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Digitalisierung Mobilität

Wie Mobilitätsdaten den Alltag effizienter machen können

27.09.2025
von Aaliyah Daidi

Die Schweiz gilt international als Land mit einem hoch entwickelten öffentlichen Verkehrssystem und einer traditionell starken Infrastrukturplanung. Dennoch bleibt das Thema Mobilität eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit: Staus in Agglomerationen, überlastete Bahnen im Pendlerverkehr und steigende Kosten für Städte und Gemeinden prägen den Alltag. Eine neue Initiative, die Mobilitätsdaten als «digitale Infrastruktur» in Form einer nationalen App verfügbar macht, könnte einen entscheidenden Wendepunkt einleiten.

Mobilitätsdaten als Gemeingut

Mobilität erzeugt riesige Datenmengen: Fahrpläne, Stauinformationen, Auslastungen von Zügen und Bussen, Car-Sharing-Verfügbarkeiten, Parkhausbelegung oder E-Scooter-Standorte. Diese Informationen werden heute meistens von einzelnen Anbietern gesammelt – SBB, Postauto, Mobility, private Sharing-Start-ups oder Navigationsdienste. Für die Nutzerinnen und Nutzer bedeutet das: Wer effizient unterwegs sein möchte, muss sich durch verschiedene Apps und Plattformen klicken.

Was wäre, wenn man die Mobilitätsdaten verschiedener Unternehmen und Institutionen zusammenführt und in einer zentralen App zugänglich macht? Ein solches «Mobilitätsdaten-Ökosystem» könnte ähnlich wie Google Maps funktionieren, allerdings mit einem klaren Fokus auf die Schweiz und mit offenem Zugang für verschiedene Anbieter.

Ein Blick in den Alltag

Wie könnte eine solche Idee das alltägliche Leben verändern? Nehmen wir das Beispiel von Anna, die in Bern wohnt und in Zürich arbeitet. Heute plant sie ihre Reise meist mit der SBB-App, prüft parallel Google Maps für die Verkehrslage und sucht am Ende der Fahrt in einer separaten App nach einem freien Mobility-Auto.

In einer integrierten Mobilitäts-App könnte ihr Alltag ganz anders aussehen:

  • Morgens meldet die App in Echtzeit, dass ein Unfall die A1 blockiert, und schlägt automatisch eine Kombination aus Zug und E-Bike für die letzten Kilometer in Zürich vor.
  • Unterwegs erhält Anna eine Benachrichtigung: Der ursprünglich geplante Zug ist überfüllt. Die App empfiehlt einen Zug zehn Minuten später, der weniger Passagiere hat – die Wartezeit nutzt sie in einem nahe gelegenen Coworking-Café, das direkt eingebunden ist.
  • Abends kombiniert die App ihre Heimreise mit einem kurzen Zwischenstopp: Sie kann ein Mobility-Auto nehmen, weil die App weiss, dass sie noch einen Einkauf transportieren will.

Dieser Alltag wirkt nicht nur entspannter, sondern auch effizienter. Statt fragmentierte Entscheidungen treffen zu müssen, bietet die App einen personalisierten, datenbasierten Mobilitätsfluss.

Chancen für Städte und Gemeinden

Aus städtischer Perspektive hätte die Verfügbarkeit solcher Mobilitätsdaten erhebliche Potenziale.

  1. Weniger Stau und bessere Verkehrslenkung: Echtzeitinformationen könnten genutzt werden, um Verkehrsströme dynamisch zu lenken. Autofahrende könnten aktiv in den ÖV oder auf alternative Routen umgeleitet werden, bevor sich Staus überhaupt bilden.
  2. Effizienzsteigerung im ÖV: Wenn Auslastungsdaten transparent sind, lassen sich Fahrzeuge und Personal besser einsetzen. Überfüllte Züge könnten so entlastet und leere Verbindungen reduziert werden.
  3. Kostenreduktion durch geteilte Infrastruktur: Statt für jede Stadt eigene Systeme aufzubauen, könnte eine nationale Lösung gemeinsame Standards und Synergien ermöglichen. Digitale Infrastruktur würde die physische Infrastruktur ergänzen – und langfristig Kosteneffizienz schaffen.
  4. Förderung nachhaltiger Mobilität: Durch die einfache Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel (Multimodalität) würde der Umstieg vom Auto auf ÖV, Velo oder Sharing-Angebote attraktiver werden. Damit könnte die App auch klimapolitische Ziele unterstützen.

Herausforderungen und offene Fragen

Natürlich wirft ein solcher Ansatz auch Fragen auf:

  • Datenschutz und Datensouveränität: Wer besitzt die gesammelten Daten? Wie werden personenbezogene Informationen anonymisiert? Gerade in einem Land mit hoher Sensibilität für Privatsphäre ist dies ein zentraler Punkt.
  • Koordination zwischen privaten und öffentlichen Akteuren: Unternehmen verfolgen unterschiedliche Geschäftsmodelle. Ein gemeinsames Ökosystem würde klare Regeln, Standards und möglicherweise gesetzliche Rahmenbedingungen erfordern.
  • Digitale Teilhabe: Nicht alle Bevölkerungsgruppen nutzen Smartphones gleich intensiv. Damit eine solche App ein echter «Gamechanger» werden würde, braucht es einfache Bedienbarkeit und alternative Zugänge.

Mehr Effizienz, weniger Verkehr?

Ob eine solche Lösung tatsächlich zu weniger Stau führt, hängt von der Akzeptanz ab. Wenn viele Menschen ihre Routen anpassen und auf alternative Verkehrsmittel umsteigen, könnte der Effekt gross sein. Städte würden profitieren, weil sich die vorhandene Infrastruktur besser nutzen liesse. Gleichzeitig dürfte sich die Lebensqualität erhöhen: weniger Stress, weniger Zeitverlust, mehr Flexibilität.

Für berufstätige Menschen wie Anna könnte das eine neue Freiheit bedeuten. Arbeitswege würden kalkulierbarer werden, Freizeit liesse sich besser planen und spontane Entscheidungen – etwa, ob sich ein Umweg lohnt – wären nicht mehr mit Unsicherheit verbunden.

Mobilität als vernetzte Dienstleistung

Nun steht die Schweiz an einem interessanten Punkt: Mit einer starken Infrastruktur und hoher digitaler Kompetenz bietet sie ideale Voraussetzungen, um Mobilitätsdaten als neues Fundament der Gesellschaft zu begreifen. Eine nationale App könnte nicht nur den Alltag vereinfachen, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der Städte stärken.

Der Weg dahin wäre sicherlich anspruchsvoll, erfordert Kooperation, technologische Standorte und Vertrauen in den Umgang mit Daten. Doch das Potenzial ist enorm: Eine Mobilitätswelt, in der Informationen nahtlos fliessen, könnte zu einer Infrastruktur werden, die ebenso unverzichtbar ist wie Strassen oder Schienen – nur eben unsichtbar, digital und jederzeit verfügbar.

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