Obwohl KI-Anwendungen bereits Alltag sind und in unzähligen Bereichen Vorteile mit sich bringen können, bestehen noch Unsicherheiten mit deren Umgang – vonseiten der Bevölkerung, der Unternehmen als auch der Politik. Eine Auseinandersetzung mit KI-Regulationen.
Schnell den nächsten Zug finden, die optimale Route nachschauen oder das Wetter überprüfen – viele der alltäglichen Apps und Programme beinhalten eine Form der künstlichen Intelligenz. Grundsätzlich ist KI also nichts Neues, ihr Potenzial ist aber noch lange nicht ausgeschöpft. Insbesondere für die Schweiz besteht die Chance, sich mit diesem Technologiebereich sachlich auseinanderzusetzen und international zu positionieren.
KI im Blick
Oftmals wird von «schwacher» gegenüber «starker» KI gesprochen. Alles bisher Mögliche gehöre hierbei zur schwachen KI, während eine zukünftige, starke KI der menschlichen Intelligenz ebenbürtig sei oder diese sogar übertreffe. Jedoch sind auch diese Begriffe und ihre genauen Abgrenzungen umstritten, insbesondere da eine vermeintliche «Super-KI» auf Gedankenspielen und Spekulationen beruht.
Immer wieder tauchen reisserische Narrative über die Zukunft der Technologie auf. 2022 sorgte ein Google-Ingenieur für Furore, als er im Sprachmodell Lamda eine Bewusstseinsentwicklung festgestellt habe. Nach einer Analyse des Sachverhalts durch KI-Expert:innen konnte die Geschichte in Kontext gesetzt und Entwarnung gegeben werden. Trotzdem bleiben solche Narrative hängen und beeinflussen die Vor- und Einstellungen zu technologischen Lösungen von Nicht-Fachpersonen. Sie können so unnötige Ängste schüren und verhindern zudem eine vorurteilsfreie Bewertung bestehender Technologien, deren Nutzen sowie eine klare Sicht auf die zu beobachtenden Dynamiken.
Wahrnehmung und Realität
Die Wahrnehmung der Technologie ist entscheidend – einerseits vonseiten der Bevölkerung, die schlussendlich die KI-Anwendungen akzeptieren muss, und andererseits vonseiten der Unternehmen, der Politik und der Forschung, die die Lösungen gezielt entwickeln, angemessen regulieren und verantwortungsvoll einsetzen sollten.
Obwohl KI schon länger in vielen Technologien wie Sprachassistenten, Chatbots und etwaigen Apps Verwendung findet, erlebt sie derzeit einen Boom. Insbesondere ChatGPT hat gezeigt, wie weit KI-Anwendungen bereits entwickelt sind und welche Potenziale in ihr stecken. Ausschlaggebend über die Zukunft und die soziale Dynamik zwischen Mensch und Maschine ist das Vertrauen in die Technologie. KI erhält immer mehr Handlungsmacht – ob echte oder wahrgenommene – und diese muss im Auge behalten werden.
Das Problem liegt jedoch nicht grundsätzlich bei der Maschine. Die künstliche Intelligenz ist nicht an und für sich gefährlich. Die Gefahr geht vom Menschen aus, der sie mit unlauteren Absichten oder unbedarft einsetzen kann. Zum Beispiel machten einige KI-Anwendungen Schlagzeilen, weil sie diskriminierende Entscheidungen trafen. Dies geschieht allerdings nicht aufgrund der Algorithmen selbst, sondern aufgrund der von Menschen bereitgestellten Daten. In gewisser Weise deckt die KI menschengemachte Diskriminierung auf, sie schafft sie nicht selbst.
Die künstliche Intelligenz ist nicht an und für sich gefährlich.
Regulationen über die Verwendung und den Umgang mit KI werden nötig sein, um Unsicherheiten gegenüber technologischen Lösungen abzubauen. Gleichzeitig sollte eine KI-Gesetzgebung deren Möglichkeiten nicht beschneiden oder Innovationen im Wege stehen. Die Frage, wie dies umgesetzt werden kann, muss man sich jetzt stellen. Denn die Technologie entwickelt sich rasant.
