Privatkunden neu gedacht: Financial Wellbeing als strategischer Imperativ
Finanzielle Gesundheit wird zum Wettbewerbsvorteil. Wer Menschen nicht durch Produkte, sondern durch echte Finanzbegleitung überzeugt, gewinnt: Vertrauen, Daten, Marktanteile – und die Kundinnen und Kunden der Zukunft.

Dr. Sebastian Schäfer
CEO House of Finance & Tech Berlin
Ein neuer Maßstab für Kundennähe
Financial Wellbeing beschreibt den Zustand, in dem Menschen ihre finanziellen Verpflichtungen im Alltag zuverlässig erfüllen können, Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben haben – und langfristig in der Lage sind, ihre Lebensziele zu erreichen. Es geht um finanzielle Sicherheit und finanzielle Entscheidungsfreiheit – heute und in der Zukunft. Die Studie von House of Finance & Tech Berlin (HoFT.Berlin), durchgeführt mit Roland Berger, zeigt: Davon ist Deutschland weit entfernt.
Die Hälfte der Menschen sieht ihre finanzielle Lage sogar als größte persönliche Sorge, 52 Prozent verspüren wöchentlich finanziellen Stress und 20 Prozent rechnen trotz Arbeit mit finanziellen Problemen im Alter.
Auch andere Erhebungen bestätigen dieses Bild: Laut einer Kantar-Umfrage im Auftrag des BVR klafft zwischen gewünschtem und tatsächlichem Sparverhalten eine Lücke von 106 Euro – ein Rekordwert. Zudem blickt laut EU-Vergleich keine andere Bevölkerung so unsicher in die finanzielle Zukunft wie die deutsche.
In Berlin haben wir gemeinsam mit der Financial Health Initiative erstmals noch genauer hingesehen: Die finanzielle Gesundheit liegt im Schnitt auf Bundesniveau – doch die Unterschiede zwischen den Menschen sind größer. Einige sind gut abgesichert, andere kämpfen mit existenziellen Herausforderungen. Financial Wellbeing heißt deshalb: nicht mit einem Standardangebot für alle, sondern mit gezielten Lösungen für unterschiedliche Lebensrealitäten.
Drei zentrale Bedarfsfelder: von Budget bis Vorsorge
Die Studie von HoFT.Berlin macht deutlich: Die Mehrheit der Menschen ist finanziell unter Druck – und erwartet konkrete Unterstützung. Nicht irgendwann. Jetzt.
Finanzielle Basis: Der Aufbau von finanzieller Stabilität ist für viele Menschen die Grundlage. Es geht um Liquidität am Monatsende, Schuldenmanagement, Budgetkontrolle und Sparen – also die Basics, die heute für viele keine Selbstverständlichkeit mehr sind.
Anlage und Vermögensaufbau: Nur wer über das Hier und Jetzt hinausdenkt, kann seinen Lebensstandard langfristig sichern. Dabei spielen langfristiges Sparen, Investitionen und steuerliche Optimierung eine zentrale Rolle – insbesondere mit Blick auf die Altersvorsorge.
Risikoabsicherung: Die Sorge vor Krankheit, Unfall oder Berufsunfähigkeit ist real – und ein zentrales Thema im Alltag vieler Menschen. Die Absicherung existenzieller Risiken ist entscheidend, um den eigenen Lebensstandard dauerhaft zu sichern und finanzielle Rückschläge abzufedern.
Diese Felder sind nicht isoliert zu betrachten – sie greifen ineinander und bilden das Fundament für echte finanzielle Gesundheit. Wer als Finanzdienstleister Kundinnen und Kunden entlang dieser Dimensionen begleitet, stärkt nicht nur ihre Resilienz, sondern schafft auch Vertrauen und langfristige Bindung.
Bedarfe sind dynamisch – und brauchen Kontext
Was Menschen finanziell brauchen, hängt stark davon ab, in welcher Lebensphase sie sich befinden – und welche Mittel ihnen zur Verfügung stehen. Das Financial-Wellbeing-Framework von HoFT.Berlin ergänzt die drei Bedarfsfelder (finanzielle Basis, Vermögensaufbau, Risikoabsicherung) daher um zwei entscheidende Dimensionen:
- Alterskohorten (z. B. junge Erwachsene, Familien, Ruheständler)
- Vermögens- bzw. Einkommenslage (finanziell fragil bis finanziell abgesichert)
Nur durch diese mehrdimensionale Betrachtung lassen sich Zielgruppen und Bedarfe präzise erfassen und individuelle Lösungen entwickeln. Denn die Herausforderungen einer Berufseinsteigerin mit unsicherem Einkommen unterscheiden sich grundlegend von denen eines stabilen Haushalts mit Kindern oder eines Ruheständlers ohne ausreichende Rücklagen. Wer Menschen wirklich begleiten will, muss deren Lebenssituation und Finanzlage ganzheitlich denken – und entsprechende Angebote machen.
