Nach einem langen Arbeitsleben freuen sich die meisten Schweizerinnen und Schweizer auf den wohlverdienten Ruhestand. Doch obschon das hiesige Sozialversicherungssystem und die Altersvorsorge als vorbildlich gilt, bestehen diverse Herausforderungen.
Das Sozialversicherungssystem der Schweiz wird weltweit als Musterbeispiel herangezogen, wenn es um die finanzielle Absicherung der Bevölkerung geht. Eine essenzielle Voraussetzung für das Funktionieren dieses Systems ist Stabilität. Es passt daher, dass die Schweizer Vorsorge auf dem sogenannten «Drei-Säulen-Prinzip» beruht. Bei der ersten Säule handelt es sich um die «Staatliche Vorsorge», die primär aus der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) sowie der Invalidenversicherung (IV) gebildet wird. Diese Gewerke sollen die Grundbedürfnisse im Alter, bei Invalidität oder im Todesfall abdecken. Die erste Säule finanziert sich durch Lohnbeiträge und staatliche Zuschüsse im Umlageverfahren (mehr dazu finden Sie in der Erklärbox unten).
Bei der zweiten Säule handelt es sich um die «Berufliche Vorsorge», konkret ist hier von den Pensionskassen die Rede. Der Auftrag der zweiten Säule besteht darin, in Kombination mit der ersten Säule den gewohnten Lebensstandard der Bevölkerung im Alter sicherzustellen. Die berufliche Vorsorge wird durch Arbeitnehmende und Arbeitgebende gemeinsam im Kapitaldeckungsverfahren finanziert. Bei der dritten Säule wiederum handelt es sich um eine freiwillige, private Vorsorge. Sie ermöglicht individuelles, steuerbegünstigtes Sparen fürs Alter sowie ergänzende Deckungen für Tod und Invalidität.
Eine politische Sackgasse
Aus aktuellem Anlass wird in diesem Beitrag die zweite Säule, sprich die berufliche Vorsorge, näher unter die Lupe genommen. Wie bereits ausgeführt, wird die BVG sowohl durch Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende über Beiträge finanziert. Das dadurch anfallende Kapital wird nach verschiedenen Strategien im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben investiert, um eine Rendite zu erwirtschaften, die für die aktiven Versicherten eine angemessene Verzinsung zulässt und die Rentenverpflichtungen refinanziert. Da auch die Schweiz wie alle anderen entwickelten Industrieländer mit dem demografischen Wandel zu kämpfen hat, befindet sich das Sozialversicherungssystem unter Druck. Vereinfacht gesagt: Die Pensionskassen müssen aufgrund der Überalterung der Gesellschaft mehr Geld für die Finanzierung der laufenden Renten aufwenden, als von Arbeitgebenden und Angestellten angespart wird. Aus diesem Grund will der Bundesrat den obligatorischen Umwandlungssatz senken und dafür Ausgleichsmassnahmen schaffen. Der Umwandlungssatz dient dazu, das zum Zeitpunkt der Pensionierung angesparte Kapital in eine jährliche Altersrente umzuwandeln. Ein tieferer Umwandlungssatz bedeutet dementsprechend weniger Rente – und das lebenslänglich.
Die Schweiz steckt mit ihrem Vorsorge-System seit Längerem in der Sackgasse.
Was ist konkret geplant? Künftig soll sich der BVG-Umwandlungssatz auf sechs Prozent belaufen, statt wie bisher 6,8 Prozent. Dementsprechend würden pro 100 000 Franken Sparguthaben jährlich 6000 Franken an Rente ausbezahlt (statt 6800 Franken). Für die Übergangsjahrgänge sind Kompensationen vorgesehen. Die Pläne des Bundes wurden zwar vom Parlament gestützt, doch die SP und die Gewerkschaften haben das Referendum ergriffen. Sie kritisieren die BVG-Reform wegen der höheren Beiträge bei gleichzeitig geringeren Renten. Zudem trage man den Ansprüchen von Teilzeitarbeitnehmenden und Frauen nicht ausreichend Sorge. Doch auch aus dem bürgerlichen Lager werden kritische Stimmen laut: Mit der Reform gingen höhere Lohnkosten einher, was insbesondere für KMUler problematisch sein könne. Nun dürfte die BVG-Reform voraussichtlich 2024 vor die Urne kommen.
