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Ist die Andropause des Mannes Menopause?

31.08.2020
von Patrik Biberstein

Andropause, Klimakterium Virile, ADAM (Androgen Decline in the Aging Man) oder Androgen Defizit Syndrom: Viele Namen trägt das Phänomen, welches in Fachkreisen teilweise umstritten ist. Ähnlich wie die Wechseljahre bei den Frauen wird es durch hormonelle Veränderungen ausgelöst. Aber viel weiter gehen die Gemeinsamkeiten nicht.

Hitzewallungen, Schlafprobleme und Gewichtszunahme sind bei Weitem nicht nur Symptome einer Menopause. Auch Männer über 40 können an diesen Beschwerden leiden, welche unter anderem symptomatisch für eine sogenannte Andropause sein können. «Die Herausforderung dabei besteht allerdings darin, dass die Symptome nicht pathognomonisch sind. Das heisst, sie sind nicht exklusiv dem Testosteronmangel zuschreibbar, sondern können auch durch andere Begleitumstände hervorgerufen werden», weiss PD Dr. med. Alexander Müller, Chefarzt an der Klinik für Urologie des Spitals Limmattal. Er fügt an, dass sich ein möglicher Testosteronmangel durch drei wesentliche Symptomkategorien bemerkbar machen könnte: psychische, körperliche und besonders sexuelle Symptome.

Hitzewallungen, Schlafprobleme und Gewichtszunahme sind bei Weitem nicht nur Symptome einer Menopause.

Bei den psychischen Symptomen können vor allem höhere Reizbarkeit, Depression, Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche und Antriebslosigkeit führend sein. Hinzukommen können auch körperliche Veränderungen wie Hitzewallungen und Schweissausbrüche, Schlafstörungen und Müdigkeit sowie fortschreitende Osteoporose. «Besonders ausgeprägt können sexuelle Veränderungen sein wie Libidoverlust und Erektionsstörungen», führt Dr. Müller weiter aus.

Was hinter der Andropause steckt

Schuld daran ist der Rückgang des männlichen Sexualhormons Testosteron, welcher normalerweise zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr eines jeden Mannes einsetzt. Dies gehört aber zum natürlichen Alterungsprozess dazu und ist normalerweise nicht weiter schlimm. Denn in der Regel startet man auf einem relativ hohen Testosteron-Niveau. Anders als bei den Frauen ist diese hormonelle Veränderung jedoch eine schleichende, und keine abrupte: Jährlich geht der Testosterongehalt um rund ein Prozent zurück, dieser Anteil kann aber aufgrund anderer Faktoren – wie zum Beispiel Bluthochdruck, Diabetes oder chronischen Erkrankungen wie COPD oder Arthritis – höher ausfallen. Weitere Risikofaktoren, welche ein Testosteron-Defizit begünstigen, sind ein überhöhter Blutfettgehalt, Rauchen und Alkoholkonsum. Einer der grössten ist allerdings Übergewicht, denn grundsätzlich wird in Fettzellen Testosteron zu Östrogenen metabolisiert. Trotzdem, «ein kleines Wohlstandsbäuchlein ist typisch fürs Alter. Kritisch wird es aber, wenn der Hüftumfang über 102 cm liegt», meint der Experte.

Was Mann dagegen tun kann

Da den Symptomen der Andropause der natürliche Altersprozess, beziehungsweise der damit einhergehende sinkende Testosterongehalt, zugrunde liegt, kann man nicht direkt vorbeugen. Allerdings kann dafür gesorgt werden, dass der Hormonverlust nicht übermässig ausfällt. Beispielsweise, indem darauf geachtet wird möglichst kein Übergewicht anzusetzen und sich regelmässig zu bewegen. Weiter ist es wichtig, Risikofaktoren wie die Blutfette, den Blutzucker oder Bluthochdruck frühzeitig erkennen und behandeln. Sollte trotz Vorbeugen ein symptomatischer Testosteronmangel (Symptome und deutlich erniedrigter Testosteronspiegel im Blut), vorliegen, muss man – wenn möglich – handeln. Denn: «Dann ist unsere Sterblichkeitsrate um 30 Prozent höher. Echter Testosteronmangel ist durchaus lebensbedrohlich», wie Dr. Müller erklärt. Dann kommt eine Testosteronersatztherapie zum Zug, was heutzutage relativ unproblematisch ist.

Es gilt aber sowohl von Patientenseite als auch aus Sicht des behandelnden Arztes gewisse Dinge zu beachten. Der Chef-Urologe erklärt: «Die Ersatztherapie unterdrückt die körpereigene Produktion. Das heisst, wenn man das anwendet, ist dies eine Entscheidung, diese Testosteronersatztherapie höchstwahrscheinlich für den Rest des Lebens begleitend einzunehmen.» Und als behandelnder Arzt gilt es Risiken und Nutzen mit dem Patienten individuell abzuwägen. Denn obwohl der Aberglaube, dass eine Testosteronersatztherapie Prostatakrebs in der Entstehung fördere, widerlegt worden ist, gibt es einige Risiken zu beachten: Bei Grunderkrankungen, wie beispielsweise einer ausgeprägten Herzinsuffizienz, aber auch bei einer stark vergrösserten Prostata, ist Vorsicht geboten. Ausserdem erläutert der Experte, könne die Bildung von Blutkörperchen (Erythrozyten) stark zunehmen. Dies könne zu dickem Blut mit veränderter Fliesseigenschaft oder einem höheren Thromboserisiko führen.

Die Wissenschaft ist sich uneinig

Dass sich am Phänomen Andropause nach wie vor die Geister scheiden, hat diverse Ursachen. Einerseits ist da das Fehlen eines treffenden Begriffes. Der für diesen Artikel befragte Experte meint dazu, dass die Begrifflichkeit «Andropause» – angelehnt an die Menopause der Frauen – sehr unglücklich sei, da die beiden Themen zu verschieden seien.

Weiter erläutert Dr. Müller: «Nicht nur die Begrifflichkeit ist umstritten. Was auch umstritten ist, sind Grenzwerte, die festlegen, wann das Testosteron im Blut wirklich zu tief ist. Da sind sich die Fachgesellschaften über den unteren Schwellenwert gar nicht einig. Wenn die Experten einen Blutwert schon nicht ganz einheitlich definieren können, dann macht es das schwierig.». Ein anderer Grund für die noch immer herrschende Uneinigkeit betreffend der männlichen «Wechseljahre» liegt darin begründet, dass die weiblichen Sexualhormone weitaus besser erforscht sind als die männlichen. Dies ist damit zu erklären, dass Männer weder unter monatlichen Hormonumstellungen zu leiden haben noch schwanger werden können oder mittels einer Hormonpille verhüten. Sprich, für die Forschung sind sie in diesem Aspekt schlicht die uninteressantere Zielgruppe.

Text Patrik Biberstein 

Mehr zu Männergesundheit gibt es hier.

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