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Digitalisierung Innovation Interview

Expertpanel – Digitalisierung in der Schweiz

02.07.2019
von Miriam Dibsdale

Was sind die aktuellen Trends in der Digitalisierung?

Peter Hogenkamp

CEO, Scope Content AG

Die Lage ist unübersichtlich. Es gibt die grossen Trends wie künstliche Intelligenz, Internet of Things, Blockchain, jeder mit gewaltigem Potenzial. Dann gibt es Querschnittsthemen wie Cyber Security oder Datenschutz. Was passiert, wenn wir diese neuen Systeme bauen, aber sie sind nicht sicher genug, indem etwa Terroristen sie lahmlegen könnten, oder ein ausländischer Geheimdienst unsere Daten abzügelt? Die aktuelle Diskussion um Huawei, das wohl die Hälfte seines Umsatzes verliert, zeigt die Brisanz. Die Tatsache, dass ich ehrlich nicht beurteilen kann, ob das nur das Trump-typische erratische Säbelrasseln ist, oder ob die Chinesen uns wirklich mit unseren Smartphones und der Netzinfrastruktur abhören würden, zeigt, wie kompliziert die Materie ist.

Thomas Lang

CEO, Carpathia AG

Generell geht die Digitalisierung viel weiter als nur Technologie, die vor allem durch Innovationen rund um die Blockchain oder auch Machine-Learning-Konzepte für auf künstlicher Intelligenz basierte Anwendung dominiert wird. Die ganzen Umwälzungen stellen Unternehmen vor grösste Heraus-forderungen. Zudem sind die aktuellen Unternehmenslenker oft überfordert und zu stolz, das Ruder schleunigst der jüngeren Generation zu überlassen.

Daniel Niklaus

Geschäftsführer, Netlive IT AG

Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Im Privaten, dem so genannten B2C-Bereich, hat die Digitalisierungswelle durchschlagenden Erfolg. Egal, ob man sich das Einkaufsverhalten anschaut, wie sich Menschen informieren, bewegen oder austauschen – Digital ist überall. Und wir lieben es. Dieser grosse Erfolg im Privaten findet aktuell verstärkt in den Unternehmen statt (B2B). Auch wenn es dort etwas länger dauerte. Das Bewusst-sein ist bei den Managern und den Mitarbeitenden vorhanden. Jetzt werden alle Prozesse digitalisiert. Vor allem künstliche Intelligenz und Blockchain, die bis anhin mehr Schlagwort als praktischer Nutzen waren, erreichen einen Reifegrad, der die Unternehmenswelt in den nächsten fünf bis zehn Jahren massiv beeinflussen wird.

Nicolas Bürer

Managing Director, digitalswitzerland

Alle Unternehmen werden sich zukünftig mit Daten auseinandersetzen. Es findet eine Verschmelzung von Hard- und Software statt. Industriekonvergenz: Apple Watch fordert traditionelle Uhrenmarken heraus, der chinesische E-Commerce-Gigant Alibaba verdrängt mit Alipay andere Online-Zahlungs-Systeme, Amazon dringt in Life Sciences vor.
Auch analoge Branchen müssen sich der digitalen Transformation stellen.
Unser Alltag und Geschäftsleben wird verstärkt von Machine Learning geprägt.

Wie ist die Schweiz davon betroffen?

Peter Hogenkamp

CEO, Scope Content AG

Die Schweiz als Hochlohnland ist natürlich von jeder möglichen Automatisierung und Virtualisierung massiv betroffen, insbesondere, wenn man hört, dass heute der grenzüberschreitende Dienstleistungssektor um 60 Prozent schneller wächst als der Warenverkehr. Unsere Firma beschäftigt auch vier Software-Entwickler in Belgrad, und das nicht nur, um etwas Geld zu sparen, sondern vor allem, weil wir Leute mit dieser Qualifikation in Zürich gar nicht finden würden.

Thomas Lang

CEO, Carpathia AG

Die Schweiz ist sogar noch stärker davon betroffen als der Grossteil der Industrieländer. Denken wir an die bröckelnde Macht der Banken, die es in der heutigen Form kaum noch braucht. Denken wir an die dominante Pharma-Industrie wie auch die Nahrungsmittel-Konzerne, die gerade von der Disruption im Handel stark betroffen sind und viele der altbewährten Strategien, die Gültigkeit verlieren – gerade hinsichtlich regionaler Vertriebskontrollen, Preispolitiken und vielem mehr. Die Digitalisierung reisst territoriale Abgrenzungen ein, was auch die Politik überfordert.

Daniel Niklaus

Geschäftsführer, Netlive IT AG

Für einen international so verflochtenen und breit aufgestellten Standort wie die Schweiz kann man nur sagen: mehr als die meisten anderen Länder auf der Welt.

Nicolas Bürer

Managing Director, digitalswitzerland

Arbeitsmarkt: Durch Digitalisierung verändern sich Aufgaben und es fallen bis zu 1. Mio. Stellen weg. Dafür entstehen fast ebenso viele neue Tätigkeitsfelder. Lebenslanges Lernen ist daher unerlässlich. Innovationskraft: Die Welt wird noch vernetzter und die digitale Disruption schreitet schneller voran. Kleine Märkte wie die Schweiz müssen unbedingt innovativ bleiben. Bevölkerungsakzeptanz: Digitaler Wandel braucht Akzeptanz – gerade bei der breiten Bevölkerung.

Wie steht die Schweiz im Vergleich zum Ausland da?

Peter Hogenkamp

CEO, Scope Content AG

Auch darauf gibt es keine einfache Antwort. Es gibt viele Dauerbrenner wie etwa Cloud Computing oder Mobile Computing, die schon über zehn Jahre laufen, aber viele Firmen noch nicht umgesetzt haben.

Thomas Lang

CEO, Carpathia AG

Wir liegen im Mittelfeld. Wir haben viele innovative Unternehmungen, sehr gute Ausbildungsinstitutionen und Talente. Ich sehe jedoch gegenüber dem Ausland auch klare Defizite etwa im Bereich der Infrastruktur oder der politischen Rahmenbedingungen. Ich wage zu behaupten, dass unsere geschätzte direkte Demokratie unter gewissen Umständen für Innovationen hinderlich ist.

Daniel Niklaus

Geschäftsführer, Netlive IT AG

Hervorragend. Wir halten uns zwar oft für etwas langsamer. Das liegt aber daran, dass wir uns mit den Besten der Besten vergleichen. Wirft man einen Blick auf den breiten Mittelstand, sind wir Weltspitze in der Integration digitaler Technologien. Selbst im Vergleich zu den USA. Wenn wir auch in Zukunft vorne mithalten wollen, müssen wir die Chancen der Digitalisierung noch konsequenter nutzen.

Nicolas Bürer

Managing Director, digitalswitzerland

Die Schweiz positioniert sich rund um das Thema Digitalisierung an der Spitze von globalen Rankings. Wir machen derzeit grosse Fortschritte in vielen Bereichen. Die neue Libra-Währung von Facebook und 27 weiteren Partnern wird mit Hilfe des Vereinssitzes in Genf die ganze Schweiz zu einem führenden Hub für Cryptowährungen und Blockchain-Technologien etablieren.

Einen weiteren Input zur Digitalisierung gibt es hier.

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