Erste KI-Regulationen
Die EU prescht in Sachen KI-Regulierung voran und arbeitet aktiv am sogenannten «AI Act». Vorgesehen ist, dass KI-Applikation vorgängig in einer vierstufigen Risikoskala eingeteilt wird, von minimalen bis inakzeptablen Risiken. Letztere Anwendungen wären verboten, während bei den anderen Kategorien unterschiedlich strenge Regulierungen zum Zuge kämen. Das geplante Gesetz wird von vielen Seiten kritisiert: Es sei kompliziert und bürokratisch. Darüber hinaus steht in Zweifel, wie zielführend die Regulierung sein wird.
Der Vorschlag des Europäischen Parlaments hat auch Auswirkungen auf die Schweiz: Er wird auch auf Schweizer KI-Produkte anwendbar sein, obwohl die Schweiz keinerlei Mitspracherecht bei der EU hat.
Einstellungen der Schweiz
Es ist also absehbar, dass auch die Schweiz den AI Act nachvollziehen muss. Doch die Schweiz verfolgt eigentlich einen anderen Ansatz. Um Innovation und Entwicklung nicht zu behindern, ist sie vor allem an technologieneutralen Regulierungen interessiert. Anstelle davon, ein risikobasiertes Gesetz für eine spezifische Technologie zu erarbeiten, orientiert sie sich vorrangig am Resultat. Nicht das Instrument wird definiert, sondern das zu schützende Rechtsgut. Das heisst, es wird beispielsweise nicht eine KI mit Potenzial zur Diskriminierung festgestellt und reguliert, sondern das Recht auf Gleichbehandlung durch KI festgeschrieben.
Was simpel klingt, steckt jedoch voller Komplexität und noch ungelöster Fragen. Um festzustellen, wer für ein schädliches Resultat durch KI haftet, müsste die Kausalitätskette genau geklärt werden: Was genau führte zum Schaden? Die Anwendung selbst? Eine unredliche Anwendung? Oder wurde die KI mit den falschen Daten trainiert?
Trotz dieser Schwierigkeiten kann ein solches Vorgehen die Innovation vorantreiben und zur selben Zeit Schäden vermeiden. Auf diese Weise muss man Unternehmen nicht gegen Endkund:innen ausspielen. Beide Parteien sind an Klarheit im Umgang mit KI interessiert, denn es schafft Rechtssicherheit und Vertrauen.
Der Mensch im Zentrum
Der Schweiz kommt zugute, dass die Bevölkerung durchaus offen gegenüber KI-Anwendungen steht, wie die Digital Society Initiative der Universität Zürich in einer nationalen Bevölkerungsumfrage herausfand. Die Umfrage zeigt aber auch, dass die Skepsis wächst, je weitreichender und automatisierter die Entscheidungen ausfallen. Und: Die Befragten äusserten sich optimistisch gegenüber Institutionen wie Gerichten, Behörden oder Organisationen des Gesundheitswesens, während sie sozialen Netzwerken, Banken und Versicherungen weniger vertrauen.
Gerade die Schweiz ist dazu prädestiniert, ein international führender Innovationsstandort in Sachen KI zu werden.
Wie bei allen Entwicklungen der Digitalisierung sollte auch bei der KI und deren Regulation der Mensch im Zentrum stehen und das Vertrauensverhältnis der Bevölkerung ernst genommen werden. Erste Schritte können weitere Forschungen, Ethik-Gremien und Transparenzkriterien darstellen. Denn Vertrauen basiert auf dem Wissen, wann man es mit KI zu tun hat, wofür sie eingesetzt wird und wie sie funktioniert. Um dies offenzulegen, brauchen Unternehmen keinen Gesetzesrahmen.
Dystopische Zukunftsvisionen über Super-KIs bringen die Schweiz nicht weiter. Vielmehr sollte man sich der bestehenden Risiken bewusst sein und Innovationen in die richtigen Bahnen lenken. Gerade die Schweiz ist dazu prädestiniert, ein international führender Innovationsstandort in Sachen KI zu werden. Sie verfügt über die besten Talente, erstklassige Forschung und innovative Unternehmen. Wenn wir für eine sachliche Betrachtung der KI bereit sind, kann die Schweiz ihre Innovationschancen nutzen und einen ethischen sowie verantwortungsvollen Umgang mit modernsten Technologien fördern.
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