Mit dem Alter sehen sich viele Menschen mit Alterssichtigkeit konfrontiert, doch die Ursachen sind so unterschiedlich wie die Symptome selbst. Lebensstil, Bildschirmarbeit und Sonneneinstrahlung spielen dabei eine ebenso starke Rolle wie genetische Veranlagung oder Krankheiten. Welche Faktoren wirklich entscheidend sind und wie man sich schützt, erklärt Augenarzt Dr. Gábor Márk Somfai im Interview.

Dr. Gábor Márk Somfai
Augenarzt
Herr Dr. Somfai, es wird gesagt, dass mit dem Alter die Sehkraft abnimmt. Woran liegt das konkret?
Das ist eigentlich falsch. Die Sehkraft selbst wird nicht beeinträchtigt. Was mit dem Alter abnimmt, ist die Flexibilität der Augenlinse für den nahen Fokus. Das heisst, dass man zum Beispiel für das Lesen eine zunehmend stärkere Korrektur benötigt. Dies beginnt typischerweise ab einem Alter von 40 bis 45 Jahren. Darum wird das weder Kurz- noch Nachsichtigkeit, sondern Alterssichtigkeit genannt. Das werde ich auch haben, obwohl ich selbst Augenarzt bin.
Welche Krankheiten können zu Komplikationen in Bezug zur Augengesundheit führen?
Eine davon ist Diabetes. Leider ist es nicht nur eine Erkrankung, sondern eigentlich schon eine Pandemie. In der Schweiz leiden rund sechs Prozent der Bevölkerung daran und die Hälfte davon weiss es nicht mal. Diabetes ist europaweit eine der leitenden Ursachen für Erblindung und Sehverlust bei Menschen im erwerbstätigen Alter. Ab 65 ist es die Makuladegeneration, also eine Erkrankung der Netzhaut. Für beide Altersgruppen ist die Schädigung des Sehnervs, als Glaukom oder Grüner Star bekannt, ebenfalls ein sehr prävalenter Grund.
Welchen Einfluss hat das Sonnenlicht beziehungsweise die UV-Strahlung?
In Ländern mit hoher UV-Strahlung treten Hautkrebse wie Melanome häufiger auf. Sie kann auch die Eintrübung der Linse, also den Katarakt oder den Grauen Star, beschleunigen. Es wird stark empfohlen, eine Sonnenbrille mit UV-Schutz zu tragen, deren Gläser möglichst so gross sind wie die eigenen Augen. Denn bei kleineren Brillen kann die UV-Strahlung von oben trotzdem durchkommen und die Linse beschädigen.
Ein Problem ist, dass man bei der Bildschirmarbeit zu wenig blinzelt. Das führt zu einem kumulativen Austrocknen der Augenoberfläche und dadurch zu roten, brennenden Augen. – Dr. Gábor Márk Somfai, Augenarzt
Sind Augenprobleme oder -krankheiten vererbbar?
Die bereits erwähnte altersbedingte Makuladegeneration weist eine genetische Prädisposition auf, aber nicht ausschliesslich. Sie hat noch zwei andere erwiesene Risikofaktoren: das Alter und das Rauchen. Bei den pur genetisch bedingten Erkrankungen der Netzhaut werden die lichtempfindlichen Reizzellen schon vom Kindesalter an langsam beeinträchtigt. Diese genetischen Krankheiten sind seltener, aber nicht so sehr. Die Schweiz ist in der Erforschung von neuen Behandlungsmöglichkeiten davon weltweit führend.
In der heutigen Welt starrt der Grossteil der Arbeitnehmenden bei der Arbeit auf den Bildschirm. Wie kann man trotzdem die eigenen Augen schützen?
Ein Problem ist, dass man bei der Bildschirmarbeit zu wenig blinzelt. Das führt zu einem kumulativen Austrocknen der Augenoberfläche und dadurch zu roten, brennenden Augen. Das bewusste Blinzeln, oder ergänzend die Augen künstlich zu befeuchten, helfen dabei. Um dagegen vorzugehen, empfehle ich, dass man alle 40 bis 60 Minuten aufsteht, aus dem Fenster die Natur beobachtet oder ein Glas Wasser trinkt. Man muss den Augen eine Pause gönnen. Das ist auch für Kinder so, da dank steigender Bildschirm- und Naharbeitszeit in den Schulen und zu Hause die Häufigkeit der Kurzsichtigkeit dramatisch steigt. Die internationale Empfehlung ist, dass sie sich täglich zwei Stunden draussen im Tageslicht befinden und zum Beispiel spielen. Es wurde festgestellt, dass Kinder, die viel Tageslicht bekommen, eine deutlich geringere Tendenz zur Kurzsichtigkeit aufweisen.
Welche Nebeneffekte von Augenproblemen sind weniger bekannt?
Beim Glaukom zum Beispiel sterben die Nervenfasern so ab, dass zuerst das periphere Blickfeld betroffen ist. Viele merken das gar nicht oder erst dann, wenn sie immer häufiger in Gegenstände oder Türen laufen oder kleine Unfälle haben. Deshalb ist ab 55 eine Augenkontrolle alle zwei Jahre dringend empfohlen, ab 65 sogar jährlich. Heutzutage können wir viele Probleme sehr gut behandeln, auch bei Diabetes oder einer Makuladegeneration. Diese Behandlungen verbessern nicht nur die Sehqualität, sondern auch die Lebensqualität und reduzieren sogar die Häufigkeit von schweren Unfällen.
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