
Patrick Bünzli
Präsident, Der Schweizer Mobilitätsverband sffv
Der Fachkräftemangel ist seit Jahren in vielen Arbeitsbereichen ein stark diskutiertes Thema. Doch was genau versteht man eigentlich darunter? In einer Studie des «Stellenmarkt-Monitor Schweiz» (kurz smm) fand ich eine Erklärung, die ich im Folgenden zitieren möchte:
«Fachkräftemangel besteht, wenn es in einem Beruf mehr zu besetzende Stellen als stellensuchende Arbeitskräfte gibt. Ein Fachkräfteüberangebot herrscht hingegen, wenn in einem Beruf mehr Personen nach einer Stelle suchen, als Stellen zu besetzen sind. Fachkräftemangel und Fachkräfteüberangebot sind sowohl für Unternehmen wie auch für stellensuchende Arbeitskräfte eine zentrale Grösse. Je mehr Unternehmen von einem Fachkräftemangel oder je mehr Personen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, desto relevanter wird das Phänomen für Wirtschaft und Gesellschaft.»
Schaut man sich die im November 2023 veröffentlichte Studie zum Schweizer Arbeitsmarkt genauer an, zeigt sich, dass der Bereich Mobilität zu den Top Fünf des Fachkräftemangels zählt. Obwohl der Index im Jahr 2023 durch gezielte Massnahmen leicht gebremst werden konnte, verzeichnete er dennoch einen Zuwachs von 24 Prozent und erreichte damit einen neuen Höchststand. Das ist alarmierend!
Im Automobilgewerbe ist dieser Zustand ein nicht zu unterschätzender Faktor, der dringend nach Lösungen verlangt. Insbesondere Garagenbetriebe müssen immer kreativer werden, um Fachkräfte zu gewinnen. Gleiches gilt auch für die Rekrutierung von Lernenden. Als ich in den frühen 1980er-Jahren meine Lehre absolvierte, waren Frauen in diesem Bereich eine Ausnahme. Ich hatte das grosse Glück, eine Unterstiftin (kann man das heute noch so sagen?) zu haben. Sie war sehr talentiert, hatte jedoch im körperlichen Bereich gewisse Herausforderungen. Schnell stellten wir fest, dass sie mich bei Aufgaben, die flinke und gelenkige Finger erforderten, hervorragend unterstützen konnte. Im Gegenzug half ich ihr beispielsweise bei der Demontage von Getrieben. So konnten wir uns gegenseitig unterstützen und sie war eine enorme Bereicherung für meine Lehrzeit.
Mit regem Interesse habe ich daher die neuesten Zahlen des Autogewerbeverbands zur Kenntnis genommen, die zeigen, dass der Frauenanteil jedes Jahr leicht ansteigt. Ein kleiner Lichtblick am Ende des Tunnels. Dennoch stellt sich die Frage, welche weiteren Massnahmen ergriffen werden könnten. Teilweise werden Stellen mit einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn angeboten. Kann das wirklich die Lösung sein? In der Not wird man erfinderisch, doch letztendlich trägt die Kundschaft die Kosten dafür.
Warum ist ein Handwerksberuf heute weniger attraktiv? Liegt es am Ehrgeiz der Eltern, die darauf bestehen, dass man unbedingt studieren muss? Oder ist ein Beruf, bei dem man sich die Hände schmutzig macht, nicht mehr gesellschaftlich anerkannt? Meiner Meinung nach ganz klar: Nein! Jede Ausbildung hat ihre Vor- und Nachteile. In unserem Beruf erlangt man eine sehr fundierte technische Ausbildung, muss aber auch unter Druck Leistung erbringen. Das eigentliche Rüstzeug erhält man erst nach der Lehre.
Die Automobilindustrie befand sich lange in einem kleinen Dornröschenschlaf, doch mit dem Aufschwung der Elektromobilität entsteht nun eine Chance, die unbedingt genutzt werden sollte. Diese Veränderung könnte den gesamten Beruf wieder attraktiver machen. Es ist wichtig, diese Entwicklung zu fördern und die Facetten des Arbeitsbereichs zu erweitern. Die Bandbreite ist enorm: Neben handwerklichem Geschick und dem Einsatz von Informatik wird in Zukunft auch die gesamte Mobilität in den Job integriert. Der Garagenbetrieb muss sich neu erfinden und zusätzliche Angebote nutzen, um auf dem Markt bestehen zu können. Diese Vielfalt sollte genutzt werden, um den Beruf noch attraktiver zu gestalten.
