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Deutschland Künstliche Intelligenz Wirtschaft

Wenn Cyberkriminelle aufrüsten und Unternehmen kontern

27.05.2025
von Thomas Soltau

KI verändert die Spielregeln in der Cybersicherheit. Doch wer spielt das Spiel besser – Angreifer oder Verteidiger? Ein Einblick in ein Wettrennen, bei dem der Einsatz täglich steigt. Eines ist klar: KI definiert das ewige Katz-und-Maus-Spiel in der Cybersicherheit neu.

In der digitalen Welt von 2025 hat sich künstliche Intelligenz (KI) zu einem wahren Chamäleon entwickelt: Mal tritt sie als Retterin in der Not auf, mal als listige Komplizin der Cyberkriminellen. Während Unternehmen KI nutzen, um ihre digitalen Festungen zu sichern, setzen Hacker:innen dieselbe Technologie ein, um genau diese Mauern zu durchbrechen. Ein modernes Wettrüsten, bei dem beide Seiten ihre Strategien ständig anpassen müssen.

Wenn Hacker:innen aufrüsten und die Unternehmen nachziehen, wird es riskant. Eine falsche Entscheidung kann zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen führen. Etwa dann, wenn man eine gefälschte E-Mail von der »Chefin« anklickt. Perfektes Deutsch, keine Rechtschreibfehler, das Logo korrekt platziert. Der Buchhalter klickt – und schwupps, 70 000 Euro landen auf einem ausländischen Konto. Der Trick: Künstliche Intelligenz hatte den Erpresser:innen beim Texten geholfen. Deepfake pur – willkommen im Jahr 2025.

KI – das neue Multitool der Cyberkriminalität

Die Angreifenden werden raffinierter. Nicht nur, weil sie es können, sondern weil sie es sich leisten können. KI ist heute kein Werkzeug mehr, das nur in Forschungslabors existiert. Generative Modelle – früher hauptsächlich für Bilder und Texte gefeiert – lassen sich längst zweckentfremden. Und zwar mit erschreckender Effizienz. Deepfakes, stimmlich kaum von echten Menschen zu unterscheiden, führen mittlerweile sogar zu gefälschten Videokonferenzen. Der »Chef« ruft selbst an – zumindest scheint es so.

Dr. Ralf Wintergerst, Präsident des Digitalverbands Bitkom, warnt: »Die Bedrohungslage für die deutsche Wirtschaft verschärft sich. Die Unternehmen müssen ihre Schutzmaßnahmen weiter hochfahren.« Und Sinan Selen, Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, ergänzt diese Aussage. »Die Angriffsvektoren auf die deutsche Wirtschaft haben sich verschoben. Die Verzahnung von Cyberspionage und Cybercrime hat weiter zugenommen.«

Und die Wirtschaft? Reagiert – wenn auch etwas verschlafen

Eine aktuelle Bitkom-Studie zeigt: 69 Prozent der Unternehmen erwarten, dass KI-basierte Angriffe in den kommenden Jahren stark zunehmen werden. Viele investieren inzwischen in eigene KI-Systeme, die verdächtige Muster in Daten erkennen oder ungewöhnliches Verhalten automatisch melden. Trotzdem: »Täglich werden etwa 250 000 neue Schadprogramme entwickelt. Die deutsche Wirtschaft hat in den letzten zwölf Monaten rund 180 Milliarden Euro Schaden durch Cyberangriffe erlitten«, sagt Arne Schönbohm, Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, in einem Interview Ende des letzten Jahres.

Ransomware bleibt das Sorgenkind

Ransomware-Angriffe sind die Einbrecher mit digitaler Skimaske. Sie verschlüsseln Daten und verlangen Lösegeld – nicht selten Millionenbeträge. Laut Bitkom wurden 2024 über 53 Prozent der deutschen Unternehmen Opfer solcher Attacken, Tendenz steigend. Und ja, die Angreifer:innen setzen auch hier vermehrt auf KI: Sie analysieren zuerst Unternehmensdaten, um herauszufinden, wie hoch ein Lösegeld realistisch erscheint – psychologische Kriegsführung im Hochleistungsmodus. Nicht zu unterschätzen ist auch das Einfallstor »Internet der Dinge«. Smarte Türklingeln, Überwachungskameras, Sensoren in der Produktion – sie alle sind Teil eines gewaltigen Netzwerks. Praktisch, aber oft schlecht geschützt. Updates? Fehlanzeige. Passwörter? Meist noch »admin123«. Hacker:innen brauchen nur Sekunden, um Zugriff zu erlangen. Einmal drin, machen sie es sich gemütlich – wie ein Gast, der unbemerkt den Kühlschrank leert.

Verteidigung mit KI, aber bitte mit Fingerspitzengefühl

Natürlich schläft auch die Gegenseite nicht. Unternehmen nutzen KI längst zur Abwehr. Moderne Systeme analysieren verdächtige Log-ins, erkennen auffällige Datenbewegungen – und schlagen im Ernstfall automatisch Alarm. Doch Vorsicht: Wer glaubt, dass KI die menschliche Intuition ersetzt, irrt. Prof. Dr. Jens Krüger, Cybersecurity-Experte an der TU Hamburg, formuliert es so: »KI ist der Assistenzarzt, nicht der Chefarzt. Die Diagnose trifft am Ende der Mensch.«
Vertrauen ist gut, Trainingsdaten sind besser.

Wir stehen am Anfang eines Jahrzehnts, in dem Vertrauen in digitale Kommunikation neu verhandelt wird. War früher eine Mail mit schlechtem Deutsch verdächtig, muss man heute genau hinsehen – oder besser: hinhören. Unternehmen sind gut beraten, nicht nur in Technik, sondern auch in Schulung zu investieren. Denn jeder Klick kann teuer werden. Und für unvorsichtige Menschen, die zu schnell E-Mails öffnen? Dort hat man mittlerweile eine KI-Lösung eingeführt – eine, die verdächtige E-Mails erkennt, bevor sie gelesen werden. Einfach die Vorgesetzten anrufen, falls man mal wieder eine Mail von ihnen bekommt. Nur zur Sicherheit.

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