideen oft nur ein verwässertes Produkt. 27 Mitgliedstaaten, nationale Interessen, Kommissionen – das Ergebnis ist Stillstand oder Verschlimmbesserung. Gleichzeitig sabotieren wir unsere eigenen Stärken. In der Autoindustrie sind wir Weltspitze, doch statt diese Position zu verteidigen, reden wir sie klein und verschenken Chancen. China nutzt unsere Schwäche und investiert Milliarden in Technologien, die wir gerade erst verteufeln. Wir brauchen weniger Gremien, mehr Entscheidungen und eine gemeinsame Vision. Wir zerreden selbst kleine Schritte, während andere bereits gebaut haben. Tech-Unternehmen dominieren schon jetzt die Weltwirtschaft, aber kaum eines kommt aus Europa. Daten sind der Treibstoff für Tech-Unternehmen, aber in Brüssel herrscht leider ein regelrechter Datenschutzfetischismus, siehe den AI-Act, der dafür sorgte, dass Europa keine Rolle im globalen AI-Rennen spielt.

Viele Deutsche sind finanzscheu und wenig digitalaffin. Was raten Sie Anlegerinnen und Anlegern?

Finanzbildung ist entscheidend. Wer nicht versteht, wie Märkte funktionieren, überlässt sein Geld der Inflation. In der Schule lernt man Integralrechnung, aber nicht, was ein ETF ist. Mein Rat: informieren, diversifizieren, global denken. ETFs, Immobilien und Tagesgeld bleiben solide Bausteine, aber wer nur auf klassische Produkte setzt, verpasst Chancen. Man sollte sich nicht von Angst leiten lassen, sondern von Wissen. Digitale Vermögenswerte bleiben, auch wenn sie schwanken.

Zum Schluss: Wie sehen Sie die Welt im Jahr 2030? Wird Blockchain zum unsichtbaren Teil unseres Alltags und kann Europa noch aufholen?

Blockchain wird wie das Internet funktionieren – im Hintergrund. Niemand fragt, wie ein DNS-Server läuft; ebenso wird keiner wissen, wie die Technologie unter der Motorhaube aussieht. Grundbücher, Gesundheitsdaten, Leasingverträge: All das wird digital und manipulationssicher abgewickelt. Krypto und Stablecoins werden Kernelemente einer digitalen, globalen Welt und das »neue Geld« darstellen. Für Europa sehe ich Hoffnung, wenn wir Mut zeigen. Wir haben kluge Köpfe, einen starken Mittelstand und Innovatoren. Aber wir müssen aufhören, uns zu bremsen. Wenn wir die Regeln der alten Welt auf das Neue übertragen, werden wir abgehängt. Wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen und den Mut haben, auch mal Fehler zu machen, können wir vor allem in produzierenden Industrien und vielleicht sogar in der Finanzwelt bis 2030 wieder oben mitspielen.

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Instagram: @eric.demuth

Podcast: Beyond Business Cast

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19.09.2025
von Thomas Soltau
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