Eine weitere Möglichkeit, sich beruflich zu entwickeln, ist die kontinuierliche Weiterbildung – sei es im erlernten Beruf oder durch den zweiten Bildungsweg. Dies eröffnet zahlreiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wie viele von uns bereits erfahren haben. Auch bei mir war dies der Fall. Schon früh wusste ich, dass ich nicht dauerhaft in der Werkstatt arbeiten wollte. Mein Weg führte mich in den Flottenbereich. Nach diversen Weiterbildungen erhielt ich die Möglichkeit, bei Mobility Carsharing die Flotte zu verwalten. Dabei hatte ich die wertvolle Erfahrung, eine Chefin zu haben, die mich nicht nur forderte, sondern auch förderte. Ich konnte viel lernen und mein Wissen einbringen, was letztlich dazu führte, dass ich die Verantwortung für den gesamten Flottenbetrieb übernehmen konnte. Für das in mich gesetzte Vertrauen bin ich ihr auch heute noch sehr dankbar.
Was möchte ich damit sagen? Ganz einfach: Ich möchte dazu ermutigen, sich selbst manchmal zurückzunehmen, das eigene Wissen weiterzugeben und vor allem Vertrauen in den Nachwuchs zu haben. Ich bin mir bewusst, dass diese Aussage etwas brisant sein könnte. Bei einer Veranstaltung fiel mir auf, wie viele Leute ich kannte – und wie stark die Überalterung in der Branche bereits fortgeschritten ist. Das hat mich nachdenklich gestimmt. Wo sind die Nachwuchskräfte, die neue Ideen einbringen und frischen Wind in die Branche bringen?
Ich habe das Privileg, einige Bereiche im CAS-Lehrgang für Flotten- und Mobilitätsmanager zu unterrichten. Es war spannend zu beobachten, wie sich die Teilnehmenden gegenseitig motivierten und auch kontroverse Diskussionen führten. Es gab viele interessante Ansätze, die genutzt werden sollten. Doch hier liegt das Problem: Die nächste Generation kann erst wirklich vorankommen, wenn wir Älteren uns zurückziehen und ihnen Platz machen. Für meinen Teil habe ich diesen Schritt getan und unterstütze heute noch gerne, wo ich kann.
In meiner jetzigen Funktion versuche ich, mein Wissen weiterzugeben und stehe bei Fragen oder Problemen zur Verfügung. Es hat auch gewisse Vorteile, wenn man diesem Ansatz folgt: Man hat weniger Sitzungen, die Verantwortung nimmt ab und die Personalführung entfällt. Mir bereitet dieser Weg viel Freude und ich bereue keine Sekunde, diese Entscheidung getroffen zu haben. Die höchste Erfüllung finde ich darin, jungen Führungskräften bei ihrer Weiterentwicklung zu helfen, ihre Erfolge mitzuerleben und meinen Beitrag dazu geleistet zu haben. Natürlich ist mir bewusst, dass dies auch mit gewissen Entbehrungen verbunden ist. Die Verantwortung kann sinken, der Lohn möglicherweise kleiner werden und man bekommt einen jüngeren Vorgesetzten. Doch ich bereue diesen Schritt nicht, denn die gewonnene Freiheit ist unbezahlbar.
Was haben diese Erkenntnisse mit dem Fachkräftemangel zu tun? Meiner Meinung nach einiges. Wenn ein Beruf an Attraktivität gewinnt und die Aufstiegschancen steigen, wird sich das positiv auf das Problem des Fachkräftemangels auswirken. In diesem Sinne wünsche ich euch allen, euren eigenen Weg zu finden und erinnere daran: «Die Jugend ist unsere Zukunft, nicht mehr wir Älteren!»
Text Patrick Bünzli, Präsident, Der Schweizer Mobilitätsverband sffv
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