KI revolutioniert die Wirtschaft – doch wie navigieren Schweizer Firmen rechtssicher durch diese Transformation? Lukas Bühlmann, Anwalt und Partner bei MLL Legal, analysiert die Chancen und Risiken der Technologie und zeigt auf, warum strategische Weitsicht im Umgang mit KI schon heute über die Wettbewerbsfähigkeit von morgen entscheidet.

Lukas Bühlmann
Anwalt und Partner
Herr Bühlmann, wie würden Sie die aktuelle Haltung der Schweizer Gesellschaft und des Gesetzgebers gegenüber künstlicher Intelligenz beschreiben – wird KI primär als Chance oder als Risiko wahrgenommen?
Im Moment sicherlich eher als Chance, sowohl gesellschaftspolitisch als auch aus der juristischen Perspektive. Doch auch die Risiken werden nicht verleugnet, denn diese existieren durchaus. Es ist allerdings schwierig, sie genau zu verorten. Man erkennt hierzulande, dass man den Innovations- und Wirtschaftsstandort fördern muss, wofür KI attraktive Möglichkeiten eröffnet. Gleichzeitig gilt es zu verhindern, die Schweiz mit einer zu rigiden Regulierung hinsichtlich KI zu benachteiligen. Es ist also entscheidend, die richtige Balance zu finden.
Welche KI-Risiken gelten denn als realistisch?
Zentral sind Risiken rund um Intransparenz und Verzerrungen in den Datengrundlagen. Fragen wie: Woher stammen die Daten? Sind sie verlässlich? Wird der Datenschutz gewahrt – und entstehen ungewollte Diskriminierungen durch algorithmische Entscheidungen? Solche Effekte werden unter dem Stichwort «Bias» diskutiert. Diese Herausforderungen müssen ernst genommen werden, ohne die Entwicklung der Technologie unnötig zu bremsen. In der Schweiz setzt man dabei auf einen risikobasierten, technologieneutralen Ansatz mit Fokus auf Selbstregulierung. Bei Themen wie Sicherheit, Privatsphäre oder Grundrechten jedoch braucht es klare gesetzliche Leitplanken.
Welche grundlegenden rechtlichen Fragen wirft der Einsatz von KI-Systemen auf, die bestehende Gesetze möglicherweise nicht ausreichend abdecken – und welche Folgen hat dies für hiesige Firmen?
Viele rechtliche Herausforderungen im Zusammenhang mit KI sind heute noch nicht absehbar – doch bereits jetzt zeigen sich Lücken. So fehlt es an klaren Antworten auf grundlegende Fragen wie: Wer haftet, wenn eine KI eine fehlerhafte Entscheidung trifft und dadurch ein Schaden entsteht? Diese Problematik ist nicht neu, wurde schon in der Robotik diskutiert, bleibt aber bis heute weitgehend ungelöst – und wird mit zunehmender Komplexität der Systeme noch drängender. Hinzu kommen zentrale Themen wie Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Datenschutz oder Diskriminierungsrisiken – etwa im HR-Bereich oder im Zusammenhang mit automatisierten Entscheiden bei Versicherungen. Auch neue Phänomene wie Deepfakes oder KI-generierte Fake News werfen Fragen auf, die vom geltenden Recht bislang nur unzureichend erfasst werden. Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen sich proaktiv mit den rechtlichen Implikationen der KI-Nutzung befassen – und zwar nicht erst, wenn ein Problem entstanden ist.
Welche konkreten Schritte unternimmt die Schweiz derzeit, um den Einsatz von KI zu regulieren? Gibt es bereits Gesetzesentwürfe oder politische Leitlinien, die Sie für besonders relevant halten?
Der Bund verfolgt derzeit einen zurückhaltenden Ansatz und überlässt es weitgehend den Unternehmen, eigene Richtlinien für den KI-Einsatz zu entwickeln. Diese Entscheidung ist politisch motiviert und weniger durch die Faktenlage als durch die Sorge vor Überregulierung geprägt. Das zeigt sich deutlich an der vom Bund in Auftrag gegebenen Auslegeordnung zur Regulierung von KI, die als Entscheidungsgrundlage für den Bundesrat diente. Sie liefert eine differenzierte, fundierte Analyse zu Chancen, Risiken und Regulierungsbedarf – sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene. Fachlich wäre auf Basis dieser Auslegeordnung durchaus auch ein stärker regulierender Ansatz gerechtfertigt gewesen. Dass der Bundesrat diesen Weg nicht gewählt hat, ist legitim – doch wäre es wichtig gewesen, diesen Entscheid im Lichte der vorliegenden Analyse transparent zu begründen. Diese Klärung ist bislang ausgeblieben.
Einen anderen Ansatz verfolgt die EU mit ihrem «EU AI Act». Könnten Sie dessen Kernprinzipien und die Risikoklassifizierung erläutern? Was sind die Hauptziele dieses Gesetzes?