Financial Wellbeing ist kein Nischenthema – es wird zum strategischen Prüfstein für Banken, Versicherungen und Fintechs. Wer seine Relevanz im Leben der Kundinnen und Kunden sichern will, muss anfangen, ihre Lebensrealität zu verstehen – und nicht nur ihre Kontostände. – Dr. Sebastian Schäfer, CEO House of Finance & Tech Berlin
Vom Produktverkauf zur echten Begleitung: wie Finanzakteure unterstützen können
Financial Wellbeing verlangt einen Kurswechsel. Banken, Versicherungen und Fintechs müssen sich vom Produktverkauf verabschieden – und stattdessen als Coach, Navigator und Begleiter auftreten. Zentrale Stellhebel sind dabei:
- Zugang zu klaren Informationen und individuell relevanten Inhalten
- Einordnung und Analyse der eigenen finanziellen Situation (z. B. Ausgabenanalyse oder Sparpotenziale)
- Konkrete, umsetzbare Handlungsempfehlungen, etwa durch Budgetplanung oder Altersvorsorgeplanung
Entscheidend ist die Verknüpfung dieser Funktionen zu einem nahtlosen Erlebnis. Kundinnen und Kunden wollen nicht mehr zwischen Apps springen, sondern erwarten ganzheitliche Lösungen in einem digitalen Ökosystem, das sie durch alle Lebensphasen begleitet.
Technologie als Enabler: von KI bis Behavioral Banking
Technologische Fortschritte bieten die Chance, Financial Wellbeing skalierbar und personalisiert zu fördern. Das HoFT.Berlin hat in ihrer Studie u. a. folgende Ansätze identifiziert:
- Personalisierte Finanzanalysen und Empfehlungen auf Basis von Open-Banking-Daten und KI
- Behavioral Banking, um gesunde Finanzgewohnheiten anzuregen (z. B. Sparziele, automatische Rücklagen)
- Self-Service-Tools für Altersvorsorge, Absicherung oder Schuldenmanagement
- Digitale Beratung ergänzt durch menschlichen Kontakt bei komplexeren Fragen
Gerade KI kann dabei helfen, Komplexität zu reduzieren, Verhalten zu antizipieren und relevante Inhalte im richtigen Moment bereitzustellen – individuell zugeschnitten, verständlich und handlungsorientiert.
Noch entscheidender aber ist: Technologie ermöglicht erstmals den flächendeckenden Zugang zu individueller Finanzbegleitung – unabhängig von Einkommen, Bildung oder Wohnort. Was früher nur vermögenden Kundengruppen zur Verfügung stand, kann dank KI, Open Banking und skalierbarer Plattformen heute für Millionen Menschen verfügbar gemacht werden. So wird Financial Wellbeing vom Premium-Service zum demokratischen Grundangebot.
Financial Wellbeing entscheidet über Relevanz und Zukunftsfähigkeit
In einer Zeit, in der Vertrauen schwindet, Bedürfnisse vielfältiger werden und technologische Standards neu definiert werden, ist Financial Wellbeing mehr als ein Nice-to-have – es ist der Schlüssel zur Relevanz im Privatkundengeschäft. Wer jetzt beginnt, Kundinnen und Kunden entlang ihrer realen Lebenswelt zu begleiten, legt die Basis für langfristige Beziehungen, Zugang zu Daten und neue Geschäftsmodelle. Die Tools sind da. Was fehlt, ist eine klare Strategie – und der Mut zur Veränderung.
Das House of Finance & Tech Berlin: Möglichmacher für eine neue Finanzkultur
Das HoFT.Berlin bringt Entscheiderinnen und Entscheider aus Finanzwirtschaft, Politik, Start-ups und Gesellschaft zusammen – um genau diesen Wandel aktiv zu gestalten. Financial Wellbeing ist dabei der strategische Schwerpunkt. Gemeinsam mit Partnern entwickeln sie Konzepte, Studien, Produkte und Veranstaltungsformate, die Finanzakteuren helfen, Kundenbedarfe neu zu denken und innovative Lösungen auf den Weg zu bringen. Zudem begleiten sie etablierte Fintechs mit dem Potenzial, zu Financial-Wellbeing-Pioneers zu werden – und unterstützen sie gezielt beim Skalieren.
Denn wer Finanzmärkte modern denken will, muss bei den Menschen anfangen.
Die vollständige Studie mit allen Daten, Handlungsempfehlungen und Praxisbeispielen steht ab sofort zum Download bereit. Sie liefert die Grundlage, um Financial Wellbeing strategisch zu verankern – und das Privatkundengeschäft von morgen schon heute neu auszurichten.
Weitere Informationen unter hoft.berlin
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