Künstliche Intelligenz prägt zunehmend unseren digitalen Alltag. An vorderster Front dieser Entwicklung steht auch Google. «Fokus» erfuhr von Christine Antlanger-Winter, Länderchefin von Google-Schweiz, wie Innovationen wie Gemini Live, die KI-Übersichten in der Google-Suche oder NotebookLM entstehen – und wie sie unseren Umgang mit Informationen für immer verändern werden.
Frau Antlanger-Winter, können Sie sich noch an den ersten Austausch mit einer künstlichen Intelligenz erinnern, der Ihnen ein echtes Wow-Gefühl vermittelte?
E-Mails schneller und inhaltlich prägnanter zu verfassen, fand ich persönlich ein wirklich effektives Anwendungsbeispiel von generativer KI. Die Qualität der Textvorschläge war von Beginn an beeindruckend und zeigte das Potenzial von generativer künstlicher Intelligenz. Und obschon das noch nicht allzu lange her ist, haben wir seitdem mehrere Quantensprünge vollzogen. Erst kürzlich durften wir die Bildschirmfreigabe in «Gemini Live» vorstellen: Diese neue Funktion unserer generativen KI «Gemini» macht es zum Beispiel möglich, mit der Handykamera einen Raum zu screenen und die KI anschliessend fast in Echtzeit zu fragen, wo im Raum die Brille liegt. Gemini beschreibt mündlich, wo die Brille im Raum gesichtet wurde, und die KI dient so als Sehhilfe. Was also als Schreibhilfe für Mails begann, kann mir heute dabei helfen, mich in der realen Welt besser zurechtzufinden. Das ist ein echter Wow-Moment.
Eine der augenfälligsten KI-Entwicklungen aus dem Hause Google ist die KI-Übersicht in der Suche. Welchen Nutzen bringt diese Funktion?
Die KI-Übersicht – oder «AI Overview», wie sie auf Englisch heisst – erweitert die klassische Google-Suche um eine neue Dimension. Konkret kommt die KI bei jeder Suchanfrage zum Tragen, bei der eine Zusammenfassung von Inhalten aus mehreren Quellen sinnvoll ist. Als begeisterte Bikerin habe ich etwa kürzlich die Frage «Welche Kriterien machen ein gutes Gravel-Bike aus?» ins Suchfenster getippt. Die KI-Übersicht gab mir darauf prägnant Antwort und nannte auch die verwendeten Quellen. Dies wird situativ passend ergänzt durch allfällige Shopping-Anzeigen sowie klassische Suchergebnisse. Man findet also alles auf einen Blick und bekommt noch viel prägnanter und schneller die gewünschten Informationen. So entsteht ein holistisches Antwortspektrum, das die Google-Suche als Recherche- und Entscheidungstool verbessert.
Welche sind weitere Meilensteine, die man in den letzten Monaten im KI-Feld erzielen konnte?
Generell geht es meines Erachtens darum, KI im Allgemeinen und Large Language Models im Speziellen so weiterzuentwickeln, dass sie von einer interessanten Spielerei zu einem echten Mehrwert im privaten und geschäftlichen Alltag werden. Unser aktuelles Modell von Gemini, Modell 2.5, macht diesen Anspruch augenfällig. Es führt derzeit sämtliche Rankings für generative KI an und macht durch die Funktion der Screen-Freigabe den Schritt in die reale Welt – wie das Brillen-Beispiel gezeigt hat. Man muss also nicht mehr unbedingt prompten, um die Kraft der künstlichen Intelligenz zu nutzen. Diese Philosophie entwickeln wir mit Anwendungen wie «NotebookLM» weiter. Hier wird generative KI dazu verwendet, um Inhalte aus verschiedenen Dokumenten zusammenzufassen, was enorm hilfreich ist, wenn man etwa verschiedene Studien analysieren will. Man kann sich diese Inhalte sogar in Form einer automatisch generierten Audio-Zusammenfassung anhören. Ideal, um die Augen zu schonen (lacht).
Sie sagen, dass KI idealerweise einen konkreten Mehrwert in der echten Welt bieten soll. Haben Sie ein anderes Beispiel, wo das gelingt?
Es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten, die enorme Vorteile bieten. So haben wir etwa unsere KI-Modelle für die Vorhersage und somit Frühwarnung von Extremwetterereignissen wie zum Beispiel Dürren oder Überschwemmungen signifikant verbessert. Im Gesundheitsbereich werden ebenfalls stetig neue Chancen ergriffen und für Unternehmen bieten KI-Modelle enormes Potenzial in Bereichen wie Marketing und Kundenservice. Und das ist längst nicht alles: Die KI in Google Maps hilft Logistikunternehmen beispielsweise dabei, die schnellste und energieeffizienteste Route zu wählen. Alle diese Beispiele machen eines deutlich: KI hat die Kraft, Menschen bei ihren täglichen Aufgaben massgeblich zu unterstützen und wir arbeiten tagtäglich daran, die Technologien so auszustatten, dass sie sich in verschiedenen Kontexten optimal einsetzen lassen.
Welche Rolle spielt die KI-Entwicklung für den Google-Standort Schweiz?
Seit jeher ist KI ein Riesenthema für uns; wir arbeiten in Zürich mit diversen Teams an KI-Entwicklungen mit, wie bei Google DeepMind inklusive Gemini, Maps, Translate und NotebookLM. Dabei kommt uns auch die bewährte Zusammenarbeit mit den weltweit führenden Schweizer Hochschulen wie der ETH Zürich und der EPFL zugute.
Welche mittel- und langfristigen Ziele streben Sie als Google-Schweiz-Chefin mit Ihren Teams an, wenn es um KI geht?
An der «Google IO»-Konferenz wurden verschiedene spannende, KI-relevante Produktreleases präsentiert, an denen auch unsere Teams aus Zürich mitwirken. Diese Engagements werden wir natürlich fortführen. Um dies tun zu können, werden wir auch künftig als starker Partner für die hiesigen Forschungs- und Bildungsstätten und Unternehmen agieren, wie auch unsere Expertise einbringen, das ist mir besonders wichtig.
Bilder © Ines Lechleitner
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