Der AI Act basiert auf einem risikobasierten Ansatz und unterteilt KI-Systeme in vier Kategorien: minimale, begrenzte, hohe und unannehmbare Risiken. Für jede Risikostufe gelten abgestufte regulatorische Anforderungen. Systeme mit minimalem Risiko – etwa einfache KI-Spamfilter – unterliegen keinen spezifischen Vorgaben. Bei begrenztem Risiko, zum Beispiel bei KI-Chatbots, bestehen primär Transparenzpflichten wie die Pflicht zur Offenlegung gegenüber Nutzenden. Hochrisiko-Systeme, etwa in der medizinischen Diagnostik, stehen besonders im Fokus, da sie zwar grosses Potenzial bieten, aber strengen Auflagen unterliegen – darunter Risikoanalysen, Nachweise zur Datenqualität und menschliche Kontrollmechanismen. Kritiker befürchten, dass diese strikten Vorgaben Innovationen hemmen könnten. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zum eher marktorientierten US-Ansatz, was die Kritik an der regulatorischen Schwerfälligkeit der EU zusätzlich befeuert.
Also ist der eher liberale Ansatz der Schweiz doch besser?
Der AI Act ist sicher nicht frei von Kritik, doch viele Schweizer Unternehmen werden ohnehin unter seinen Anwendungsbereich fallen – etwa weil sie ihre Produkte oder Dienstleistungen im EU-Raum anbieten. In der Praxis profitieren sie daher kaum von weniger strengen nationalen Vorgaben, da sie faktisch die Anforderungen des AI Act erfüllen müssen. Schweizer Firmen kommen somit oft nicht darum herum, ihre KI-Systeme EU-kompatibel auszugestalten – unabhängig von den hiesigen Regelungen.
Wie bleibt also eine Kanzlei wie MLL Legal am Puls der Zeit und Technologie, um Klientinnen und Klienten optimal zu begleiten?
Das ist auch für uns eine permanente Herausforderung. Wir begegnen ihr, indem wir regulatorische Entwicklungen – insbesondere internationale Vorhaben wie den EU AI Act – laufend analysieren und mit den nationalen Rahmenbedingungen abgleichen. Viele unserer Klientinnen und Klienten stehen vor der Frage, ob und in welchem Umfang sie vom EU-Recht erfasst sind. Wir klären dies ab und zeigen die konkreten Auswirkungen auf ihr Geschäft auf: Welche rechtlichen Pflichten gelten heute? Welche Vorgaben sind in Zukunft zu erwarten?
Gleichzeitig beobachten wir mit grossem Interesse den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Rechtsbereich. Wir testen aktiv verschiedene Tools und Ansätze, um deren Nutzen in der Praxis zu evaluieren. Wie stark KI menschliche Arbeit heute bereits ersetzen kann, hängt stark vom jeweiligen Anwendungsfall ab. Besonders in der Strukturierung und Vermittlung von Fachinhalten erweisen sich aktuelle Systeme jedoch bereits als hilfreiche Unterstützung. Ich bin überzeugt, dass KI unseren Berufsstand grundlegend verändern wird. Deshalb arbeiten wir an einer «KI-unterstützten Legal-Toolbox», die unseren Klientinnen und Klienten den Zugang zu unserem spezialisierten Know-how noch effizienter ermöglichen soll. Dabei ist für uns klar: So wichtig Technologie auch ist – sie ersetzt nicht das persönliche Vertrauen und die rechtliche Expertise, die unsere Mandantenbeziehungen ausmachen.
Welche zentralen rechtlichen Chancen und Herausforderungen wird die AI-Thematik in den kommenden Jahren für die Schweizer Wirtschaft haben?
Die grossen Themen liegen auf der Hand: Künstliche Intelligenz verspricht erhebliche Effizienzgewinne und eröffnet neue Geschäftsmodelle – viele davon sind heute erst in Ansätzen erkennbar. Damit diese Potenziale realisiert werden können, braucht es jedoch Vertrauen in die zugrunde liegenden Technologien sowie in die rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen. Unternehmen müssen sich deshalb intensiv mit Fragen wie Transparenz, Rechtssicherheit, dem verantwortungsvollen Einsatz von KI und der Wahrung menschlicher Kontrolle auseinandersetzen. Der technologische Einsatz allein genügt nicht – ebenso wichtig ist der schnelle Aufbau interner Kompetenz.
Eine zentrale Herausforderung sehe ich darin, dass die aktuell eher zurückhaltende Regulierung in der Schweiz trügerische Sicherheit vermitteln könnte. Ohne wahrgenommenen Handlungsdruck droht eine gefährliche Passivität – gerade in einem globalen Umfeld, in dem die Dynamik kaum zu unterschätzen ist. Genau hier setzen wir bei MLL Legal an: Wir helfen Unternehmen, die regulatorischen und strategischen Fragen rund um KI zu durchdringen und diese mit ihrer konkreten Geschäftsrealität in Einklang zu bringen.
Weitere Informationen unter www.mll-legal.com/lukas-buehlmann/
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