Der Nachbar macht seine Altersvorsorge besser
Die Schweiz steckt mit ihrem Vorsorge-System seit Längerem in der Sackgasse. Dabei wäre Inspiration nah: Fachleute aus der Branche sind sich nämlich einig, dass Liechtenstein der Schweiz bei der Altersvorsorge einen Schritt voraus ist. Das «Ländle» kann dank seiner agileren Gesetzgebung adäquater auf Entwicklungen reagieren als die Schweiz. Wie ist das möglich?
Obschon Liechtenstein wie die Schweiz ein Drei-Säulen-System für die Vorsorge kennt, ergeben sich vornehmlich bei der beruflichen Vorsorge enorme Unterschiede. So kennt man beim Nachbarn weder den gesetzlichen Umwandlungssatz noch den Mindestzins. Die 17 Pensionskassen legen selbst fest, welche Richtwerte bei ihnen gelten. Aus diesem Grund war die Umverteilung von den Aktiven zu den Rentnerinnen und Rentnern weniger ausgeprägt als hierzulande. Gleichzeitig wird das Sparkapital der Aktiven durchschnittlich höher verzinst. Grundlage für den Erfolg im Fürstentum bildet die AHV- und BVG-Revision von 2016. Darin wurde unter anderem beschlossen, die Eintrittsschwelle für die Versicherungspflicht in der Pensionskasse auf 13 920 Franken zu senken. Auf diese Weise wuchs die Zahl der Versicherten um gut fünf Prozent an. Zudem wurde das Eintrittsalter für die zweite Säule von 23 auf 19 Jahre gesenkt, während die Sparbeiträge von ehemals sechs auf mindestens acht Prozent angehoben wurden.
Die Liechtensteiner:innen dürfen sich freuen: Ihre maximale Jahresrente liegt mit 30 160 Franken pro Monat fast 1500 Franken über dem Schweizer Äquivalent. Zudem sind die AHV-Renten von Verheirateten nicht gedeckelt. Fachleute sehen einen der wichtigsten Vorteile des Fürstentums in der Tatsache, dass im Gegensatz zur Schweiz die technischen Parameter wie Umwandlungssatz und Mindestzins nicht gesetzlich vorgegeben werden. Die Schweiz hat also noch Hausaufgaben zu erledigen, um hinsichtlich BVG mit dem kleineren Nachbarn gleichzuziehen.
Tipp: Unter bvgauskuenfte.ch findet man praxisrelevante Informationen zu allen Vorsorge-Themen. Auch der ASIP, Verband der Schweizer Pensionskassen, setzt sich für eine starke berufliche Vorsorge ein.
Gut zu wissen über die Altersvorsorge
Umwandlungssatz
Unter dem Umwandlungssatz wird ein festgelegter Prozentsatz verstanden, der die jährliche BVG-Rente aus dem Altersguthaben bei der Pensionskasse definiert. Der obligatorische Sparteil des BVG wird mit dem gesetzlichen Umwandlungssatz, auch als «Mindestumwandlungssatz» genannt, verrentet. Für den überobligatorischen Umwandlungssatz ist der Stiftungsrat der Pensionskasse verantwortlich.
Umlageverfahren
Die AHV (1. Säule) wird nach dem Umlageverfahren finanziert: Die wirtschaftlich aktive Generation finanziert die Rentnerinnen und Rentner. Die eingenommenen Beiträge werden unmittelbar zur Finanzierung der Leistungen verwendet, also «umgelegt», dementsprechend wird kein Geld angespart.
Kapitaldeckungsverfahren
Anders als beim Umlageverfahren werden bei dieser Methode die Beiträge für jede Person am Kapitalmarkt angelegt und am Ende der Versicherungsperiode wieder zurückgezahlt. So sparen alle für sich selbst. Bei der Pensionskasse, die nach dieser Methode funktioniert, heisst das: Alle Beiträge, die man im Laufe seines Lebens einzahlt, werden wie bei der Bank dem BVG-Sparkonto nachgeführt bzw. gutgeschrieben.
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