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Editorial Schweiz

Das Geheimnis des Schweizer Erfolgs

28.03.2025
von SMA
Martin Hirzel, Präsident Swissmem

Martin Hirzel
Präsident Swissmem

In der öffentlichen Diskussion höre ich oft, es sei der Wille zur Innovation, die hohe Agilität sowie der Fokus auf die Kundenbedürfnisse, welche für den Erfolg der Schweizer Industrie verantwortlich zeichneten. Zweifellos trägt all dies zum Erfolg bei. Allerdings verfügen auch andere Nationen über diese Qualitäten. Es kann also nicht nur daran liegen, dass unser Land immer wieder herausragende Industrieprodukte hervorbringt. In meinen Augen liegt auch ein anderer Wert unserem Erfolg zugrunde: Offenheit. Und zwar die Offenheit gegenüber Ideen, Menschen und dem Handel.

Ein Blick in die Schweizer Industriegeschichte genügt, um dieser These Substanz zu verleihen. Im 17. Jahrhundert brachten hugenottische Flüchtlinge aus Frankreich ihr handwerkliches Wissen in die Schweiz. Sie legten den Grundstein für die Schweizer Uhrenindustrie. Der Franzose Alexander Clavel war einer der ersten, welcher in Basel synthetische Farbstoffe produzierte. Daraus entwickelte sich die Chemie- und Pharmaindustrie. Oder der Engländer Charles Brown, der mit Walter Boveri die BBC gründete, die als ABB noch heute existiert. Es gäbe noch viele weitere Beispiele.

Natürlich waren nicht nur Ausländer dafür verantwortlich, dass die Schweiz zur Industrienation aufstieg. Ich glaube aber, dass die Offenheit der Schweiz gegenüber solchen Persönlichkeiten und deren Ideen den Humus bildeten, auf dem wichtige Industriesektoren wachsen konnten. Und dies ist wirklich eine speziell schweizerische Qualität. Sie zeigt sich auch im gesamten Staatswesen. Ohne diese Offenheit wäre das friedliche Zusammenleben von vier Kulturen in einem kleinen Land wie die Schweiz kaum möglich.

Ich will aber nicht nur in die Industriegeschichte schauen. Angesichts der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage müssen wir nach vorne blicken und Lösungen finden. Dabei ist die Fähigkeit, offen gegenüber Menschen und Ideen zu sein, dringlicher denn je. Die technologische Komplexität nimmt laufend zu. Die Möglichkeiten der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz haben das Tempo nochmals signifikant erhöht. Um künftig erfolgreich zu bleiben, müssen Industrieunternehmen mit Drittfirmen, Hochschulen und Forschungsinstituten kooperieren. Es ist die Zusammenarbeit von Menschen aus verschiedensten Disziplinen, welche bahnbrechende Innovationen schafft. Dafür braucht es unter anderem Spezialistinnen und Spezialisten aus der Datenanalyse, Physik, Biologie, Photonik, Robotik und der Quantentechnologie. Ingenieur:innen allein schaffen das nicht mehr.

Auf dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft braucht es auch weiterhin eine grosse Offenheit in der Aussenhandelspolitik. Die Welt sortiert sich gerade neu. Als kleines Land können wir der neuen geopolitischen Blockbildung und dem zunehmenden Protektionismus wenig entgegensetzen. Der einzige Weg in dieser Situation ist es, pragmatisch und agil neue Freihandelsverträge abzuschliessen – idealerweise schneller als unsere Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Deshalb sollte das Freihandelsabkommen mit Indien rasch und möglichst ohne den Umweg über ein Referendum ratifiziert werden. Zudem braucht es ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten. Natürlich soll auch ein solcher Vertrag mit den USA angestrebt werden. Für die Schweiz wäre das der Jackpot.

Gleiches gilt für das Verhältnis zur EU. Grundsätzlich schaue ich mit grosser Skepsis auf die Regulierungswut der EU. Sie ist eine enorme Belastung für die Unternehmen und bindet unnötig viele Ressourcen. Immerhin scheint sich diese Erkenntnis auch in Brüssel langsam durchzusetzen. Das lässt hoffen. Tatsache ist aber, dass die EU für die Schweizer Tech-Industrie der mit Abstand grösste Handelspartner ist. Und das wird auch die nächsten Jahrzehnte so bleiben. Deshalb sind wir gut beraten, wenn wir gegenüber den Bilateralen III eine grosse Offenheit zeigen. In einer Welt, in der Machtpolitik, Abschottung und erratische Entscheide überhandnehmen, wäre es töricht, die Beziehungen zur EU nicht auf eine feste neue Grundlage zu stellen.

Text Martin Hirzel, Präsident Swissmem

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