Weniger Abfall, mehr Effizienz – die Kreislaufwirtschaft verspricht eine nachhaltige Zukunft für die Fertigungsindustrie. Doch der Weg dorthin erfordert nicht nur technologische Innovationen, sondern auch gut ausgebildete Fachkräfte und Investitionen. Welche Chancen bietet der Wandel?
Rohstoffe werden knapper, die Umweltbelastung steigt, Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, nachhaltiger zu wirtschaften. Eine Antwort auf diese Herausforderungen liefert ein Konzept, das auch in der Fertigungsindustrie immer mehr in den Fokus rückt: die Kreislaufwirtschaft. Statt Materialien nach einmaliger Nutzung zu entsorgen, geht es darum, Produkte und Ressourcen möglichst lange im Wirtschaftskreislauf zu halten – durch Recycling, Wiederverwendung oder innovative Reparaturprozesse. Doch diese Umstellung ist alles andere als einfach: Unternehmen müssen ihre Produktionsprozesse neu denken, moderne Technologien einbinden und sich gleichzeitig mit dem zunehmenden Fachkräftemangel auseinandersetzen. Lohnt sich der Aufwand trotzdem? Ein Blick auf die Potenziale der Kreislaufwirtschaft.
Effiziente Nutzung von Rohstoffen
Das Grundprinzip lautet «Reduce, Reuse, Recycle»: Rohstoffe werden effizient genutzt, Produkte langlebiger gestaltet und Materialien in den Produktionskreislauf zurückgeführt. Die additive Fertigung (3D-Druck) hilft zum Beispiel, Material gezielter einzusetzen und weniger Verschnitt zu produzieren. Auch das Remanufacturing – die Wiederaufbereitung gebrauchter Bauteile – spielt eine wichtige Rolle. Das gilt vor allem für die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie). Besonders in der Automobilbranche ist die technische Überholung, beispielsweise bei Tauschmotoren, fortgeschritten. Auch im Medtech-Bereich, etwa bei MRI-Scannern oder Blockheizkraftwerken, ist das Aufbereiten üblich. Unternehmen sparen auf diese Weise nicht nur Kosten, sie können auch entspannter auf Rohstoffengpässe reagieren.
Investitionen in innovative Technologien
Trotz der Vorteile ist der Übergang zur Kreislaufwirtschaft für viele Unternehmen schwierig. Die meisten Produktionsabläufe basieren noch immer auf einem linearen Wertschöpfungsmodell. Eine Umstellung erfordert daher nicht nur Investitionen in neue Technologien, sondern auch Anpassungen in der gesamten Lieferkette. Zudem stellen gesetzliche Vorgaben und Zertifizierungen eine zusätzliche Hürde dar. Die Anforderungen an recycelte oder wiederaufbereitete Materialien sind komplex. Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle Qualitäts- und Sicherheitsstandards erfüllt werden – ein Prozess, der zusätzliche Ressourcen bindet.
Fachkräfte und Weiterbildung – ein entscheidender Faktor
Parallel zur Transformation der Industrie wächst der Fachkräftemangel. Besonders in technischen Berufen fehlen qualifizierte Arbeitskräfte, die für nachhaltige Produktionsprozesse notwendig sind. Know-how in Bereichen wie Kreislaufwirtschaft, Recycling-Technologien und additiver Fertigung wird immer gefragter, doch das Angebot an Fachkräften bleibt begrenzt.
Allerdings eröffnet sich hier auch eine grosse Chance: Nachhaltige Produktionsmethoden könnten die Branche für junge Fachkräfte attraktiver machen – insbesondere für jene, die Wert auf sinnstiftende Arbeit legen. Unternehmen, die auf nachhaltige Fertigung setzen, könnten sich dadurch besser positionieren, um talentierte Mitarbeitende zu gewinnen.
Ein weiterer Lösungsansatz liegt in gezielter Weiterbildung und Umschulung.
Mitarbeitende aus traditionellen Produktionsbereichen könnten für nachhaltige Fertigungsprozesse qualifiziert werden. Durch Kooperationen mit Hochschulen und Berufsschulen könnten Unternehmen frühzeitig Nachwuchskräfte für die Jobs der Zukunft begeistern.
Grosses Potenzial für die Schweiz
Gerade für die Schweiz bringt die Kreislaufwirtschaft enorme Vorteile. Aufgrund begrenzter natürlicher Ressourcen ist es für viele Unternehmen entscheidend, Rohstoffe möglichst effizient zu nutzen. Dennoch zeigt eine Studie der Berner Fachhochschule (BFH) und der Konjunkturforschungsstelle (KOF), dass bislang nur zehn Prozent der Schweizer Unternehmen substanzielle Massnahmen in der Kreislaufwirtschaft ergreifen und damit einen relevanten Teil ihres Umsatzes erzielen.
Die gute Nachricht: Die Schweiz als Innovationsstandort mit hoch qualifizierten Fachkräften und strengen Qualitätsstandards hat beste Voraussetzungen, um diesen Wandel voranzutreiben. So sieht es auch Giovanni Crupi, Zentralpräsident von Swiss Engineering: «Die Schweiz hat die Möglichkeit, Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft und im Bereich erneuerbarer Energien zu werden.»
Rahmenbedingungen verbessern
Wie kann dieses Ziel erreicht werden? Ein erster Schritt wäre der gezielte Abbau regulatorischer Hürden. Gleichzeitig könnten Massnahmen ergriffen werden, um Innovationen in der Privatwirtschaft zu fördern, Unternehmen besser zu vernetzen und die Digitalisierung voranzutreiben. Auch die Ausbildung spielt eine zentrale Rolle.
«Wir brauchen zum einen die Unternehmen, die vorangehen und die Transformation umsetzen. Wir brauchen auch die Kunden und Kundinnen, die ihr Verhalten ändern», so Karolin Frankenberger, Professorin für Strategisches Management und Innovation an der Universität St. Gallen. «Und drittens brauchen wir unbedingt auch den Staat, der in Richtung Kreislaufwirtschaft stärkere Anreize und Rahmenbedingungen setzt.»
Die Vorteile überwiegen
Letztlich lohnt sich das Engagement. Unternehmen, die frühzeitig in nachhaltige Produktionsmethoden investieren, sichern nicht nur ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit, sondern machen sich auch unabhängiger von schwankenden Rohstoffpreisen – gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Der Wandel mag mit Hindernissen verbunden sein, doch die Chancen überwiegen.
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